Montag, 14. November 2016

Eigentlich wollte Phife Dawg die Hook singen...

A TRIBE CALLED QUEST
We Got It From Here...Thank You 4 Your Service


Epic / 2016













Spätestens 2016 fühlt es sich ein bisschen so an, als wären alle Künstler, von denen man sich irgendwann mal ein Comeback gewünscht hat, tatsächlich wieder da. Gerade im HipHop ist das immens der Fall. Der Wu-Tang Clan spielt seit 2014 wieder ganz weit vorne mit, De La Soul und die Beginner waren dieses Jahr dran und sogar Dr. Dre hat vor einiger Zeit seinen Nachfolger zu 2001 veröffentlicht. Und nun ist mit A Tribe Called Quest die nächste Rap-Institution dran. Zwar ist die offizielle Reunion von 2003 auch schon über eine Dekade her und die Band war in der Zwischenphase nicht gerade faul, doch so richtig offiziell wird das ganze ja immer erst mit einem neuen Album (Shoutouts an die System of A Downs, At the Drive-Ins und Rage Against the Machines da draußen). Aber als Ausgleich für die lange Produktionsphase ist We Got It From Here... (Achtung: sehr passender Titel) auch äußerst umfangreich ausgefallen. Eine ganze Stunde neues Material auf 4 LP-Seiten ist hier zusammengekommen und an sich ziemlich anschaulich. Ähnlich wie beim neuen Album von De La Soul versammelt sich hier eine Vielfalt an Stilen und Gästen. Kanye West, Andre 3000 und Kendrick Lamar sind hier genauso vertreten wie Elton John oder gleich mehrmals Jack White. Interessant und auffällig ist dabei musikalisch, das man hier verhältnismäßig wenig vom ursprünglichen jazzigen HipHop-Style der New Yorker hört, sondern vornehmlich Beats, die eher an Platten aus den späten Achtzigern erinnern, was auf eine coole Weise anachronistisch ist. Darüber hinaus ist die instrumentale Ausgestaltung hier auch um einiges farbiger als beispielsweise die immens trockene Produktion ihres Opus Magnum the Low End Theory. Im allgemeinen ist das ein sehr positiver Effekt, doch es führt auch zu einigen albernen Tracks wie Dis Generation, die eher seichte Popsongs sind als wirkliche HipHop-Nummern. Apropos Generationskonflikt, auch in dieser Hinsicht ist We Got It From Here... einigermaßen bemerkenswert. Bei erster Auseinandersetzung mit den Texten hier war ich der Meinung, bei ATCQ würde sich eine Spur Kulturpessimismus abzeichnen, doch bei näherer Beschäftigung ist eigentlich fast das Gegenteil der Fall: Gerade Dis Generation lobt die Entwicklung, die die von ihnen mitgeschaffene Szene heute erfahren hat, wenngleich der Zeigefinger doch ziemlich weit nach oben geht, wenn es um Realness geht. Daneben mischen sich gerade die Tracks der ersten Hälfte auch sehr in das aktuelle politische Geschehen ein, vor allem aber auch in Conrad Tokyo, dem vielleicht besten Song zum Wahlergebnis der vergangenen Woche. Eine ganz andere Art von Auseinandersetzung findet in Lost Somebody statt, einer Ode an den jüngst verstorben ATCQ-MC Phife Dawg. Seine ehemaligen Kollegen Jarobi und Q-Tip erzählen in den beiden Strophen jeweils wahnsinnig persönliche Stories, wie sicher nur sie es auf diese Art können. Leider endet das Stück dann plötzlich ziemlich abrupt und ein total überflüssiges Gitarrensolo von Jack White setzt ein, das den Track ein bisschen ruiniert. Gerade auf der zweiten Hälfte bleibt dieser Totalausfall jedoch einer von wenigen Unstimmigkeiten. Stattdessen gibt es großartige philosophische Inhalte, den herrlich trockenen Beat von Mobius und die wahnsinnig tolle Hook von Movin Backwards, die natürlich von Anderson.Paak stammt. Nach hinten heraus wird We Got It From Here... mit jedem Song besser und wiegt vieles, was im ersten Teil noch verwunderte, wieder auf. Wirklich viel falsch machen A Tribe Called Quest hier aber nicht. Gerade inhaltlich ist diese Platte ein echt starkes Stück und positioniert sich im hier und jetzt ebenso selbstverständlich wie die meisten aktuellen Rapper. Und für jeden etwas verkorksten Beat gibt es hier auch eine großartige Wahnsinns-Hook oder ein fantastisches Feature, das die Tendenz wieder nach oben schießen lässt. Ich habe schon bessere Rap-Comebacks gehört als dieses, doch We Got It From Here... ist alles in allem mehr als solide. Und das, obwohl einer der Bande ja jetzt fehlt. Aber irgendwie ist das hier auch sein Album.
9/11

Beste Songs: the Space Program / We the People / Kids / Melatonin / Enough!! / Mobius / Black Spasmodic / the Killing Season / Movin Backwards / Conrad Tokyo / Ego

Nicht mein Fall: Dis Generation

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