Donnerstag, 6. Oktober 2022

Die Mische kommt gefährlich

No Age - People Helping People
NO AGE
People Helping People
Drag City
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ experimentell | frickelig | fetzig ]

Wann immer ich in den letzten Jahren über die Musik von No Age nachgedacht habe - was zugegebenermaßen nicht besonders häufig war - sah ich die Band vor meinem inneren Auge als eine, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hatte. Mit ihrem Debüt Nouns ist ihr bis heute einziges einigermaßen bekanntes Album bereits schockierende 14 Jahre her, von den zwei anderen halbwegs relevanten erschien das letzte 2013 und dass es nach selbigen ein halbes Jahrzehnt lang keine neue Musik von No Age gab, ließ über die zweite Hälfte der Zwotausendzehner quasi den ganzen Rest ihrer verbliebenen Credibility als Indiedarlings dahinschwinden. Was schade ist, denn wenn ich es recht bedenke - was ich wie gesagt selten tue - ist die Zeit nach ihrem Comeback 2018 eigentlich die weitaus interessantere gewesen, in der sie sich ästhetisch wirklich entgrenzten. So war Snares Like A Haircut vor inzwischen auch schon wieder vier Jahren ein echter Wachrüttler von einem Album, der mich tatsächlich erstmals so richtig für die Band begeisterte und ihre letzte LP Goons Be Gone von 2020, obwohl definitiv nicht ihre beste Platte, doch zumindest eine sehr bezeichnende, die vor allem klanglich viel neues wagte. Eine Spielerei, die ich zwei Jahre später auch anhand von People Helping People erstmal nachträglich zu würdigen weiß, denn ohne die vorsichtigen Schritte des Vorgängers im Territorium der experimentellen Klangcollagen und des LoFi-Noise könnten No Age hier wohl kaum den Anlauf für den garagigen Supersprint nehmen, den sie hier auf 33 Minuten hinlegen und mit dem das Konzept von Goons Be Gone vielleicht erst so richtig aufgeht. Halb aufgeschabte Indierock-Pumpe in bewährter Sonic Youth-Manier und halb avantgardistisch-krautige Klangcollage ist People Helping People ein Album, das klanglich wie kompositorisch ein echtes Abenteuer für die Kalifornier und alle ihre Fans ist und das kompositorische Grenzgänge mit einer ansteckenden Rockigkeit und Fetzigkeit vereint. Einendes Element beider Extreme ist dabei immer die Liebe fürs Detail, die No Age in die ranzige Postproduktion des ganzen Stecken und die gerade in ihrer Flachheit und Gedrungenheit sehr viele spannende Nuancen erkundet und vor allem herrlich verspielt ist. So sind die elektronischen Passagen in Tracks wie Heavenly oder Blueberry Barefoot oftmals sehr klar und geräumig gemischt, kriegen jedoch meist direkt im nächsten Moment die fette Klatsche von Tracks wie Violence oder Plastic, die mit völlig Noise- und Artefaktverkrusteten Gitarren ihren Weg kreuzen und einfach nur brettern wollen. Und obwohl das dann an wenigen Punkten so ballerig und laut wird wie auf Snares Like A Haircut oder noch älteren Platten, weiß man in diesen Momenten schon, woran man ist. Wobei das tollste daran ist, dass die ganze Nummer diesmal auch wieder so kohärent und Highlight-intensiv funktioniert. Ehe man sichs versieht stellt man also fest, dass No Age hier plötzlich doch wieder einen echten Kracher fabriziert haben und dieser vielleicht sogar einer der besten ihrer gesamten Karriere ist. Was bei mir dann auch definitiv zu der Erkenntnis gereichen sollte, dass diese Band seit dem Comeback auf keinen Fall schwächer geworden ist, sondern vielleicht sogar besser. Von interessanter mal ganz abgesehen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Compact Flashes | Plastic (You Want It) | Violence | Rush to the Pond | Slow Motion Shadow | Tripped Out Before Scott | Heavenly | Andy Helping Andy

Nicht mein Fall
-

Hat was von
Föllakzoid
I

Sonic Youth
Sonic Nurse


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