Mittwoch, 5. Oktober 2022

Not Getting Excited

The Beths - Expert in a Dying Field
THE BETHS
Expert in A Dying Field
Carpark
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ melodisch | sommerlich | routiniert ]

Ein Teil von mir hat noch immer nicht ganz verarbeitet, was für ein geniales Album Jump Rope Gazers im Sommer 2020 war. Da landet diese junge neuseeländische Band namens the Beths über ein paar entscheidene Vorschusslorbeeren von befreundeten Musiknerds auf meinem Radar, von der ich zunächst nichts böses denke, die mir aber innerhalb einer großzügigen halben Stunde das vielleicht beste Rockalbum der beginnenden Zwotausendzwanziger vor den Bug schmettert, von dem ich gar nicht anders kann, als es einige Monate später als drittbesten Longplayer der ganzen Saison auszuweisen. Und warum ich das ganze so genial finde, ist ebenfalls relativ einfach zu beantworten, denn mit ihrer extrem zuckrigen und melodisch-bittersüßen Mischung aus neunzigerigem Indierock und fetzigem Powerpop schlagen sie genau in die Kerbe meines musikalischen Herzens, die in der jüngeren Vergangenheit schon Alvvays und Hop Along entscheidend in diese Richtung geöffnet hatten. Wobei die Aussicht, auf einem weiteren Album der NeuseeländerInnen einfach noch mehr von dieser Musik zu bekommen, für mich Grund genug war, im Vorfeld von Expert in A Dying Field ordentlich feuchte Hände zu bekommen. Denn so sehr ich Jump Rope Gazers auch liebe und noch immer fantastisch finde war es doch höchstens ein kleines Fenster in das musikalische Oeuvre der Beths, das besser früher als später erweitert werden sollte. Doch auch wenn die zwölf Tracks auf dieser LP auf dem Papier so ziemlich alles sind, was ich mir von einem neuen Album dieser Band gewünscht und erhofft hatte, ist die Sensation diesmal doch nicht mehr wirklich die gleiche. Wobei dieser Eindruck nur zu einem Teil damit zu tun hat, dass der Überraschungseffekt vom letzten Mal hier einfach nicht mehr da ist. Doch fangen wir mal damit an, was Expert in A Dying Field richtig macht und was immer noch ziemlich viel ist. So haben die Beths hier nach wie vor die herrlichen Melodien und Dynamiken drauf, die den Vorgänger an vielen Stellen so fantastisch machten und auch in Sachen Sound steht das meiste hier der letzten Platte in absolut nichts nach. Und nur um das offensichtliche nochmal zu unterstreichen: Elizabeth Strokes ist noch immer eine der besten und tollsten Rock-Vokalistinnen der letzten paar Jahre, die auch weiterhin fantastische Texte schreiben kann. Das Problem diesmal - wenn man das wirklich so nennen will - ist jedoch, dass all diese Grundelemente diesmal nicht immer reichen, um auch wirklich so hymnische und emotionale Songs zu erwirken wie das beim letzten Mal der Fall war. Ein I'm Not Getting Excited oder Just Shy of Sure sucht man hier vergeblich, am ehesten brettert noch der eröffnende Titeltrack mit seinen fantastischen Lyrics über gescheiterte Beziehungen, der Rest ist eher ganz in Ordnung. Was den Beths hier oft fehlt, sind die Catchyness und der Nachdruck, die vor allem in ihren Hooks immer das meiste ausgemacht haben und die solche Songs eben brauchen, um nicht nur nett zu sein, sondern großartig. So sind Best Left oder Head in the Clouds zwar Tracks mit coolen kompositorischen Aufbauten, die jedoch just in den Momenten ihrer größten strukturellen Spannung gerne mal abfallen und eine eher beliebige Punchline abliefern, die dann nicht selten frustrierend ist. Ganz abgesehen von Sachen wie Change the Weather oder Your Side, die ich sogar effektiv als unnötige Füller bezeichnen würde. Einem starken klanglichen Charisma und einer selbstbewussten Kohärenz im Songwriting ist es dabei zu verdanken, dass Expert trotzdem noch ein durchweg gutes Album ist und nicht ins mittelmäßige absackt, ein Fan der Beths würde ich mit dieser LP als Ausgangspunkt trotzdem nicht mehr werden. Und vielleicht ist das Problem am Ende auch, dass die Platte als dritte in der Karriere der Band zu sehr dort verhaftet bleibt, wo diese schon immer war und zu wenig neues probiert. Wobei das mit mir persönlich sogar okay gewesen wäre, weil ich ja quasi erst mit ihrem zweiten dazugekommen bin. Im Verhältnis gesehen war ich hier also sehr einfach zufrieden zu stellen und bin wahrscheinlich auch in meiner jetzigen Beurteilung nur so gnädig, weil der Rausch der letzten Platte bei mir noch nicht ganz abgeklungen ist. Was allerdings alles nicht wirklich dafür spricht, dass die Beths hier einen wirklich guten Job gemacht haben. Maximal einen sehr befriedigenden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11


Persönliche Höhepunkte
Expert in A Dying Field | Silence is Golden | A Passing Rain | I Told You That I Was Afraid

Nicht mein Fall
Your Side | Change the Weather

Hat was von
Alvvays
Antisocialites

Hop Along
Painted Shut


1000kilosonar bei last.fm  

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