Dienstag, 25. Mai 2021

Das wichtigste ist, dass das Feuer nicht aufhört zu brennen

Jan Delay - Earth, Wind & FeiernJAN DELAY
Earth, Wind & Feiern
Vertigo Berlin
2021











[ soulig | routiniert | chillig ]

Es fühlt sich ein bisschen dämlich an, 2021 so ausführlich über ein Album von Jan Delay zu schreiben, irgendwie sehe ich es aber auch als meine Pflicht. Erstens deshalb, weil der Hamburger in meiner musikalischen Biografie einer der ersten Musiker war, die ich wirklich besonders fand, zweitens weil es eben doch immer noch ein Ereignis ist, wenn der Eißmeister dieser Tage eine Soloplatte macht. Schon allein die Tatsache, dass seine letzte richtige LP Hammer & Michel sieben Jahre her ist und es dazwischen ein ziemlich erfolgreiches Beginner-Comeback gab, gibt einem Projekt wie Earth, Wind & Feiern (sehr delayesker Titel auch wieder) eine gewisse Prestige und nach über 20 Jahren im Sonnenglanz des Deutschpop ist dieser Typ mittlerweile auch einfach ein kommerzielles Schwergewicht. Angesichts dessen ist es aber auch nicht verwunderlich, dass Delay es inzwischen nicht mehr für nötig befindet, mit seinen Alben irgendwelche musikalischen Statements zu setzen. Nachdem die beiden Vorgänger Hammer & Michel und Wir Kinder vom Bahnhof Soul (letztere ist an diesem Punkt auch schon zwölf Jahre her) noch den Versuch unternahmen, Eißfeldt als genre-hoppenden Konzeptmusiker zu verkaufen, der mit jeder LP eine neue Stilistik erforschte, dachte ich, dass das hier im besten Fall weitergehen würde. Cover und Titel suggerierten ja auch vorsichtig eine Hinwendung zu traditionellem Funk oder Afrika-Bambaataa-Hiphop, was in der Ausführung aber definitiv nicht der Fall ist. Stattdessen ist Earth, Wind & Feiern irgendwie eine Mischung aus Back to the Roots-Zwotausender-Delay, trappiger Pop-Anbiederung und einer halbkonsequenten Variante von Afrobeat geworden. Was an sich ja noch nichts schlechtes sein muss. In über 20 Jahren Jan Philip Eißfeldt habe ich gelernt, dass dieser Typ mannigfaltige Inspirationsquellen hat und mit diesen auch oft gut umgehen kann. Als Beweis dafür schafft er es auch auf diesem Album, eine ziemlich tighte Backing-Instrumentation zu versammeln und in Sachen Sound und Komposition etwas zusammenzubauen, das überzeugend ist. Zwar finde ich auch, dass seine frühen Platten das besser machten und gerade seine Cloud- und Autotune-Motive fühlen sich selten geschmackvoll an, doch gerade in Bezug auf die Übersetzung klassischer Ideen von Funk, Reggae, Disco und den neuen Afrobeat-Einflüssen ist er hier voll in seinem Element. Mit Saxofon gelingt ihm sogar mal wieder eine ziemlich anständige Ska-Nummer. Was auf Earth, Wind & Feiern viel eher zum Problem wird ist die Performance des Hauptakteurs selbst, die einfach nur noch ziemlich peinlich ist. Man muss dazu sagen, dass Jan Delay noch nie ein Musiker war, dessen Output komplett cringefrei zu genießen war und gerade auf den letzten beiden Platten erreichten die schwierigen Momente teils gefährliche Level. Wo es da aber immer noch coole Momente wie Large, St. Pauli oder Hoffnung gab, fehlen mir die auf dieser LP zu großen Teilen. Einen wirklichen Hit kann Earth, Wind & Feiern bei aller Mühe nicht vorweisen und selbst Songs mit Potenzial wie Nich' nach Hause, Tür'n knall'n oder Saxofon bleiben entweder zu zahm oder leisten sich zu viele Fettnäpfchen, um wirklich zufriedenstellen zu sein. Ein Teil des Problems liegt dabei bei Jan Delay als Texter, was an sich nichts neues sein dürfte, erstmals bin ich hier aber auch an vielen Stellen genervt von seinem Gesang, der an vielen Stellen einfach etwas zu schmierig und nölig geworden ist. Und gerade in Tracks wie Wassermann, Alexa oder Zurück fehlt mir auch einfach die Action. Ich würde Earth, Wind & Feiern deshalb nicht gleich als kompletten Totalschaden beschreiben, denn viele der Zwischenstufen sind auch nicht schlimmer als die letzten paar Male. Was der Platte aber effektiv fehlt, sind die offensichtlichen Highlights, die die Platte an den entscheidenden Stellen aus dem Sumpf ziehen und wenigstens für ein paar starke Songs sorgen. Mehr als effektiv mies fühlt sich alles hier vor allem unmotiviert und dröge an, was bei so einem Titel definitiv das Gegenteil des versprochenen Erlebnisses ist. Und ja, im direkten Vergleich zu Eißfeldts bisheriger Diskografie ist das hier schon das schwächste Album. Dass man deswegen aufhören sollte, über ihn zu reden, finde ich trotzdem nicht. Dafür scheitert er mir hier doch zu ehrlich.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11

Persönliche Höhepunkte
Intro | Tür'n knall'n | Saxofon | Nich' nach Hause

Nicht mein Fall
Kinginmeimding | Alexa | Zurück | Gestern | Wassermann


Hat was von
Daft Punk
Random Access Memoires

Flo Mega
Die wirklich wahren Dinge


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen