Montag, 5. Oktober 2015

Easy

MILO
So the Flies Don't Come

Ruby Yacht
2015
















Ort: Ein kleines aber ziemlich schickes Café im hippen Viertel der Stadt. Zeit: später Nachmittag, beginnende Dämmerung. Milo hat sich gerade einen Chai Latte geholt und beginnt zu erzählen. Über Selbstwahrnehmung, HipHop, Lieblingsbücher, seinen Bruder Robert, Schopenhauer und seine neuen Freunde beim Hellfyre Club. Eine halbe Stunde redet er dabei mit seiner angenehm beruhigenden Stimme und am Ende setzt man die Kopfhörer ab und stellt fest, dass man gerade nur sein neues Mixtape gehört hat. Rory Ferreira ist einer der Typen, den ich schon eine Weile auf der Liste der Künstler hatte, die irgendwann bestimmt mal ein riesiges Album machen würden. Dass dieses jetzt ausgerechnet So the Flies Don't Come geworden ist, war eigentlich nicht geplant. Erst letztes Jahr veröffentlichte der MC aus Wisconsin sein kommerzielles Debüt A Toothpaste Suburb beim Hellfyre Club, das mochte ich schon sehr. Doch jetzt das neue Material zu hören, lässt auch dieses nochmal deutlich verblassen, auch wenn es sich hierbei nur um ein halbstündiges, auf Kassette erschienenes Zwischendurch-Mixtape handelt, das die Karriereleiter von Milo lediglich streifen sollte. Doch die schiere Schönheit, mit der selbiger seine entschleunigend lebensechten Lines vorträgt, ist zu einnehmend, um sie einfach nur zur Fußnote verkommen zu lassen. Ferreira ist schon immer irgendwie der Zen-Meister unter den MCs dieser Welt und selbst unter seinen Kollegen von Hellfyre noch ein Exot. Mit seinem lieber locker und meditativ vorgetragenen "Flow", der teilweise eher an Spoken Word erinnert, legt er uns hier die Karten der Erleuchtung auf den Tisch, die nur er selbst nicht für echt hält. Und damit das ganze nicht in peinlichem Schweigen endet, fängt er lieber an, über seine Twitter-Feeds oder die Badezimmer-Einrichtung zu reden. Halbironisch macht er sich über die Blacktivist-Bewegung lustig und zögert jedesmal, bevor er dann doch das N-Wort an das Ende der Punchline setzt. Wenn es ihm ganz zu viel wird, helfen seine Homies mit ein paar Zeilen aus. Ein bisschen awkward ist dieser Gedankenaustausch am Ende schon, aber das gehört seit jeher zur Ästhetik von Milo und ich persönlich liebe sie. Denn schon seit geraumer Zeit ist Ferreira damit eine echte Alternative zum ganzen Rest der HipHop-Szene und jemand, der die Möglichkeiten des Genres wirklich ausnutzt. So the Flies Don't Come ist nun endlich das Album, auf dem er diesen Stil perfekt in Szene setzen kann und das beste daraus macht. In gewisser Weise habe ich auf diese Platte gewartet und dennoch überrascht mich Milo hier irgendwie. Sie ist einfach so ganz anders als das Bild, das ich mir von ihr gemacht habe. Zu nörgeln bleibt am Ende absolut nichts, sogar die etwas knappe Länge ist für den schier endlosen Gedankenstrom des Künstlers ausreichend. Rory Ferreira hat auf diese dreißig Minuten einfach das beste gepackt, was es bisher von ihm gibt. Wenn er so weitermachen kann, platzt mir spätestens beim nächsten "richtigen" Longplayer der Kopf.
11/11

Beste Songs: Rabblehouse / An Encyclopedia / Napping Under the Echo Tree

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu A Toothpaste Suburb (Milo):
zum Review

Review zu Live From the Dentist Office (Injury Reserve):
zum Review

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