Mittwoch, 14. Oktober 2015

Nachhilfe vom Klassenbesten

CHRISTIAN SCOTT
Stretch Music

Ropeadope
2015
















Dass man auf seinem Blog viel zu wenige Jazz-Platten bespricht, merkt man immer erst, wenn man dann mal eine bespricht. Zum Beispiel die (nicht mehr ganz so) neue des Trompeters und Bandleaders Christian Scott, Stretch Music. Und da ich zu dem Herren ja bisher offenkundig recht wenig geschrieben habe, hier eine kleine Einführung: Scott ist mit seiner seiner Heimat New Orleans sozusagen im Sud der internationalen Jazz-Kultur aufgewachsen und war zudem noch eines dieser Wunderkinder, die die beste Musikhochschule des Landes in der Hälfte der eigentlichen Zeit bestehen. Demzufolge hat der Tausendsassa schon in einem relativ zarten Alter eine eigene Band, arbeitete unter anderem mit Prince und Mos Def zusammen und erhielt bereits für sein Debüt einen Grammy. Dass so jemand dabei immer die Nähe zur Popmusik suchte, ist eigentlich erstaunlich. Für Otto Normalpopmusikkonsument ist es doch vielleicht die einfachste Form, sich einem doch recht schwierigen Genre wie diesem zu nähern. Gerade Stretch Music ist dafür ziemlich gut geeignet. In gut verdaulichen 50 Minuten serviert der 32-jährige elf angenehm lange Variationen von Smooth-, Bar- und Lounge-Jazz. Dass dabei nicht nur auf das übliche Instrumentarium zurückgegriffen wird (Scott spielt hier erstaunlich selten die Trompete), sondern auch auf Synthesizer und Gitarren, macht die Platte noch ein bisschen gefälliger. Ein gestriegeltes und gezähmtes Mainstream-Machwerk muss man dennoch nicht befürchten. In den richtigen Momenten, wie beispielsweise in West of the West, erlaubt man sich schon mal ein paar größere Sperenzchen, die auch dem fortgeschrittenen Jazz-Fan zusagen dürften. Was für jede Art von Hörer sicherlich interessant ist, ist die Vielschichtigkeit der Songs hier. Die wirken teilweise gejammt, teilweise geschrieben, sind man grob, dann wieder filigran, entspannend und gleichzeitig aufrühererisch. Das Ergebnis ist am Ende eine kunterbunte Collage an Instrumenten, Stimmungen, Techniken und Einflüssen. Ebenfalls ein Highlight des Longplayers, den Christian Scott auch gleich dessen Untertitel aufgreift, ist die Performance der Flötistin Elena Pinderhughes, die als Gast in zwei Tracks auftritt und mit ihrem virtuosen Spiel jedes Mal die Aufmerksamkeit auf ihre Seite zieht. Sie dürfte eine der auffälligsten Newcomerinnen der Jazz-Szene sein und ich danke diesem Album, dass ich das jetzt weiß. Dass Scott am Ende der bessere Talentscout als Musiker ist, will ich damit natürlich nicht sagen. Er hat seine Platte nach wie vor in der Hand und liefert ein von vorne bis hinten gelungenes Gesamtwerk ab. Stretch Music ist eine LP, über die ich gerne schreibe, ganz unabhängig vom Genre. Obwohl ich Jazzmusik wirklich einen größeren Fokus einräumen sollte. Knoten ins Taschentuch.
9/11

Beste Songs: Perspectives / West of the West / Liberation Over Gangsterism / the Corner

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu the Epic (Kamasi Washington):
zum Review

Ausführungen über aktuelle Jazzmusik (DWZS):
zum DWZS

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