Donnerstag, 20. Oktober 2022

Weil's gerade so gut läuft

Lambchop - The Bible
LAMBCHOP
the Bible
City Slang
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ verkunstet | melancholisch | experimentell ]

Ein letztes Mal will ich an dieser Stelle nochmal meine Freude darüber ausdrücken, dass Lambchop es 2021 mit ihrem letzten Album Showtunes endlich schafften, das eine wirklich fantastische musikalische Werkstück zu veröffentlichen, das in meinen Augen schon so lange in ihnen steckte und dabei so spannend zu klingen wie vielleicht noch nie zuvor in ihrer fast vierzigjährigen Karriere. Und wer sich ob dieser Aussage jetzt fragt warum genau das so eine große Sache für mich ist, kann sich gerne die mindestens drei Artikel durchlesen, in denen ich während des vergangenen Jahres über dieses Thema lamentiert habe. Weil das aber auch für mich schon mehr als genug ist und ich ehrlich gesagt nicht viel neues dazu zu sagen habe, will ich mich damit hier nicht zu lange aufhalten und stattdessen inhaltlich weitergehen. Denn das machen Lambchop selbst schließlich auch, die keine anderthalb Jahre nach besagtem Album schon einen vollumfänglichen Nachfolger fertig haben, der seinerseits besprochen werden will. Und so wenig, wie sich Lambchop in der Vergangenheit von kolossalen Misserfolgen und peinlichen Mistplatten aufhalten ließen, so wenig tun sie das anscheinend auch bei großartigen Gesamtkunstwerken, die den Weg ihrer Karriere potenziell neu definieren. Wobei man sagen muss, dass the Bible 17 Monate nach Showtunes schon sehr nach der LP klingt, den ich als deren Nachfolger erwartet hätte. Vor allem in dem Sinne, dass Lambchop hier weiter ihren Weg in die Kunstigkeit und Avantgarde ebnen, der sie auch diesmal wieder in ziemlich wilde klangliche Territorien führt. Songs wie Little Black Boxes, in denen die Band einmal mehr ihre Leidenschaft für Autotune und elektronische Frickelei zur Schau stellt oder der komplett in sich verschobene Tango-Shuffle Whatever, Mortal mit den akzentuierten Schusseiesen-Durchlade-Soundeffekten sind definitiv spannende Exkurse in die Welt der experimentellen Popmusik, die zu den tollen neuen Kompetenzen der Band gehören und die besten Momente des Vorgängers konzeptuell weiterdenken. Wobei sie vor allem auch deswegen so klasse sind, weil sie oftmals jenen ganz speziellen Humor für wahnwitzige Schenkelklopfer von kompositorischen Ideen haben, der ihre sonst sehr schwermütige und ätherische Musik auf wunderbare Weise bricht (Siehe Kurt Wagners grandioses Gwen Stefani-Zitat in That's Music) und letztendlich auch das Element ist, was sie hier von einem Justin Vernon, Dan Bejar, Matt Berninger oder spätherbstlichen Leonard Cohen unterscheidet. Womit ich nicht sagen will, dass ich gegen diese Leute irgendetwas hätte. Und obwohl the Bible an vielen Stellen auch wieder stärker als der Vorgänger die Folk-Wurzeln von Lambchop sucht, würde ich trotzdem sagen, dass er insgesamt sogar noch schwerer zugänglich ist als Showtunes. Ganz einfach, weil er die darauf eingeführte Weirdness nochmal ein paar Stufen weiter treibt und ordentlich aufquellen lässt. Was sicherlich gewöhnungsbedüftig ist, im Endeffekt aber trotzdem ziemlich geil. Vor allem eben dann, wenn man das letzte Album schon mochte. Zwar würde ich nicht so weit gehen zu sagen, dass Lambchop mit the Bible nochmal eine ähnliche Granate gelingt wie letztes Jahr, doch steht es in meinen Augen qualitativ dicht dahinter und ist trotzdem um Längen besser als das meiste andere Zeug, was ich von dieser Band aus der Zeit davor kenne. Weshalb die wirklich gute Nachricht hier am Ende ist, dass Showtunes eben kein Einzelfall war, sondern dieser Gruppe den Weg ebnete, künstlerisch daran anzuschließen und hier gleich noch eins ihrer bisher besten Alben zu veröffentlichen. Stand jetzt haben wir es also nicht nur mit einem starken Produkt zu tun, sondern in meinen Augen mit einer der stärksten Phasen in der Karriere der Formation überhaupt. Und spätestens das schaffen nur sehr wenige Bands so kurz vor ihrem vierzigjährigen Jubiläum.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
His Song is Sung | Whatever, Mortal | A Major Minor Drag | Police Dog Blues | Every Child Begins the World Again | So There | That's Music
 
Nicht mein Fall
-

Hat was von
Bon Iver
i,i

Destroyer
Have We Met


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