Samstag, 15. Mai 2021

The Piper at the Gates of Schmalz

Jordsjø - Pastoralia JORDSJØ
Pastoralia
Karisma Records
2021 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ flockig | retro | kitschig | fantasievoll ]
 
Gleich zu Anfang dieses Artikels möchte ich bezüglich des hier besprochenen Albums eine Warnung aussprechen. Eine Warnung, dass man für diese Musik eine gewisse Toleranz für pittoresken Schmand und harmonischen Kitsch mitbringen sollte, der auch vor schnulzigen Fantasie-Bezügen und der klanglichen Ästhetik eines Mittelaltermarkts nicht zurückschreckt. Wer für sowas zu cool oder zu nüchtern ist, sollte das Universum von Jordsjø lieber weitläufig umgehen. Da ich aber als Liebhaber von schnulzigem Retroprog - gerade von der etwas esoterischen Sorte - landein und landaus bekannt bin, ist es mir an dieser Stelle eine Verpflichtung, über diese neue LP des Trios aus Oslo zu schreiben. Wobei sich Pastoralia stilistisch so einfach gar nicht beschreiben lässt. Zwar gibt es hier durchaus eine sehr stringente Ästhetik, die eben jene starken Assoziationen an Märchenfilme aus den Siebzigern, verwunschene Wälder, tanzende Druiden und ulkige Gnomwesen aufkommen lässt, doch als Musikschubladen formuliert ist das hier doch recht komplex. Jordsjø bauen die Basis ihrer Songs im oldschooligen Progrock der frühen Siebziger, vor allem bei Bands wie Deep Purple, Gentle Giant und Jethro Tull. Was ihnen dabei allerdings abgeht ist eine wirklich klare Rock-Komponente und tatsächlich sind auf Pastoralia nur sehr wenige dominierende elektrische Gitarren zu hören. An der Spitze der Kompositionen stehen stattdessen viel eher Orgeln, Vintage-Synthesizer, akustische Klampfen, hier und da ein akzentuierter Gniedelbass und viele arg romantische Querflöten und Holzblasinstumente. Große Teile des Sounds der Norweger kann man also je nach Songstruktur auch im Folk, Jazz oder gar im ewig verpönten Terrain des Mittelalterrock verorten. Und damit ist diese LP und im weiteren die Band an sich definitiv Geschmackssache. Wer sich für solche Dinge aber begeistern kann, bekommt hier eine sehr fantasievoll gemachte und detaillierte Ausführung dieser speziellen Ästhetik, die kompositorisch echt stark ist. Die Art, wie hier die Parts der einzelnen Instrumente ineinander fließen, in welche Richtungen die Tracks gehen und nicht zuletzt die technisch brilliante Performance des Trios ist ein echter Hingucker, der durchweg für Spaß und Abwechslung sorgt. In acht langen und sich windenden Songs bauen die Norweger hier ein kleines Labyrinth aus kreativen Hakenschlägen und Bezügen, die immer wieder überraschend sein können, aber den Gesamtklang des Albums stets füllen. Auch das Mixing, in dem man so gut wie jedes Instrument wunderbar heraushören kann, unterstützt diese Wirkung extrem. An manchen Stellen hätte ich mir zwar doch gewünscht, dass es mal einen rockigeren Part hat und das Mastering mehr Bums bekäme, effektiv schlecht ist die Produktion aber nie, höchstens mal ein bisschen langweilig. Generell muss ich sagen, dass Pastoralia ein gutes Stück Musik ist, um die Idee eines Retroprog-Sounds mal ausführlich durchzuziehen, von der Ausführung her würde ich dennoch jederzeit eine Band wie Opeth oder Wolf People vorziehen, die solche Songs zwar nur in Ansätzen macht, aber dafür cooler aufbereitet. Dass es das hier gibt, finde ich am Ende des Tages trotzdem super. Allein schon deshalb, weil es von diesen besagten Bands schon ewig kein (gutes) neues Material mehr gab.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡⚫⚫ 08/11

Persönliche Höhepunkte
Prolog | Skumring I Karesuando | Mellom Mjødurt, Marisko Og Søstermarihånd | Breitemark | Jord III

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Ougenweide
Liederbuch

Opeth
Sorceress


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