Mittwoch, 9. November 2016

Der ewige Fluch

LAMBCHOP
Flotus

City Slang / 2016















Wenn es darum geht, die großen Country-Songwriter-Bands der letzten 20 Jahre zu benennen, ist man sehr schnell bei Leuten wie Sun Kil Moon, Wilco, Bon Iver, Smog oder Mount Eerie, doch eine der Gruppen, die bereits seit einer halben Ewigkeit mit am Steuer sitzt, wird ständig vergessen: Lambchop aus Nashville. Mit einer wahnsinnig ambitionierten Diskografie, die immer auf das Höchstmaß an Progressivität und Emotion erpicht war, ist das bis zu achtzehn-köpfige Country-Orchester schon seit 1993 dabei. Doch während es andere Kollegen in den vielen Jahren geschafft haben, eine oder gleich mehrere Platten zu veröffentlichen, die den Indierock einer ganzen Generation beeinflussten, fehlte Lambchop immer das gewisse etwas und man konnte nie mehr tun, als sie für ihre fantastischen Ansätze zu loben. Doch wenn man eines seitdem gelernt hat, dann dass es nie zu spät dafür ist. Flotus ist vier Jahre nach dem wieder mal ziemlich wackligen Mr. M der nächste Versuch. Mit über einer Stunde wie eh und je nach den Sternen greifenden, melancholischen Country-Songs ist das ganze dabei erneut sehr gut aufgestellt und bleibt der Songwriter-Seele der Band treu. Gleich der fast zwölfminütige Opener In Care of 8675309 macht das mehr als deutlich. Denn neben der wunderbar gefühlvollen Komposition und dem starken Sound haben Lambchop scheinbar das Medium Autotune für sich entdeckt, das sie auch gar nicht mal schlecht einsetzen. Auch im Titelsong an dritter Stelle funktioniert das super. Doch allerdings taucht dabei auch sehr schnell eine allzu bekannte Assoziation auf. Der Gesang hier könnte an vielen Stellen auch von Justin Vernon stammen und die Gitarrenarbeit erinnert doch sehr an Jeff Tweedy oder Phil Elverum. Ich möchte nicht sagen, dass Lambchop sich diese Platte zusammengeklaut haben, schließlich fahren sie diesen Stil bereits seit längerer Zeit als die meisten anderen, doch die Ähnlichkeiten fallen schon auf. Darüber hinaus besitzen sie langfristig nicht die Vielfalt dieser Künstler, sondern dümpeln mehr oder weniger durch ihren Melancholie-Sumpf. Innerhalb dieses Rahmens schaffen sie es aber, ein durchaus sehr ansprechendes Gesamtwerk zu erarbeiten. Mit den typischen Jazz-Einflüssen, ihrer beruhigenden Komposition und den durch die elektronische Verfremdung abstrahierten Vocals schaffen sie eine Atmosphäre, die fast ein wenig an Lounge-Musik erinnert und definitiv im Bereich Easy Listening zu verorten ist. Die einst so tragische und düstere Musik der US-Amerikaner findet hier eine eher chillige Übersetzung, die aber in den meisten Fällen doch total angemessen und wunderbar ausgeführt ist. Ein paar kürzere Spielzeiten oder ein etwas flotterer Titel hätten am Ende aber auch nicht geschadet. So hängen Lambchop auch mit ihrer neuesten LP dem Fluch nach, wieder ein ziemlich gutes, aber eben kein wirklich bemerkenswertes Album gemacht zu haben. Und in meinen Augen hätte eigentlich gerade Flotus die Möglichkeit gehabt, genau das zu werden. Aber was diese Band bis jetzt nicht aufgegeben hat, wird sie auch in Zukunft weiter versuchen und ich bin zuversichtlich, dass diese Ansätze zumindest unterhaltsam werden. Es ist zumindest besser, als einfach aufzuhören.
8/11

Beste Songs: In Care of 8675309 / Flotus / JFK / the Hustle

Nicht mein Fall: Old Masters

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