Montag, 10. Oktober 2022

Advanced Darkness in Two Easy Steps

Ka - Woeful Studies

Ka - Languish Arts  

KA
Languish Arts | Woeful Studies
Die-Ai-Wei
2022
 
 
[ nachdenklich | lauernd | melancholisch ]
 
Es ist ein bisschen seltsam, dass ich die Besprechung dieses neuen Albums von Ka (oder in diesem Fall sogar von diesen zweien) mit dem Gedanken beginne, dass gerade wahrscheinlich die beste Zeit für die Musik des New Yorkers ist und er den richtigen Moment für so ein großes musikalisches Statement in meinen Augen genau richtig gewählt hat. Denn eigentlich war ich vor ein paar Jahren noch ernsthaft der Meinung, dass sein kreativer Zenit bereits überschritten sei und seine Platten langsam aber sicher routiniert wurden. Am Ende des Tages ist es ja kein Geheimnis, dass der Rapper aus Brownsville nun schon seit einer ganzen Weile Platten macht (an diesem Punkt sind es ziemlich genau 14 Jahre) und rein stilistisch auch schon lange nicht mehr den Output eines jungen und hungrigen MCs veröffentlicht, zudem waren einige seiner letzten Sachen auch nicht mehr ganz so aussagekräftig wie seine besten Alben in den Zwotausenzehnern und in manchen Fällen sogar effektiv schwäcerh. Der neuerlichen Popularität des Drumless-Subgenres und der damit einhergehenden Bekanntwerdung von Leuten wie Billy Woods oder Griselda, die künstlerisch eine sehr ähnliche Schiene fahren, ist es jedoch zu verdanken, dass Ka als einem der wichtigen Vordenker des Stils in der Szene plötzlich einiges mehr an Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird und momentan auch Leute über ihn reden, die nicht knietief im alternativen Hiphop-Nerdismus stecken und seine Musik damit neu entdecken. Und wo A Martyr's Reward in der letzten Saison definitiv schon eine Platte war, die diese Welle gut mitreiten konnte, ist es ein Jahr später nun das Doppel aus diesen beiden Alben, mit dem der New Yorker wirklich nochmal aktiv ein starkes Statement für seine künstlerische Aktivität setzt und sich als großen Protagonisten des New Yorker Conscious Rap positioniert. Womit ich nicht nur meine, dass er hier auf einen Schlag 20 neue Songs rausballert und damit quantitativ einfach ganz anders auftafelt als zuvor, sondern durchaus auch, dass diese beiden neuen Alben zu den besten gehören, die ich von ihm je gehört habe. Die Unterscheidung in zwei verschiedene Platten, die separat gehört werden sollen, ist dabei zum Glück eine eher formelle, die sich nicht merklich in inhaltlichen und nur ganz dezent in musikalischen Aspekten äußert und der das Paket aus Woeful Studies und Languish Arts am Ende des Tages auch nur zu einem praktisch portioniertes Gesamtwerk von etwa einer Stunde Länge macht, das locker auch ein Album hätte sein können. Wenngleich die Aufteilung in zwei Teile also nicht wirklich zum künstlerischen Mehrwert des Projekts beiträgt, schadet sie diesem doch auch in keinster Weise und ist einfach etwas, das ich als gegebene Tatsache zur Kenntnis nehme. Was gut ist, denn inhaltlich gesehen sind beide Platten eh viel interessanter als strukturell und zeigen die melancholische Hiphop-Welt von Ka vor allem musikalisch von ihrer bisher düstersten Seite. Und das obwohl die meisten der Songs hier eher kurze Vignetten sind als wirklich ausformulierte Stories und das ganze auch nicht von irgendwelchen konzeptuellen Fäden durchzogen wird wie auf seinen früheren Alben von Ka (zumindest nicht soweit ich das feststellen konnte). Viel eher ist es diesmal die Performance des Rappers und die extrem melancholische und deprimierte Ausgestaltung der Beats, die hier ein starkes Bild diverser Elendszustände zeichnet und auch einfach über einen Vibe funktioniert, den der New Yorker (der hier an vielen Stellen auch selbst produziert) auf diesen Songs mehr verdichtet als oftmals zuvor. Häufig braucht Ka nur wenige Minuten ohne große songwriterische Gimmicks wie Hooks oder metrische Wechsel, um mich tief in die finstersten Löcher des urbanen Molochs zu ziehen, das er nun schon seit Beginn seiner Karriere so eindrücklich beschreibt, wobei auch hier in keinem Moment seine Kraft als fesselnder Erzähler nachlässt. Noch mehr als auf A Martyr's Reward sind es diesmal aber eben nicht die Lyrics, die auf mich den größten Eindruck machen, sondern das ganze Drumherum, das alles perfekt auskleidet und so wirken lässt wie einen poetischen Film Noir mit Ka als verwunschenen Protagonisten, der die ganze kaputte Szenerie gleichermaßen ergriffen und resigniert in sein Diktiergerät murmelt. Und obwohl vieles davon an sich nichts neues ist und diese Art von Songwriting bei ihm seit inzwischen gut zehn Jahren stattfindet, kann man eben auch sagen, dass diese auf vielen seiner Alben seitdem immer weiter verfeinert und filetiert wurde, was jetzt eben wieder Mal zu einem neuen Projekt führt, bei dem ich darüber nachdenken muss, ob ich es als das bisher beste von Ka empfinde. Ob das der Fall sein wird, kann letztendlich zwar nur die Zeit entscheiden und mit Honor Killed the Samurai von 2016 hat der New Yorker immerhin einen echten Dauerbrenner im Katalog, doch hat dieses LP-Doppel vom Gefühl her etwas, das ich bei diesem Rapper schon lange nicht mehr empfunden habe. Eine strukturelle und kreative Größe, die eben nicht nur daher kommt, weil es nun mal zwei statt nur einem Album sind, sondern auch von der musikalischen Reichhaltigkeit des ganzen, die das hier zu einem echten Statement macht. Einem von dem ich glaube und hoffe, dass es diesen Typen einer neuen Fanbase zugänglich macht und objektiv gesehen sein bisher größtes Werkstück wird. Qualitativ natürlich am liebsten, zumindest aber zahlenmäßig.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Languish Arts:
Full Cobra | No Reservations | Forgive Me | Touché | Family Color | Last Place

Woeful Studies:
We Not Innocent | I'm Tired | Obstacles | Reap | Counted Out | Eat | the Block | Building | My Only Home
 
Nicht mein Fall
-

Hat was von
Roc Marciano & the Alchemist
the Elephant Man's Bones

Billy Woods
Today, I Wrote Nothing


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