Samstag, 3. Oktober 2015

Was zu beweisen war

DEAFHEAVEN
New Bermuda

Anti Records
2015
















Es gibt wohl kaum ein Album, welches dieses Jahr schon vor seinem Release so vorbelastet war wie New Bermuda. Im positiven wie negativen Sinne wird über den dritten Longplayer von Deafheaven wohl im Nachhinein weniger geredet werden als im Vorfeld. Zuerst mal reden wir hier über den Nachfolger von Sunbather, dem meiner Meinung nach wichtigsten Metal-Dokument des bisherigen 21. Jahrhunderts. Diesen Sachverhalt habe ich schon im Single-Review zu Brought to the Water zur Genüge auseinandergenommen (Link siehe unten). Auf der anderen Seite ist es aber auch gerade mal eine Woche her, dass eine Handvoll homophober, alter Twitter-Posts von Gitarrist Kerry McCoy im Netz die Runde machten, auch hierzu habe ich mich bereits geäußert. Was letzteren Sachverhalt angeht, habe ich mich in den vergangenen Tagen hinter jedes Interview geklemmt, das ich von der Band finden konnte und überall nur die Aussage erhalten, dass Deafheaven sich mittlerweile von solcherlei Haltungen distanzieren. Mir reicht das fürs erste, um New Bermuda vorbehaltlos zu behandeln, etwas mulmig ist mir dabei trotzdem. Was nicht besser dadurch wird, dass mir die neue Platte schon wieder sehr zusagt. Um die lästige Frage gleich aus dem Weg zu schaffen: Das neue Sunbather haben wir hier nicht, doch zum totalen Ausgleich fehlt hier wenig. Die Kalifornier machen ihren Vorgänger hier nicht nach, doch bieten hier nach wie vor ihre wahnsinnig kreative Kombination aus Black Metal, Shoegaze, Postrock, Indierock und Screamo an, die jeder hören will. Die Verfahrensweise dabei ist sehr interessant. Statt wie auf vorigen Alben ein perfektes Amalgam aus allen Stilen zu bilden, dröseln sie diese hier Stück für Stück auf und lassen starke Kontraste die Songs bestimmen. Finstere, ziemlich traditionell anmutendes Black-Metal-Riffing wird häufig gegen seichte, melancholische Postrock-Momente, oft auch mit Piano oder Akustikgitarre, ausgespielt. Zusammen mit George Clarkes Texten, in denen er sich mit einer unlängst überwundenen Depression auseinandersetzt, kommt man sehr schnell in das "neue" Deafheaven-Gefühl rein. Besonders tolles in Sachen unbekanntes Territorium wird hier durch das übergreifend großartige Thrash-Shredding geleistet und der Wah-Wah-Teil in Baby Blue zeigt kurz die psychedelische Seite an der Band auf. Alles in allem ist New Bermuda wohl das Album, das die Metal-Szene verändert hätte, wenn Sunbather nicht existieren würde. Es ist nicht ganz so perfekt und makellos wie sein Vorgänger, doch das will es auch gar nicht sein. Das Charisma der neuen Platte ist ein ganz anderes, doch in keinem Fall ein schwächeres. Das einzige, was diesmal fehlt, ist der mediale Aha-Effekt und das rosa Artwork. Aber solche Sperenzchen braucht so eine Band im Jahr 2015 eigentlich gar nicht mehr.
10/11

Beste Songs: Brought to the WaterLuna / Baby Blue / Come Back / Gifts From the Earth

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Brought to the Water (Deafheaven):
zum Review

Review zu M (Myrkur):
zum Review

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