Montag, 12. Oktober 2015

Zärtlichkeiten ohne Freunde

A MOTE OF DUST
A Mote of Dust

Babi Yaga
2015
















Ich empfinde es immer als einen Glückstreffer, eine Platte mit wirklich guter Klaviermusik zu finden. Das Piano im Pop ist ein schwieriges Unterfangen und nur wer Ahnung von der Materie hat, kann ohne peinliche Fehltritte durch die komplette Länge eines Albums dieses Instrument spielen. Von vorne bis hinten überzeugende Projekte wie in den letzten Jahren die von Moonface oder Elskavon sind daher selten. Craig B aka A Mote of Dust hat in dieser Hinsicht insofern schon mal einen Vorteil, dass er bereits in seinen bisherigen Bands Aereogramme und the Unwinding Hours viel mit dem Tastenwerk zu tun hatte. Und während sein Kumpel Iain Cook mit Chvrches in die Pop-Charts schippert, macht er lieber ein introvertiertes Akustik-Album, das vor allem den Klängen des Klaviers viel Platz einräumt. Dass B vom Postrock kommt, merkt man dabei ganz deutlich. Das selbstbetitelte erste Album des Schotten ist sehr stark von den Stilen seiner Genre-Kollegen Nick Talbot (Gravenhurst) und Kjartan Sveinsson (Sigur Rós) beeinflusst. Allerdings sind es am Ende doch eher melancholische Popsongs, die er hier schreibt. Wie auch Cook beweist er dabei ein außergewöhnliches Händchen für Melodie, was ihn zu einem guten Kandidaten für eine Platte mit Klavierballaden macht. Denn obgleich alle neun Songs instrumental ziemlich karg gehalten sind - Klavier oder Keyboard mit spärlicher Gitarrenbegleitung und B selbst als Sänger - klingt doch kein Track wie der andere. Da gibt es das eher melodisch-anschmiegsame Eve, den sehr isländischen Opener und Titeltrack, das für meine Begriffe etwas zu rockige Work of Our Hands und nicht zuletzt den elektronisch angehauchten Industrial-Stampfer Pull Me Back In, der als fetziges Kontrastprogramm für den Rest der Platte reicht. Craig Bs Nine-Inch-Nails-Ambitionen in allen Ehren, doch was er hier am besten beherrscht, sind tatsächlich nach wie vor die leisen Töne. Viel zu gut spielt er hier den bärtigen schottischen Eigenbrötler, als dass man ihm diese künstlerische Ader übel nehmen könnte. Die Euphorie und die Bösartigkeit funktionieren zwar auch, doch die Melancholie funktioniert am besten. Und am allerbesten funktioniert sie sowieso am Piano, das Craig B so zärtlich zu streicheln vermag wie nur Wenige. Dafür hat er auf diesem Album meinen großen Respekt, das am Ende sogar ein Stück besser ist als alles, was er bei zusammen mit Iain Cook je gemacht hat. Ein bisschen künstlerische Distanz tut vielleicht beiden auch längerfristig ganz gut. Und wenn es im Fall von A Mote of Dust Einsamkeit bedeutet, ist es das auch wert.
8/11

Beste Songs: A Mote of Dust / Eve / Pull Me Back In / Wolves in the Valley

Nicht mein Fall: Work of Our Hands

Weiterlesen:
Review zu Brothers and Sisters of the Eternal Sun (Damien Jurado):
zum Review

Review zu Ghost Stories (Coldplay):
zum Review

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen