Donnerstag, 3. November 2016

From Here to Eternity

MARCHING CHURCH
Telling It Like It Is


Sacred Bones Records / 2016















Frontmänner und -frauen bekannter Bands, die sich über kurz oder lang einem Nebenprojekt zuwenden, gibt es wie Sand am Meer, die meisten davon sind die, die nach einer lärmigen Gruppen-Vergangenheit plötzlich seelenvolle, intime Songwriter-Poesie betreiben. Auf den ersten Blick gibt es also an Elias Bender Ronnenfeldts im 2015 gegründeter Formation Marching Church nichts besonderes zu entdecken. Dennoch empfinde ich das neue Hobby des hauptberuflichen Iceage-Sängers als eines der bemerkenswertesten Projekte der letzten Jahre. Nicht nur, weil der von mir vorher generell absolut verhasste Musiker vergangenes Jahr mit This World is Not Enough plötzlich eines meiner Lieblingsalben jener Saison veröffentlichte, sondern auch, weil Marching Church seine Person stilistisch ungemein bereichert. Innerhalb einer Dreiviertelstunde beackerte der junge Däne auf besagter Platte eine Bandbreite, die von Noiserock und Punk über Avantgarde und Soul bishin zu Tango und Swing reichte und dabei eine der emotionalsten Performances ablieferte, die ich lange gehört hatte. Umso glücklicher war ich, dass bereits in diesem Jahr der Nachfolger zu diesem Meisterwerk erscheint, der mit dem Song Lion's Den auch über eine großartige Vorab-Single als ersten Eindruck verfügte. In meinen Augen sprach nichts dagegen, dass Ronnenfeldt hier noch einmal einen solchen Knaller landen könnte. Und schlecht schneidet Telling It Like It Is in dieser Hinsicht gar nicht ab. Zwar ist die Ausführung hier durchaus nicht mehr so gewagt wie bisher und viele Songs verorten sich noch weiter in der Mischung aus Gothrock und Soul, die schon auf dem Debüt anklang, doch statt eines stilistischen Rückzuges kann man in dieser Entwicklung auch einen Fortschritt sehen. Natürlich ist es ein bisschen schade, dass Ronnenfeldt hier nicht mehr so schön brüllt wie ein epileptischer Zuchtbulle und die Dramatik von Stücken wie Hungry for Your Love fehlt, doch dafür wächst dieses Album an anderen Stellen. Instrumental gesehen ist Telling It Like it Is eine Spielwiese der Möglichkeiten geworden, die mit Streichern, Chören, Harmonikas und Glockenspielen nur so um sich wirft und dabei durchaus virtuos ausfällt. Heart of Life beispielsweise entzückt mit leichten Reggea-Einspielungen, Inner City Pidgeons durch tolle Backing-Vocals im Refrain und Florida Breeze durch seine subtil-psychedelische Bassline. Wo man auf This World is Not Enough von der Wirkung der Songs begeistert war, ist man es hier von den unzähligen cleveren Details, die an fast jeder Stelle und in großer Bandbreite stattfinden. Und im Endeffekt ist Telling It Like it Is unterm Strich damit nicht wirklich schlechter als sein Vorgänger. Selbstverständlich bleibt das Debüt für mich das Album, von dem ich nach wie vor begeistert bin und ohne das ich dieses wahrscheinlich ganz anders gesehen hätte, doch Marching Church haben hier einen hochkarätigen Nachfolger auf die Beine gestellt, der die Diskografie der Dänen wunderbar fortsetzt. Um wunschlos glücklich zu sein fehlt jetzt nur noch eine gute Iceage-Platte. Doch es ist auch vollkommen okay, wenn stattdessen erst noch ein paar von denen hier kommen.
9/11

Beste Songs: Let It Come Down / Heart of Life / Inner City Pidgeon / Florida Breeze / 2016 / Achilles' Heel / Calenture

Nicht mein Fall: -

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