Samstag, 19. November 2016

Chill mal deine Base

CRACK IGNAZ
Marmeladé


Airforce Luna / 2016















Müsste ich für 2016 einen Musiker des Jahres wählen, wäre das in meinen Augen mit ziemlicher Sicherheit Crack Ignaz. Der MC und Produzent aus Salzburg ist in dieser Saison der Toten und Verdammten eine der wenigen echten Lichtgestalten, die Optimismus und Zukunftspotenzial verbreitet und dabei auch noch verdammt charismatisch und savage ist. Darüber hinaus prägt dieser Kerl die deutsche Musiklandschaft momentan nicht unwesentlich und mit Marmeladé veröffentlicht er mal so eben seine dritte LP innerhalb der letzten zwölf Monate. Das tolle dabei ist, dass diese Platten eben nicht wie bei seinen großen Brüdern Future und Young Thug jedes Mal gleich klingen, sondern er bei seinen Unternehmungen ständig den Vibe wechseln kann und unter den mittlerweile ziemlich vielen (und meistens langweiligen) deutschsprachigen Cloud-MCs mit Sicherheit der bunteste ist. Nachdem Aurora mit LGoony diesen Winter die finstere und roughe Trap-Keule und Geld Leben mit Wandl einige Wochen später das chillige Jazzrap-Tape war, zeigt dieses neue Projekt vorzugsweise die alberne, clowneske Seite des Crack Ignaz. Dass diese eine der spannendsten und coolsten des Österreichers ist, weiß jeder, der nur einmal König der Alpen angehört hat. Und obwohl Marmeladé so krass nun auch wieder nicht ist, merkt man durchaus, dass sich hier stilistisch überhaupt keine Grenzen gesetzt wurden. Die Beats sind farbenfroh, gerappt wird über alles und nichts, jede Menge witzige Gäste sind vertreten und allein der Albumtitel ist so Realness-resistent wie nur irgendwas. Das macht die ganze Nummer natürlich absolut sympathisch und steigert die Coolness von Ignaz K ins unermessliche. Doch leider hat diese offene Arbeitsweise auch zur Folge, dass Marmeladé ein wenig unfokussiert daherkommt und eine der wichtigsten Sachen dabei fehlt: die guten Songs. Crack Ignaz ist in meinen Augen noch nie ein wirklich guter Album-Künstler gewesen und auch seine bisherigen Longplayer in diesem Jahr waren als Gesamtwerke eher so la la. Allerdings gab es darauf immer großartige Tracks wie Tokyo Boys, Oida Wow, Moch Cash oder James Dean, die absolut genial waren. Doch durch die lockere Produktionsweise hier und die sehr kurzen Spielzeiten der einzelnen Cuts fehlen diese starken Eindrücke hier. Die bisher drei Singles, nämlich Nu An Drahn, Swah und Ois Koid, sind alle drei eher so okay gewesen und auf die Gesamtheit bezogen gehören sie hier trotzdem noch zu den besten Stücken. Erwähnt werden sollte zwar auch das witzige Intro, das chillige HWG mit Juicy Gay und der düstere Rant Ned sein wie ihr, aber im Prinzip sind diese Aufzählungen Haarspalterei, weil ein echter Banger auf Marmeladé schlichtweg fehlt. Da hilft es auch nicht, die Geld Leben-Hits James Dean und Lila Lila hier nochmal mehr schlecht als recht aufzuwärmen. Es ist nicht leicht zu sagen, aber diese LP ist insgesamt leider keine gute geworden. Ich finde es nach wie vor schön, dass Crack Ignaz sich solche Dinge traut und ich achte ihn als Musiker deshalb nicht weniger, doch für mich fehlt hier einfach die Substanz. Diese Platte ist ein Ausrutscher, der eben auch mal passiert, wenn man im gleichen Jahr schon zwei ziemlich gute andere Platten gemacht hat. Ich hoffe, dass nach diesem Tape ertsmal wieder ein bisschen Ruhe im Karton ist und sich der Salzburger nicht direkt das nächste Projekt vorknöpft, denn langsam bin sogar ich von seinem Output ein bisschen übersättigt. Was nicht heißt, dass ich den Aurora 2-Teaser auf diesem Album nicht auch ziemlich hart am hypen bin.
6/11

Beste Songs: Intro (Ball wie) / HWG / Coupe Coupe / Obailochned / Ned Sein wie ihr / Wue I Seng / Überschwemm den Block

Nicht mein Fall: Swah / James Dean

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