Dienstag, 29. November 2016

Nicht mal tanzen

THE WEEKND
Starboy


Republic / 2016















Mit Abel Tesfayé aka the Weeknd habe ich über die letzten Jahre bereits einige Höhen und Tiefen erlebt. Seitdem das R'n'B-Wunderkind aus Toronto durch seine Trilogy-Serie vom Indie-Phänomen zur erfolgreichen Eigenmarke wurde und mit zahlreichen Promis kollaborierte und ins Bett stieg, hat er mich sowohl enttäuscht als auch begeistert, sowohl fantastische Hits geschrieben als auch komplette Totalausfälle gehabt. Und mit jedem weiteren seiner Projekte hoffe ich wieder, dass er diesmal vielleicht das eine große Album macht, das die Welt von ihm hören muss. Und Starboy hat auf jeden Fall schon mal die Ambitionen, dieses Album zu sein. Mit einer ganzen Reihe fetter Singles als Vorgeschmack, gleich mehreren von Daft Punk geadelten Tracks und über einer Stunde Spielzeit ist das hier sein bisher größter Coup. Außerdem war ich optimtisch, weil mir der Vorgänger Beauty Behind the Madness von 2015 doch ziemlich zusagte und Abel hier vor allem eine unglaubliche Kompetenz für gehaltvolle Texte entwickelte. Und seine Hausaufgaben hat er hier definitiv gemacht: Statt auf verwaschene Alternative-R'n'B-Balladen setzt er hier wieder vor allem auf Catchiness und knallige Beats, die ihm auch verdammt gut stehen. Besonders die beiden von Daft Punk produzierten Nummern halten in dieser Hinsicht das, was sie versprechen. Man merkt hier auch ein weiteres Mal, wie flexibel the Weeknd stimmlich ist und dass er sich wahnsinnig gut in jede Melodie einfühlen kann, was vor allem in den Hooks zum Vorschein kommt. Das ist auf jeden Fall ein riesengroßer Vorteil und Songs wie Rockin' oder False Alarm haben realistische Chancen, das nächste Can't Feel My Face zu werden. Allerdings ist diese Platte in manchen Belangen auch ein mächtiger Rückschritt für Abel, vor allem auf der inhaltlichen Ebene. Nachdem die Lyrics beim letzten Mal wirklich außergewöhnlich und eigentlich das beste an Beauty Behind the Madness waren, ist hier plötzlich wieder ziemlich tote Hose. Mehr noch, Starboy hat einige der miesesten Texte, die ich von the Weeknd je gehört habe. Bisher liebte ich ihn immer dafür, wie er in seinen Songs in finsteren Farben die Bedeutungslosigkeit von Reichtum und die Anonymität der High Society porträtierte, doch nun scheint er selbst Teil davon geworden zu sein. In Reminder hört er sich an wie ein in die Jahre gekommener Bling-Rapper, der mit Mietwagen und gekauften Prostituierten prahlt, True Colors ist nicht besser als der Schund der abertausenden Weeknd-Trittbrettfahrer, auf die Abel so gerne schimpft und in Sidewalks versagt sogar Kendrick Lamar ausnahmsweise. Eine der wenigen Ausnahmen ist wie immer der Titeltrack, der mit ein paar sogar ziemlich genialen Parts komplett aus der LP herausfällt. Zuerst hatte ich auch noch gehofft, dass die vielen tollen Beats Starboy retten würden und das ganze trotz inhaltlicher Flaute noch eine Platte zum tanzen werden würde, doch auch dafür gibt es zu viele mittelmäßige, halbgare Nullnummern, die nicht mal das bieten können. Im großen und ganzen haben wir hier also wieder eines der wirklich enttäuschenden Weeknd-Projekte vor uns, das sehr weit davon entfernt ist, das "eine große Album" zu werden. Ich würde viel eher meinen, dass es eines seiner bisher schlechtesten ist. Das ist auf der einen Seite bitter, weil ich das Gefühl hatte, dass seine Karriere gerade echt interessant ist und er jetzt richtig was hätte reißen können. Andererseits bin ich zuversichtlich, dass Abel Tesfayé hier ganz bestimmt nicht seine letzte Platte gemacht hat und wir von ihm ganz bestimmt auch wieder etwas hören werden, das absolut monumental ist. Und wenigstens können wir dann wieder wirklich darüber staunen.
5/11

Beste Songs: Starboy / Rockin' / Stargirl Interlude / Love to Lay / Nothing Without You / I Feel It Coming

Nicht mein Fall: Reminder / True Colors / Sidewalks / Six Feet Under / A Lonely Night

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