Sonntag, 18. September 2022

So wie Kenny

J.I.D - The Forever Story
J.I.D
the Forever Story
Dreamville | Interscope
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ technisch | stromlinienförmig | antiklimaktisch ]

Es gibt genau einen Grund, warum ich auf diesem Format bisher nie über die Musik von J.I.D geschrieben habe und der mir eigentlich lange als einer erschien, über den man nicht diskutieren brauchte: Denn wieso sollte ich mich für die Songs von jemandem interessieren, der so offensichtlich dem stilistischen Blueprint eines einzigen Künstlers nacheiferte. Noch dazu, wenn dieser Künstler Kendrick Lamar hieß und in den Debatten über die wichtige Rapmusik der letzten Jahre ohnehin schon omnipräsent war. Und auch wenn einige diesem Vergleich immer wieder widersprechen und als oberrflächlich darstellen: Welche stilistischen Elemente gibt es in der künstlerischen Persönlichkeit des Destin Route denn effektiv, die er nicht eins zu eins von den erfolgreichsten Alben von Lamar übernommen hat. Von der Auswahl seiner Beats und Instrumentals über die lyrischen Inhalte bishin zu seiner Stimme und seinem Flow scheint alles an ihm eine bemerkenswert detaillerte Kopie des Sounds von Kdot zu sein, aus der J.I.D selbst ja nicht mal unbedingt einen Hehl macht. Und lange genug war ich deshalb ganz einfach der Auffassung, dass ein solcher Künstler in einem kreativ übersättigten Terrain wie Hiphop niemand sei, über den ich viel zu sagen hatte. Da jedoch viele gestandene Hiphop-Fans, die mehr von der Szene und der Stilistik verstehen als ich, da offensichtlich anderer Meinung waren und seine letzten beiden Platten in den höchsten Tönen lobten, wollte ich der ganzen Sache dann doch nochmal intensiver auf den Grund gehen und zumindest eine Offenheit im gegenüber einnehmen, die ich ihm bis dato vorher nie zugestanden hatte. Das Ergebnis dieses Versuches: Wenig wirklich neues. Denn obwohl the Forever Story alles in allem keineswegs eine dilletantische oder inhaltlich zahnlose LP und ich durchaus der Meinung bin, dass dieser Typ rappen kann, ist der Vergleich zu Lamar doch ganz klar einer, den ich bei ihm auch nicht abschalten kann. Und wo das an sich auch nicht schlimm sein muss - das letzte Album von Baby Keem war stellenweise extrem von Lamar beeinflusst und ist in meinen Augen klasse - ist diese Ausprägung bei ihm kein Nebenprodukt seines Stils, sondern eigentlicher Selling Point des ganzen, was einfach nicht für eine besonders starke kreative Identität steht. Wobei sich dieser Umstand auch noch dadurch verstärkt, dass J.I.D. zumindest auf diesem Album so gut wie nichts hat, das ihn abgesehen davon spannend macht. Was auf einem dritten Longplayer dann schon ein ziemliches Armutszeugnis ist. Und wenn schon diese grundsätzliche künstlerische Haltung nicht stimmt, sollte es auch nicht verwundern, dass the Forever Story in so gut wie allen Parametern wie die lumpige B-Movie-Version eines hochklassigen Rap-Werkstücks klingt. So sind beispielsweise die Beats und Instrumentals vieler Songs durchaus ganz nett gemacht und das Sampling an vielen Stellen ansprechend, spätestens im Mastering und in der Postproduktion verheddert sich die Platte immer wieder und findet keinen dymanischen Soundentwurf. Was zur Folge hat, dass viele an und für sich okaye Songs hier klingen wie von unbedarften Radiopraktikant*innen abgemischt und auch mit den besten Kopfhörern den Flair eines höllisch komprimierten Napster-Downloads haben. J.I.D selbst ist als Hauptperformer dabei zwar irgendwie anwesend und hat auch ein paar exzentrische Flow-Passagen parat, verschmilzt aber auch an vielen Stellen zu smooth mit der eher ahnbaren Ästhetik des Albums, die ich leider ein bisschen farblos finde. Und nimmt man da noch dazu, dass die ganze Chose insgesamt auf eine stattliche Spielzeit von 59 Minuten kommt, wird das schon schnell eintönig. Zumal es auf dieser ganzen Strecke von insgesamt 15 Songs mit Just in Time, Lauder Too und Money nur drei Stücke ziemlich am Ende gibt, der für mich wirklich positiv herausstechen. Und das auch nur so halb, weil am Ende von ersterem ausgerechnet Lil Wayne hier das Privileg der dritten Strophe zugestanden bekommt und wie zu erwarten direkt alle guten Eindrücke wieder konsequent ruiniert. Wobei gezielt gesetzte Fremdeinflüsse durchaus auch für ein paar positive Hingucker der Platte verantwortlich sind. So ist die Arbeit mit verschiedenen Samples auf Raydar an mehr als einem Punkt das beste an der Nummer und Kenny Mason mit zwei Features auf dieser LP Rap-technisch definitiv spannender als J.I.D die meiste Zeit über. Dass das am Ende aber bei weitem nicht reicht, um dem Gesamtpaket dieses Albums doch noch etwas mehr Würze zu geben und ihm zumindest etwas Charakter abzuringen, sollte sich aber von selbst verstehen. Denn wovon wir hier letztlich reden, ist ein extrem unkreatives und stilistisch faktisch gesichtsloses Stück Musik, das vielleicht lyrisch noch ganz in Ordnung sein mag, das aber so gut wie alles andere fahrlässig vernachlässigt. Und so sehr mir da manche Fans auch widersprechen werden: Ein bisschen mehr als gute Texte braucht es eben schon, um ein von vorne bis hinten zufriedenstellendes Album zusammenzustellen. Dieses hier ist für mich mal wieder ein schlagender Beweis dafür.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11


Persönliche Höhepunkte
Just in Time | Money | Lauder Too

Nicht mein Fall
Kody Blu 31 | Sistanem


Hat was von
Kendrick Lamar
To Pimp A Butterfly

Little Simz
Sometimes I Might Be Introvert


1000kilosonar bei last.fm  

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