Sonntag, 30. Mai 2021

Bennyssaince

Benny the Butcher & 38 Spesh - Trust the SopranosBENNY THE BUTCHER & 38 SPESH
Trust the Sopranos
Trust Music | Air Vinyl
2021
 
 



 
 
 
[ progressiv | eingängig | charismatisch ]

Dass mir die Jungs von Griselda wichtig sind, merke ich selbst schon allein deshalb immer wieder, weil ich hier ständig über sie schreibe, obwohl es mich eigentlich schon ein bisschen nervt. Irgendwann in diesem Frühjahr hatte ich mir vorgenommen, ihre Alben nur noch zu besprechen, wenn diese mich wirklich interessieren und ich darin einen ersthaften Mehrwert oder eine künstlerische Veränderung sehe. Seitdem habe ich allerdings in jedem Monat Artikel über sie verfasst, bin mit diesem hier sind das nun schon schon genauso viele wie 2020 in der gesamten Saison. Zugegeben, keiner dieser Posts war besonders positiv gestimmt und es ging mir darin vor allem darum, die klangliche Umbruchsphase des Kollektivs zu dokumentieren, doch war diese bis dato zumindest nicht uninteressant. Auch wenn man sagen kann, dass die Wegbewegung der New Yorker vom gemeinsamen Label-Sound und die Ausarbeitung klarerer individueller Ästhetiken 2021 doch eher noch durchwachsen war. Und gerade Benny the Butcher war dabei in meinen Augen ein besonderer Sorgenfall. Mit seinen beiden jüngst veröffentlichten Alben Burden of Proof und the Plugs I Met 2 gewöhnte er sich eine ziemlich glamouröse Klangbegleitung an, die meiner Meinung nach nicht wirklich zu ihm passte. Eigentlich wäre meine Hoffnung an dieser Stelle gewesen, dass er es mal mit einem festen Producer versucht, der ihn über die Spanne eines ganzen Albums unterstützt, doch auch das ging auf letzterer LP schon ziemlich schief. Als er vor einigen Monaten sein neues Projekt mit Beatmaster 38 Spesh ankündigte, rechnete ich also mit wenig Veränderung und einer weiteren eher lahmen Platte von Benny, über die ich mal nicht schreiben müsste. Stattdessen habe ich mit Trust the Sopranos sein sicherlich bestes Album seit mindestens 2018 bekommen, über das ich definitiv schreiben muss. Wobei es nicht nur die Zusammenarbeit mit Spesh ist, die das hier besser macht, sondern auch eine überraschend offene Herangehensweise vom Butcher selbst, die beide die Sache mit dem Pop-Appeal ernsthaft anpacken wollen. Die Beats sind dabei auf jeden Fall das ausschlaggebende Element, das für eine komplett andere Stimmung sorgt. Statt einfach nur mit etwas aufpolierteren Jazz- und Soul-Samples zu arbeiten, bringt Trust the Sopranos einen fast schon elektronischen Sound ins Spiel, der mich sehr an die späten Neunziger-Platten von Puff Daddy erinnert (Minus der fetten Hooks) und dabei viel seriöser und düsterer ist als die letzten beiden LPs es waren. Und obwohl sich die Parts von Benny und seinen vielen Gästen (es gibt hier keinen einzigen Track ohne Feature) nicht gleich ins Terrain des Melodischen trauen, hört man in Tracks wie Corner oder Love Left eine zaghafte Hinwendung zu gesungenen Passagen, die der Platte extrem gut stehen. Diese beiden Faktoren machen Trust the Sopranos zu einer Art Pop-freundlichem Projekt, das nicht nach billiger Politur müffelt, sondern irgendwie Identität und Attitüde hat. Dass sie gleichzeitig auch die beste Rap-Platte von Benny seit langem ist, macht sie für mich doppelt gelungen. Thementechnisch ändert sich dabei nicht viel zu seinen letzten Sachen, mit dem Unterschied, dass gerade die Storytelling-Parts, die auf den Vorgängern immer nicht so gut klappten, hier richtig genial sind. So sind Long Story Short oder Blue Money beeindruckend emotionale Gangsterromantik-Stücke, Immunity der perfekte Moodsetter für ein so erwachsenes Albumerlebnis und Love Left ein absolutes Hiphop-Gesamtkunstwerk mit klassischem Neunziger-Vibe, einer genial souligen Hook und vor allem einem grandiosen Part von Kollegin Che Noir. Was aber jeder der zehn Tracks hier schafft ist, sowohl ein bisschen experimentell als auch ziemlich eingängig zu sein und vor allem einen souveränen Charakter aufzubauen. Wo ich Griselda-Platten vorher oft eher als Vibe-Erlebnisse mit guter Gesamtästhetik wahrnahm, überzeugt mich das hier zusätzlich dadurch, dass alle Songs ein cooles Eigenleben haben und ich von einzelnen Detail beeindruckt bin. Und das ist tatsächlich eine Sache, die in diesem Kollektiv bisher nur einer geschafft hat. Benny the Butcher zieht sich mit diesem Album also nicht nur am eigenen Zopf aus dem Sumpf (mit tatkräftiger Hilfe von 38 Spesh natürlich!), er zeigt auch, wie eine effektive Griselda-Ästhetik für 2021 aussehen kann. Eine die vom Ursprung des Hypes abweicht, aber trotzdem nicht nur existiert, im krampfhaft anders zu sein. Und ich hoffe inständig, dass Benny sich der Kraft dieser Ideen bewusst ist und ihre Fährte weiterverfolgt. Denn wenn er das tut, hat er in meinen Augen eine ziemlich ernstzunehmende künstlerische Zukunft, auch die auch ich Bock habe.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡⚫⚫ 09/11

Persönliche Höhepunkte
Immunity | Price of Fame | Tokyo Drift | Long Story Short | Love Left | Blue Money | Silent Death

Nicht mein Fall
-


Hat was von
A$ap Rocky
Testing

Puff Daddy & the Family
No Way Out


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