Freitag, 18. November 2022

Die Wochenschau (11.11.-17.11.2022): Taylor Swift, Carly Rae Jepsen, King Gizzard & the Lizard Wizard u.a.

 

Goat - Oh Death GOAT
Oh Death
Rocket Recordings

Eigentlich hatte ich an diesem Punkt schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass es überhaupt nochmal eine neue LP von Goat geben würde und mich in gewisser Weise schon ein bisschen damit abgefunden, dass sie sich still und heimlich einfach aufgelöst hätten. Das letzte Album mit dem bedeutungsschwangeren Titel Requiem und immerhin sechs Jahre Ruhe seitdem sprachen ja auch irgendwie für sich. Doch haben sich die Schweden hier dann doch noch ein weiteres Mal aufgerafft und präsentieren mit Oh Death an dieser Stelle ein Comeback, auf das ich mich in den letzten paar Monaten schon wahnsinnig freute. Was die Ernüchterung groß machte, als ich feststellte, wie mittelmäßig und uninspiriert es an manchen Stellen doch klingt. Denn obwohl Goat hier die Fackel ihres früheren Sounds (der im wesentlichen aus einer Kombination von Tishoumaren, Afrobeat und krautigen Psychrock-Einflüssen besteht) weitertragen und dabei auch mitunter tolle Songs wie Under No Nation, Goatmilk oder Do the Dance hinbekommen, ist das Gesamtergebnis doch in jedem Fall die abgeschwächte Version der mystizistischen Partymusik, die es auf Platten wie Commune oder Requiem zu hören gab. Im schlimmsten Fall schreiten Goat dabei einfach nur nicht voran und stagnieren mit recycleten Ideen vom letzten Mal, im schlimmsten Fall sind die Ideen effektiv schlecht und schaffen überflüssiges Füllmaterial auf einem Album, das mit 33 Minuten so schon nicht besonders lang ist. Obwohl es grundsätzlich also schön ist, dass es diese Band noch (oder wieder?) gibt, ist es ziemlich schade, dass das Ergebnis daraus ihr bis dato schwächstes Stück Musik ist. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





 
TAYLOR SWIFT
Midnights
Republic



Dass Taylor Swift es mit ihren letzten sechs Longplayern jedes Mal schaffte, ein prägnantes musikalisches Statement zu setzen und über sich reden zu machen, habe ich so richtig erst mit dem Release von Midnights gemerkt. Der Grund: Hier gelingt ihr dieses Kunststück das erste Mal seit über zehn Jahren nicht. Der kompositorische und inhaltliche Aha-Effekt, den in meinen Augen jede ihrer Platten seit Red hatte, ist diesmal nur sehr abgeschwächt zu spüren und viele der Songs der LP fühlen sich irgendwie auswechselbar an. Dass Midnights ein schlechtes Album ist, bedeutet das deswegen nicht gleich und noch immer steht das Grundgerüst an schnieker Popmusik, das sie seit 1989 mit großer Hingabe aufgebaut hat, sehr stabil. Wo in der jüngeren Vergangenheit aber meist jeder Song auf einer Swift-LP einen eigenen Charakter hatte und irgendwie wichtig schien, gibt es hier Tracks wie Labyrinth, Lavender Haze oder Snow On the Beach mit Lana del Rey, die ziemlich gut zu ignorieren sind und einfach nicht viel zum Album beitragen. Zudem sind viele der sehr inhaltlich prägnanten Songs, allen voran Question...? und Mastermind, nicht wirklich die Statements, die sie zu sein glauben. Wirklich tolle Stücke gibt es hier mit Vigilante Shit und Bejeweled in meinen Augen nur zwei, was für eine Künstlerin wie sie keine gute Quote ist und mit Anti-Hero sogar einen, den ich ziemlich nervig finde. Der große Rest ist dann meistens einfach nur durchschnittlich und für Swifts Verhältnisse Malen-nach-Zahlen-Songwriting, was mich von allem eigentlich am meisten empört. Denn dass ein Album dieser Frau ohne eine ausführliche Disposition zu diversen Kontroversen und Dramen funktioniert, daran muss ich mich erst gewöhnen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11



Carly Rae Jepsen - The Loneliest Time CARLY RAE JEPSEN
the Loneliest Time
Silent Records IGA | Interscope

 
 
 
 
 
 
 
Auch mit ihrem mittlerweile fünften Longplayer (oder auch sechsten, wenn man vom letzten Album Dedicated noch die wie immer separat veröffentlichten B-Seiten mitzählt) ist die Causa Carly Rae Jepsen für mich ein bisschen eine schwer zu greifende Sache. Denn auch wenn ich gegen ihre Musik zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit etwas hatte und sie auch hier prinzipiell in Ordnung finde, kann ich doch nicht von mir behaupten, ihren Status als einzigartiger Pop-Darling wirklich zu verstehen. Und auch auf the Loneliest Time heißt das im Endeffekt, dass ich vieles darauf nicht schlecht finde, aber auch selten mehr als das empfinde. Der Opener Surrender My Heart sticht vielleicht an der einen Stelle als potenter Kickstarter hervor oder Beach House an einer anderen als Track mit gutem Humor, ansonsten hören sich viele der Songs hier einfach nur ziemlich gut weg. Und obwohl das an dieser Stelle keinesfalls als böse Kritik gemeint, ist es auch alles andere als ein euphorisches Lob. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11
 
 


FRANKIE COSMOS
Inner World Peace
Sub Pop

Frankie Cosmos - Inner World PeaceMit ihrem Sub Pop-Debüt Vessel hatte Greta Kline vor vier Jahren eines meiner Lieblingsalben der ausgehenden Zwotausendzehner gemacht, das mich seitdem auf einen ebenbürtigen Nachfolger hoffen lässt. Doch nachdem auch schon ihre Unternehmungen in den letzten Jahren nicht immer von Erfolg gekrönt waren und ihr Songwriting darauf sehr formelhaft und monoton wurde, ist auch diese neue LP nicht wirklich das gelbe vom Ei. Als direkter Nachfolger des ziemlich verunfallten Close It Quietly von 2019 (das unter einem Pseudonym veröffentlichte Great Scraps von 2020 zähle ich hier mal nicht mit) zeigt es zwar wieder eine deutliche Besserung auf und ist insgesamt ein durchaus kompetentes Stück Musik. Unter den vielen stilistisch ähnlichen Alben, die es in der jüngeren Vergangenheit von Acts wie den Beths, Pom Poko oder Lucy Dacus gab, wirkt es aber sehr farblos und uninspiriert.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





Lady Aicha & Pisko Crane's Original Fulu Miziki of Kinshasa - N'Djila Wa Mudujimu
LADY AICHA & PISKO CRANE'S ORIGINAL FULU MZIKI OF KINSHASA
N'Djila Wa Mudujimu
Nyege Nyege
 
 
 
Keine Ahnung warum es notwendig war, der griffigen Kinshasaer Formation Fulu Mziki ausgerechnet für ihr kommerzielles Debütalbum so viele unsäglich komplizierte Namensanhängsel zu verpassen, doch die gute Nachricht ist, dass es an der Qualität der Musik nichts ändert. Als wichtiger neuer Fang des ewig emsigen Nyege Nyege-Talentforums ist das jüngst in Afrikas Techno-Hauptstadt Kampala umgesiedelte Kollektiv ein verhältnismäßig gefälliger und konservativer Act, das deshalb vor allem auch für all jene funktionieren sollen, die den Sound des Labels erstmal besser kennenlernen wollen. Denn obwohl auch hier die typischen rhythmischen Verquickungen und trockenen Produktionsästhetiken zu finden sind, die man von Künstler*innen dieses Imprints vielleicht schon kennt, fügen sich diese hier doch relativ fluffig in ein recht poppiges Soundgewand ein, das nie zu avantgardistisch wird und nebenbei noch ein paar angenehm melodische Afrobeat-Elemente verarbeitet, die vor allem über den Gesang zugänglich werden. Trotzdem gibt es aber auch für jemanden wie mich als selbternannten Nyege Nyege-Connaisseur jede Menge zu holen und funktioniert nicht nur als Weichmacher für Neueinsteiger. Am Ende ist es wahrscheinlich sogar eine der besten Platten, die ich je von diesem Label gehört habe.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




King Gizzard & The Lizard Wizard - Changes
KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD
Changes
Die-Ai-Wei

Mit Changes machten King Gizzard & the Lizard Wizard vor drei Wochen noch ihren Release-technischen Oktober-Hattrick perfekt und veröffentlichen ihr inzwischen fünftes Album in diesem Jahr, das als Nachgedanke ihrer verjammten Jazzrock-Phase noch verschiedene Sessionaufnahmen aus diversen Studios in einem Longplayer bündelt. Trotz der eher zusammengeklaubten Natur des ganzen kann ich dabei vermerken, dass die Platte erstaunlich kohärent und fokussiert geworden ist und sich beim Hören nicht anders anfühlt als die letzten beiden Alben der Australier. Wobei man im gleichen Atemzug auch sagen muss, dass Changes von allen Platten dieser stilistischen Orientierung sicherlich die mit Abstand schwächste ist. Wirkliche songwriterische Highlights, wie sie gerade die letzten beiden Oktober-Releases zu Hauf vorkamen, gibt es hier so gut wie gar nicht und wo King Gizzard zuletzt vor allem aus längeren Kompositionen viel Mehrwert zogen, tun sich in Tracks wie Astroturf oder dem Titelstück plötzlich erhebliche Ermüdungserscheinungen auf. Und klar ist das irgendwie eine natürliche Konsequenz daraus, mit dieser Art des Songwritings nunmehr vier bis fünf Longplayer gefüllt zu haben, gerade das sollte aber das stärkste Argument dafür sein, dass eigentlich niemand diese Platte brauchte.

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