Montag, 15. November 2021

Steinig und schwer

Mastodon - Hushed and Grim
MASTODON
Hushed & Grim
Reprise
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ epochal | zugänglich | ausufernd ]
 
Es ist ein bisschen seltsam, dass Mastodon sich ausgerechnet jetzt dazu entschließen, ein Album wie dieses hier zu machen. Da haben sie eine Dekade lang damit zugebracht, ihren progressiven Sludge-Sound so eingängig und gefällig wie möglich zu gestalten, womit sie zuletzt auch ziemlich erfolgreich waren, nur um jetzt wieder einen auf Streber zu machen. Sicher, das letzte Album von ihnen ist nun auch schon wieder fast fünf Jahre her und es ist nicht ungewöhnlich, dass sich in dieser Zeit einige Parameter im Stil der Band verschoben haben, trotzdem war ich auf einen Move wie Hushed & Grim von ihnen nicht wirklich gefasst. Ein fast neunzigminütiges Doppelalbum mit viel technischem Feuerwerk, das klanglich volle Granate in die nerdige Progrock-Phase zurückschrappt, aus der sie eigentlich seit Ende der Zwotausender, spätestens aber seit Once More 'Round the Sun von 2014 raus waren. Wobei diese Tendenz an sich ja gar keine schlechte ist. Dass die gemäßigten Dadmetal-Mastodon von zuletzt mich ziemlich überzeugten, heißt ja keineswegs, dass die vergniedelten Mastodon das nicht schon lange vorher hatten und die grundsätzliche Idee eines Doppelalbums ist eine, die sehr gut zu einer Gruppe wie ihnen passt. Dass Hushed & Grim etwas werden könnte, lag also nicht nur im Bereich des möglichen, sondern war geradezu eine verheißungsvolle Aussicht. Und wirklich enttäuscht bin ich vom letztendlichen Ergebnis eigentlich auch nicht. Immerhin schafft diese Platte nämlich das Kunststück, über seine gesamte Spieldauer hinweg nur wenig von seiner einmal aufgebauten Spannung zu verlieren und ist erneut ein ziemlich gelungenes Beispiel dafür, wie technisch anspruchsvoller Metal auch ohne nervige Masturbationsorgien funktionieren kann. In vielen Songs hier leisten Mastodon weiterhin Maßarbeit, was starkes Riffing, tighte Produktion und die Verbindung von progressivem Glamour mit dem Restbestand Sludge-Räudigkeit angeht, die ihnen seit den Zwotausendern noch übrig geblieben ist. Als ein spannendes Album empfinde ich Hushed & Grim aber trotzdem nicht. Ganz einfach weil es zu keinem Zeitpunkt die Energie aufs Parkett bringt, zu der eine Band wie diese erfahrungsgemäß fähig ist. Wenn ich eines an Mastodon immer bewundert habe, dann ihr unvergleichliches Talent dafür, echte Hits zu schreiben, von denen es während der letzten zehn Jahre ja auch nicht wenige gab. Und auf diesem Album gibt es zwar ganze 15 Stücke, von denen jedoch keines auch nur halb so eingängig nachhallt wie ein Show Yourself, ein the High Road oder ein Black Tongue während der letzten Dekade. Spurenelemente dieses Erfolgsrezeptes lassen sich hier duchaus nachweisen und gerade zum ziemlich genialen Vorvorgänger Once More 'Round the Sun gibt es merkliche Parallelen, allerdings sind diese nie so stark ausgeprägt wie zuletzt oder nur einzelne Bausteine eines sonst eher lahmen Songkonzepts. Das Problem ist dabei nicht mal, dass Mastodon insgesamt ein ruhigeres Album machen, viele der eher seichten Nummern gehören sogar zu besseren. Das Problem ist, dass das Songwriting hier durchweg hinter den Ambitionen zurückbleibt, die sich für diese LP gesetzt wurden. Auf vielen Songs arbeitet die Band dabei eigentlich ziemlich kreativ und setzt durchaus coole Stilmittel wie orientalische Gitarren und ätherische Synths ein, die aber am Ende wenig bringen, wenn die Substanz der Songs so ungenügend ist. Leidtragender ist im Arbeitsprozess dabei vor allem Sänger Troy Sanders, der statt seines üblichen berserkernden Gebrülls oft in ein balladiges Schnulz-Timbre verfällt, das seinen stimmlichen Fähigkeiten kein bisschen steht und meistens eher so klingt als hätte er was im Hals stecken. Ebenfalls wenig erfreut bin ich über die Performance von Brann Dailor am Schlagzeug, der gleichsam vor allem deshalb hinter seinem Potenzial zurückbleibt, weil die Komposition ihm zu selten freie Bahn einräumt. Mastodon sind schon immer eine Band, die sehr von ihren individuellen Stärken lebt und diese kommen hier einfach durchweg zu wenig zur Geltung. Ich sehe es dabei irgendwie ein, dass diese klassische Schemata auch mal überwunden und neue Dinge probiert werden, nur ist es unbedingt notwendig, damit gleich zwei Alben zu füllen? Beziehungsweise hätte man, wenn man schon darauf besteht, wenigstens noch in eine andere Richtung arbeiten können, die weniger dröge und schwerfällig ist. So haben Mastodon am Ende gar nichts gewonnen: Die Laufkundschaft, der sie sich über die letzten zehn Jahre hinweg vorsichtig angenähert haben, wir von diesem Monster zu recht verschreckt sein, den Fans ihrer progressiven Phase schenken sie eine verwässerte und gestreckte Version ihrer eigentlichen Highlights und wer hier noch Sludge Metal hören will, sollte sich erst recht keine Hoffnungen machen. Hushed & Grim ist vielleicht kein Totalausfall, aber seit langem das unnötigste und seltsamste Album der Band aus Georgia. Hoffen wir, dass es am Ende so ausgeht wie bei the Hunter vor zehn Jahren und aus einem holprigen Start in die neue Dekade etwas gutes erwächst. Das zumindest wäre das am meisten positive, was diese LP leisten könnte.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11

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