Montag, 24. Oktober 2022

Knoten gelöst

Slipknot - The End, So Far
SLIPKNOT
The End, So Far
Roadrunner
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ kreativ | beweglich | routiniert ]

Man kann den Slipknot von heute bei aller berechtigten Kritik an ihrem Schaffen ja echt nicht vorwerfen, dass sie sich keine Mühe geben würden. Wenn man mich persönlich fragt, ist eher das Gegenteil der Fall und meine relative Unzufriedenheit mit ihrem jüngeren Material von ihrer Seite aus wahrscheinlich einfach Pech. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass das Fundament der Band stand 2022 wahrscheinlich so stabil steht wie selten zuvor und es in den letzten Jahren viele strukturelle Entscheidungen gab, die objektiv richtig waren. Mit der zunehmenden Klassikerwerdung ihrer frühen Alben, einer inzwischen fast dreißigjährigen Karriere auf dem Buckel und immerhin schon drei Longplayern nach dem Comeback haben die Gruselclowns aus Iowa bewiesen, dass sie zwei Dekaden nach ihren ersten Durchbrüchen im Mainstream kein bloßes Relikt der Vergangenheit sind, sondern nach wie vor eine ebenso quotenstarke wie lebendige Band, die eben nicht nur als nostalgischer Nu Metal-Zirkusact für grantige Gen-X-Papas funktioniert. Und gerade ihre letzten beiden Platten, die stilistisch und songwriterisch viel neues wagten und damit zu den kreativsten ihrer gesamten Karriere zählen dürften, unterstrichen diesen Anspruch für mich zuletzt auch nochmal. Der einzige Haken an der Sache: Besser als halbwegs okay waren diese Platten leider nicht und reichten in keinem Moment, um mich mehr als theoetisch vom neuen Weg der Gruppe zu überzeugen. Und auch ihre neueste LP The End, So Far schien anfangs wieder sehr in diese Richtung zu tendieren. Wieder setzen Slipknot hier verhältnismäßig stark auf melodisches Songwriting und wenig auf die dicken Riffs und Ballerorgien der Vergangenheit, was definitiv eine Abweichung von ihren eigentlichen Kernkompetenzen ist. Wo das auf dem Vorgänger We Are Not Your Kind aber effektiv ein Problem war und des öfteren recht weirde Songs zum Ergebnis hatte, ist das ganze hier schon eine ganze Ecke besser kanalisiert und in ein Songwriting eingebettet, dem die neue Softness der Band nicht schaden kann. Was im Klartext vor allem heißt, dass hartkantige und groovige Nummern wie Hive Mind oder H377 noch immer Highlights dieser Gruppe sein können und ihre klassischen Kompetenzen würdig repräsentieren, es daneben aber Songs wie das hymnische Yen oder den fast schon an Mike Patton erinnernden Opener Adderall gibt, die im Verhältnis dazu nicht verblassen. Tatsächlich ergibt sich durch die kreative Schichtung von bewährter Rauhbeinigkeit und exkursiver Verschnörkelung sogar eine sehr angenehme Dynamik, die nicht zuletzt dafür sorgt, dass Slipknot so wenig pubertät und edgy klingen wie noch nie zuvor. Was mich dann wiederum ein bisschen an das letzte Album von Marylin Manson erinnert, das vor zwei Jahren schonmal einen Altstar des New Metal zeigte, der es schaffte, zumindest musikalisch in Würde zu altern (was es ob der jüngeren Enthüllungen um den Musiker umso tragischer macht). In meinem persönlichen Fall greift der Vergleich zudem auch deshalb, weil es bei beiden Alben ein relativ spätes Stück Musik war, das mich nach langer Zeit des Desinteresses für den jeweiligen Act doch noch für deren Schaffen begeistern konnte. Und auch wenn ich mir hier an manchen Stellen doch noch eine etwas tightere Produktion gewünscht hätte, die Platte mitunter ihre Längen hat und sie zum Schluss doch erheblich nachlässt, ist es doch die größte Errungenschaft von The End, So Far in meinen Augen, dass sie den neuen, kreativeren und reiferen Sound von Slipknot endlich in eine Fassung bringt, die auch in der Umsetzung so cool ist wie als grundsätzliche Idee. Und spätestens das ist eine Sache, die ich dieser Band nach jetzigem Stand über alles gönne. Denn wie gesagt: Mühe haben sie sich ja gegeben.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
Adderall | the Chapeltown Rag | Yen | Hive Mind | Medicine for the Dead | Acidic | H377
 
Nicht mein Fall
-

Hat was von
Tool
Fear Inoculum

Marylin Manson
We Are Chaos


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