Sonntag, 27. November 2016

Der Winter naht

BLUENECK
the Outpost


Denovali Records / 2016















Gibt es einen besseren Moment für ein Blueneck-Album als Ende November, wenn eigentlich kein Mensch mehr Lust zum rauszugehen hat, der ständige Regen langsam zu Schnee übergeht und man ein bisschen in ein winterliches Koma abfällt. Genau an diesem Punkt greift dann immer wunderbar die Band aus Bristol mit ihrem unterkühlten, atmosphärischen Vokal-Postrock, der mich nun schon seit einiger Zeit begleitet. Wer dieser Tage die volle Melancholie-Dröhnung verpasst haben will, dem kann ich noch immer wärmstens das 2011 veröffentlichte Album Repetitions ans Herz legen, das mit Sicherheit zu den düstersten Projekten gehört, die ich in den letzten Jahren gehört habe, doch auch der Rest ihrer Diskografie kann sich sehen lassen. Ausgangspunkt für the Outpost ist mit dem 2014 erschienenen King Nine der bisher experimentellste Longplayer von Blueneck und eine damit verbundene Zäsur in der Musik der Briten. Auf dem Vorgänger spielte die Band erstmals mit elektronischen Sounds, probierte viel mit Nachbearbeitung von Stimmungen herum und baute auch ihr Songwriting strukturell um. Das war einerseits eine durchaus interessante Wendung und sorgte für den wahrscheinlich ersten Gebrauch von Autotune auf einem Postrock-Track, doch stellenweise fehlte dabei dann auch das Drama, mit dem mich die alten LPs so sehr überzeugt hatten. Ich hoffte also, dass Blueneck diese neuen Strukturen hier dazu benutzen würden, tatsächlich auch bessere Musik zu schreiben. Und auf den ersten Blick scheint dieser Wunsch in Erfüllung gegangen zu sein. Wenn man dem Opener From Beyond eines nicht vorwerfen kann, dann fehlenden Bombast. Mit einer Länge von über sechs Minuten und einem epischen Break am Ende setzt er zu Anfang des Albums eine großartige Marke, die einiges verspricht. Und auch viele der anderen Stücke sind an sich ziemlich ansprechend. Hypnos ist ein überraschend sonniger, optimistischer Postrock-Standard, der trotzdem kein bisschen formelhaft klingt, Rats in the Wall wartet mit symphatischem Nine Inch Nails-Charme auf und Other Gods ist tatsächlich ein Abschlussong für die Götter. Und obwohl es schön ist, dass Blueneck sich hier wieder in so vielen Stilen austoben, fehlt ihnen diesmal doch irgendwie der rote Faden und die stilistische Mitte dafür. Außerdem wirken sie dabei nicht mehr wirklich konzentriert und die Tracks sind zwar insgesamt gut, wirkliche Hingucker wie das Gitarrensolo in Glades gibt es aber nur vereinzelt. Obendrein klingen sie spätestens jetzt wie eine Band, die ihre besten Tage bereits in den Zweitausendern hatte. Um mich wirklich zu überzeugen, sind das meiner Meinung nach ein paar Unstimmigkeiten zu viel. The Outpost ist kein totaler Reinfall und trotzdem noch spannender als das meiste, was sich 2016 so alles Postrock schimpft, doch es ist auch offensichtlich, dass die Briten schon mal besser waren als hier. Ihren neuen Stil müssen sie also scheinbar immer noch finden beziehungsweise das kultivieren, was sie im Moment gerade tun. Doch ich glaube daran, dass sie es früher oder später schaffen. Die Grundlagen dafür findet man hier zumindest schon mal.
7/11

Beste Songs: From Beyond / Hypnos / the White Strip / Glades / Other Gods

Nicht mein Fall: Rats in the Wall

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