Mittwoch, 19. Oktober 2022

Ciao Baby

Wanda - Wanda
WANDA
Wanda
Vertigo | Universal
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ hedonistisch | tragisch | romantisch ]

Als am 26. September dieses Jahres Christian Hummer nach langer Krankheit starb, war das neue Album von Wanda schon lange in trockenen Tüchern und würde nur wenige Tage, am 30. September, offiziell erscheinen. Dass es sich hierbei um eine Hommage oder gar einen Nachruf an den Keyboarder der Österreicher handeln würde, kann man also ziemlich eindeutig ausschließen. Dass sich viele der Songs darauf trotzdem so anfühlen, liegt aber irgendwie trotzdem in der Natur der Sache und ist Phänomen, das ich bei den Wienern nun schon seit einigen Jahren mit wachsender Neugier beobachte. Spätestens seit ihrem vorletzten Longplayer Niente von 2017, das die feierwütige Frühphase der Band hinter sich ließ, klingen Wanda permanent so, als würden sie gerade eine Art finales Hurra-Statement für ihre Karriere formulieren, wobei die Themen Vergänglichkeit und Tod so gut wie immer als zentrales Element vorkommen. Und dass es mit dem tragischen Ableben eines Mitglieds der Gruppe nun echt so kommen könnte, lässt die Signale dafür auf diesem Album nochmal in einem neuen Licht erscheinen. Sachen wie die Tatsache, dass es eben eine selbstbetitelte LP ist, auf dem Cover Versatzstücke alter Artworks im Wüstensand verschwinden und es Tracks wie Orte an denen wir waren und Eine Gang gibt, die sich nach pathetischem Abschied anfühlen. Dass es tatsächlich das letzte Projekt von Wanda werden wird, glaube ich an diesem Punkt aber nicht. Denn zu gut geölt ist hier nach wie vor die hedonistische Austropop-Maschinerie der Band, die hier mittlerweile zum fünften Mal hintereinander beneidenswert solide ihren üblichen Stiefel spielt, als dass sie ab jetzt einfach so die Flinte ins Korn werfen könnte. Nach den vorsichtig experimentierenden letzten beiden Platten Niente und Ciao! würde ich hier sogar behaupten, dass Wanda in vielen Songs zum klassischen Sound ihrer ersten beiden Longplayer zurückkehren. Wenn auch vielleicht in einer etwas melancholischeren und ausgebrannteren Variante, die ihrer jüngeren Entwicklung angemessen erscheint. Hits gibt es hier zum ersten Mal wenige und die starke Leadsingle, die selbst Ciao! noch hatte, muss hier halbherzig das höchstens okaye Jurassic Park erfüllen, auch wenn der eigentliche Highlight der Opener Rocking in Wien ist, mit dem die Band nochmal den Spirit ihrer ersten Platten channeln. Dass wir es deshalb mit einer schwächeren LP zu tun haben, heißt das allerdings keineswegs. Denn mehr denn je sind es diesmal die Deep Cuts, die in den Zwischenräumen leuchten und Wanda auch wieder mal als Könner der leisen Töne ausweisen. Songs wie Immer willst du tanzen oder Eine ganz normale Nacht in Wien, die wahlweise in Richtung Abstraktion oder Storytelling gehen und sich dabei erstaunlich gut schlagen. Was aber übergreifend nach wie vor ungebrochen ist und dieses Album ganz wesentlich prägt, ist der typische Spirit einer Wanda-LP, die ich persönlich wichtiger als alles andere finde. Jene tiefromatische Stimmung zwischen krachiger Ekstase und versteckter Schwermut, die bei dieser Band zu jedem Zeitpunkt gleichzeitig existiert und hier auch wieder sehr dick aufträgt. Sie ist die unmissverständliche Hauptkompetenz dieser Gruppe, von der ich froh bin, dass sie seit dem Debüt nicht nur standgehalten hat, sondern in vielen Belangen sogar gewachsen ist. Und sollte das hier tatsächlich das Requiem der Wiener sein, dann wäre es (wie schon die letzten paar) ein gutes, das den Abschied von dieser Band würdevoll formuliert. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge und einer letzten Tschick mit Rotwein. Christian Hummer hätte es bestimmt so gewollt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
Rocking in Wien | Rot ist die Farbe | Immer willst du tanzen | Eine ganz normale Nacht in Wien | Die Sterne von Alterlaa | Eine Gang
 
Nicht mein Fall
Jurassic Park

Hat was von
Spider Murphy Gang
Dolce Vita

Bilderbuch
Gelb ist das Feld


1000kilosonar bei last.fm  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen