Dienstag, 4. Oktober 2022

This Apparatus Has Been Unearthed

The Mars Volta - The Mars Volta
THE MARS VOLTA
the Mars Volta
Clouds Hill
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ entschleunigt | simpel | melodisch ]

Für diejenigen, die wie ich dabei waren, als the Mars Volta sich vor ziemlich genau zehn Jahren ausflösten und die wissen, was für ein unfassbares Drama das ganze damals war, ist es vielleicht auch ein bisschen überraschend, wie nüchtern und unkommentiert dieser Tage ihr großes Comeback stattgefunden hat. Dafür, dass hier einst die sicherlich innovativste und spannendste Progrock-Band des neuen Jahrtausends schied, noch dazu mit einem der besten Alben ihrer gesamten Karriere, ist das Echo ihrer Rückkehr doch erstaunlich still. Wobei ich ein bisschen auch verstehen kann, warum. Schon die Wiederaufnahme der anderen großen Rodriguez-Lopez/Bixler-Zavala-Formation At the Drive-In war 2017 überraschend verhalten (obwohl die Platte dazu echt super war) und dass zwischendurch mal Sachen wie Antemasque und Bosnian Rainbows existierten, haben inzwischen auch schon wieder alle vergessen. Vielleicht sind the Mars Volta ja einfach ein Relikt der Zwotausender und somit etwas, mit dem sich einfach niemand mehr beschäftigen will. Andererseits waren die Projekte der beiden Hauptakteure, sei es alleine oder gemeinsam, in den letzten zehn Jahren zu keinem Zeitpunkt uninteressant und dass die Chemie zwischen diesen beiden Typen eine besondere war, ist 2022 prinzipiell genauso zutreffend wie zwanzig Jahre davor. Für mich persönlich war das hier potenziell also eines der wichtigsten Comebacks der Saison, auf die ein gewisser Teil von mir am Ende doch sehnlich gehofft hat. Auch wenn das letztliche Ergebnis definitiv nicht das geworden ist, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Und das meine ich definitiv im negativen Sinne. Es ist ja nicht mal das Hauptproblem dieser neuen LP, dass man den Mars Volta von 2022 mit Fug und Recht vorwerfen kann, nicht mehr wirklich sie selbst zu sein, denn dass sie klanglich abschweifen würden, war gewissermaßen absehbar. Streng genommen war schon Noctourniquet kurz vor der Trennung ein wesentlich weniger nerdiges und abgespacetes Album und spätestens bei Antemasque versuchten Rodriguez und Zavala aktiv, ihre persönliche Version von straighter Rockmusik zu spielen. Dass man ihnen hier also nur noch bedingt das Etikett des Prog anheften kann, ist eine langfristige Entwicklung, die bis hierhin auch nie problematisch war. Wo die besagten letzten Platten dabei aber immer kompositorisch spannend waren und den musikalischen Charakter der beiden Musiker atmeten, fühlt sich vieles hier an wie eine lauwarme, schnarchnasige und blutleere Spinoff-Kopie dieser songwriterischen Identität von Mars Volta, die jegliches Charisma verloren hat. Zwar erkennt man das Grundgerüst des Songwritings noch immer an den ulkig verklausulierten Texten von Zavala und an den auffällig eingesprenkelten Latin-Einflüssen in Songs wie Blacklight Shine und Que Dios Te Maldiga Mi Corazón (die in meinen Augen die einzigen wirklichen Highlights der LP sind), kreativ gesehen sind die aber nur noch ein Schatten des künstlerischen Wahnsinns, den das Duo einst aufzubauen wusste. Über weite Strecken dominiert hier eine seltsam fluffig-balladige Ästhetik, die mitunter fast schon an eine sehr ermüdende Version von Easy Listening erinnert und sehr schnell monoton wird. Wobei the Mars Volta das erhoffte Prädikat der Poppigkeit ebenfalls nicht erreichen, da die Songs einfach null eingängig sind und sich stattdessen eher in verqueren Un-Melodien verschachteln, aus denen sie am Ende selbst nicht wieder rauskommen. Wie viel würde ich hier für eine der schneidenden Zavala-Hooks von Noctourniquet oder die gefährlichen Prog-Hakenschläge von De-Loused in the Comatorium geben, doch bekomme ich stattdessen bestenfalls einen bemühten Rocksong wie No Case Gain, der eher nach einer besseren Schülerband klingt als nach den zwei größten Prog-Zauberern der Zwotausender. Um es also kurz zu sagen ist die Enttäuschung groß bei diesem Album, das statt einer triumphalen Rückkehr wie bei At the Drive-In eher ein Argument dafür ist, dass die Luft im Konstrukt Rodriguez/Zavala nun schlussendlich doch raus ist und niemand mehr diese Band braucht. Denn letztlich ist nicht nur jedes ihrer früheren Projekte (selbst das wie ich finde extrem überschätzte Frances the Mute) besser als das hier, sondern auch die ganzen kleinen Nebenjobs, die es zwischen Trennung und Reunion von ihnen gegeben hat. Wenn es nach mir ginge, sollten man an diesem Punkt also viel lieber Sachen wie Antemasque oder die Bosnian Rainbows zurückholen. Immerhin sind deren letzte Platten ja inzwischen auch schon fast wieder zehn Jahre her.

🔴🔴02/11


Persönliche Höhepunkte
Blacklight Shine | Que Dios Te Maldiga Mi Corazón

Nicht mein Fall
Shore Story | Black Condolences | Vigil | Palm Full of Crux | Equus 3 | Callapsible Shoulders | the Requisition

Hat was von
the Pineapple Thief
All the Wars

Coheed & Cambria
the Color Before the Sun


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