Donnerstag, 20. Mai 2021

Bester Durchschnitt

J. COLE
The Off-Season
Dreamville | Roc Nation
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ großkotzig | pragmatisch | stabil ]

Wenn Leute im Internet darüber reden, wer im internationalen Hiphop der vergangenen zehn Jahre die wichtigsten künstlerischen Impulsgeber waren, dann ist der Name J. Cole mittlerweile einer, der des öfteren Mal herumgereicht wird. Wobei ich grundsätzlich mit der Aussage vieler Leute übereinstimme, dass der MC aus North Carolina ein äußerst talentierter und charismatischer Musiker ist. Lyrisch ist er definitiv schon seit seinen Anfängen ein Hingucker und versteht es auf jeden Fall, Texte wirkungsvoll in Szene zu setzen. Darüber hinaus hat er in meinen Augen wie wenige in seiner Zunft einen Blick für kohärente LP-Soundgestaltung und songübergreifende Konzepte. Stand 2021 habe ich von ihm noch kein Album gehört, das nicht zumindest eine coole Grundidee und ein paar echte Banger auf dem Kasten hatte und auf jeden Fall ist Cole jemand, in den ich mit jeder LP neue Hoffnungen setze. Schaut man sich seinen bisherigen Katalog an, fällt es mir allerdings auch schwer, ihn musikalisch auf dem gleichen Level zu sehen wie einen Kendrick Lamar, einen Kanye West, einen Travis Scott oder einen Drake. Ganz einfach aus dem Grund, weil er nicht so gut darin ist, Ideen vorauszudenken und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Coles Output der Zwotausendzehner war in den meisten Fällen sehr okay und stellenweise sogar echt super, aber auch immer ein bisschen gewöhnlich. Sieht man mal von Gimmicks wie der Keine-Features-Regel oder einigen Meme-Zeilen zwischendurch ab, gibt es von ihm nicht eine Platte, die mir aus seiner Karriere nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Ganz einfach, weil es am Ende eben doch nur ziemlich gute Rap-Platten waren. Wobei ein Teil von mir auch immer noch hofft, dass dieses eine Meisterwerk, das er definitiv in sich hat, irgendwann noch kommt. The Off-Season ist es allerdings mal wieder nicht, sondern eher eine weitere sehr akzeptable, gut gemachte und grundsolide Basics-LP, für die man ihm kein bisschen böse sein kann. Für mich persönlich ist das hier sogar seine beste Platte seit circa 2014 Forest Hills Drive (wenn man seine Dreamville-Compilation von 2019 mal weglässt), ich mag sie also wirklich gerne. Und das zu hundert Prozent im Sinne eines Albums, das J. Cole als guten Rapper bestätigt. Es gibt hier viele Parts, in denen er sein massives technisches und lyrisches Talent vorführt (die eröffnende Strophe von 9 5 . s o u t h ist ein verdammtes Biest), die Beats hier sind durchweg gut und auch die Tatsache, dass es hier zum ersten Mal echte Features gibt (unter anderem von 21 Savage, Bas, 6lack und Lil Baby) zahlt sich zum größten Teil aus. Gleichzeitig ist so gut wie alles hier auch das absolute Gegenteil von visionärem oder auch nur ansatzweise herausforderndem Hiphop. Wo Kanye West zuletzt wirkmächtig seine dunkle Seite erforschte, Kendrick Lamar bald eventuell Rockmusik macht und Drake wenigstens noch richtig schön tanzen kann, spielt J. Cole durchweg auf Nummer sicher. Seine durchaus motivierten Trap-Ansätze klingen wie Future-Platten von 2015, seine Soul-Crossover-Momente nach einer zaghaften Version von Mac Miller und in einigen Momenten erinnert er hier sogar an die Ästhetik, die Drake vor elf Jahren auf seinem Debüt hatte. Das alles ist nicht unbedingt schlecht, es gibt mir nur immer wieder den Eindruck, solche Musik schon mal gehört zu haben. Was insofern eine Kritik ist, dass ich mir sicher bin, dass ein so talentierter MC wie J. Cole das nicht nötig hat. Dass ich the Off-Season als eine seiner besten Platten empfinde, sagt weniger darüber aus, wie gut sie als Endergebnis ist, sondern viel mehr darüber, wie durchschnittlich ich den größten Rest seines Outputs finde. Und das ist irgendwie ein Kontext, in dem zumindest ich für diesen Typen keine GOAT- oder Impulsgeber-Begriffe in den Mund nehmen will. Für sowas muss jetzt langsam einfach mehr her.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
9 5 . s o u t h | a m a r i | 1 0 0 . m i l ' | p r i d e . i s . t h e . d e v i l | l e t . g o . m y . h a n d | i n t e r l u d e | c l o s e

Nicht mein Fall
m y . l i f e


Hat was von
Logic
GO:OD A.M.

Drake
Thank Me Later


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