Samstag, 15. Oktober 2022

Gemeinsame Fortschritte

파란노을 [Parannoul] & Asian Glow - Paraglow
파란노을
ASIAN GLOW
Paraglow
Die-Ai-Wei
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ traumwandlerisch | euphorisch | professionell ]
 
Ungefähr anderthalb Jahre ist es zu diesem Zeitpunk inzwischen schon her, dass die Welt des DIY-Untergrunds wegen einer jungen Gruppe namens Parannoul (im OT: 파란노을) völlig Kopf stand und sich in Lobeshymnen überschlug. Fast eine komplette Saison lang stand To See the Next Part of the Dream, das Debüt der Koreaner, auf Platz eins der Downloadcharts bei Bandcamp, was in Musiknerd-Dimensionen einer größeren Sensation gleichkommt und für das seltsame Phänomen sorgte, dass die coolste neue Sache in der Szene zum ersten Mal seit Ewigkeiten eine Rockband war. Auch ich war dabei natürlich nicht verschont davon, das Phänomen Parannoul irgendwann auf mich wirken zu lassen und auch ich war vom mittelfristigen Ergebnis auf besagter Platte sehr angetan. Bei aller Euphorie um die junge Gruppe mahnte ich in meinem Artikel aber zur Vorsicht, die Erwartungen an die Formation in Zukunft nicht zu hoch zu stecken, da es auf To See the Next Part of the Dream gerade eine Art von Unverbrauchtheit und Grünohrigkeit war, die Parannoul als DIY-Ding so faszinierend machte und die durch eine zunehmende Professionalisierung der Band (was nach diesem Achtungserfolg ja zu erwarten war) mit weiteren Alben wohl eher verschwinden würde. Gut zwei Jahre später ist diese Zukunft nun eingetreten und eine erste Bilanz zur Entwicklung meiner Prognose fällig. Wobei ich in allererster Linie sagen muss, dass Parannoul nach ihrem Debüt bis dato nicht den Weg gegangen sind, den man ihnen vielleicht prophezeiht hatte, sondern in vielen Belangen einen zwar eher unerwarteten, aber auch cooleren. Denn wenn die Koreaner ihre Prominenz im Untergrund zuletzt für eine Sache genutzt haben, dann vor allem dafür, auch andere Acts aus ihrer unmittelbaren Umgebung ins Rampenlicht zu bugsieren. Als erstes Release nach To See the Next Part of the Dream erschien noch letzte Saison eine dreigeteilte Split-LP mit Somhos Tomam Conta und Asian Glow, die zumindest in letzterem Fall auch dafür sorgte, dass eine weitere Band zu einem etwas bekannteren Namen im Business wurde. Stand 2022 hat die ebenfalls aus Seoul stammende Formation ein weiteres Album veröffentlicht, das mit wesentlich mehr Aufmerksamkeit im Internet verfolgt wurde, sowie eine EP mit der schwedischen Gruppe Weatherday, die gleichermaßen zum inneren Kreis aktuell heißer Bandcamp-Acts gehört. Dass sie und Parannoul hier also auf einer weiteren LP zusammenkommen, ist daher nur konsequent. Und wo das Split vom letzten Herbst in vielen Belangen noch eher die Aufmachung eines Sammelsoriums von Ideen einzelner Gruppen hatte, ist Paraglow ganz im Sinne des Titels eine wahrhaftige Verschmelzung der Identitäten beider Bands. Mit dem ebenso schönen wie logischen Resultat, dass eine wie die andere hier einen weiten Schritt nach vorne macht, was nachhaltige kreative Entwicklung angeht. Auf dem ersten Album, das sich auf struktureller Ebene tatsächlich wie ein Nachfolger von To See the Next Part of the Dream anfühlt, geht das Kollektiv nämlich nun wirklich bewusst den Weg der größeren Professionalität, den ich so sehr gefürchtet hatte und der sich hier vor allem in Form einer wesentlich klareren Postproduktion äußert. Wenig klingt hier noch nach den Proberaumaufnahmen vom letzten Mal und in vielen Momenten leistet sich die LP sogar aufwendige instrumentale Finishes mit Keyboards, Saxofonen und sogar Akkordeon. Wo meine Befürchtung dabei aber immer war, dass durch diese Politur der technischen Seite der Aufnahmen die großartige Dringlichkeit und Lärmigkeit des letzten Albums flöten gehen würde, kann ich hier beruhigt vermelden, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Die zuckerigen Shoegaze- und Emorock-Melodien ballern hier stattdessen fast nochmal doppelt so hart rein wie auf dem Vorgänger und bekommen durch den bereinigten Sound sogar noch besser die Möglichkeit, ihre Harmonien und Dynamiken zu entfalten. So kracht der Opener schon nach wenigen Sekunden mit einer unfassbaren Hook mit der Tür ins Haus und ist in vielen Momenten fast schon catchy, was die beiden folgenden Tracks ihm auch unmittelbar nachtun. Und obwohl das anschließende 15-Minuten-Monster 운전대 allein durch seine Dimensionen diesen direkten Hit-Bombast nicht mehr wirklich reproduzieren kann, ist es doch ebenfalls voll von entzückenden Momenten des euphorisch-lärmigen Songwritings, das beide Gruppen hier nochmal extra abrunden. Besonders mag ich an vielen Stellen auch die deutlichen Abdriftungen in Richtung Hardcore, die besonders in den Vocals stattfinden und zeigen, dass harte und softe Rockmusik sich bei diesen beiden Bands nie gegenseitig ausschließen. Obwohl die Entwicklungen also per se eher klein sind und sich größtenteils im technischen Bereich abspielen, sind sie in vielen Momenten doch entscheidend und schaffen es erfolgreich, den Aha-Effekt vom letzten Mal zu reproduzieren. Ist Paraglow deswegen besser als To See the Next Part of the Dream? Nicht unbedingt. Denn auch wenn die Langzeitwirkung der letzten Platte bei mir definitiv nicht mehr dieselbe ist wie im Frühjahr 2021 und ich sie inzwischen ein bisschen weniger mag, ist die neue LP doch eher eine, die das Level hält als sich effektiv zu verbessern. Zumindest dann, wenn wir nur von von Parannoul sprechen. Für Asian Glow kann ich definitiv sagen, dass ich von ihnen bisher keine ansatzweise so gute Musik gehört habe und sie hier auf ihrem bisherigen kreativen Höhepunkt agieren. Was mich zu guter letzt mit der Hoffnung abschließen lässt, dass diese beiden Gruppen auch weiterhin zusammen musizieren und Projekte wie dieses in Zukunft regelmäßiger stattfinden könnten. Auch wenn es erstmal vielleicht doch Zeit für ein Album ist, dass Parannoul alleine bestreiten.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


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