Samstag, 10. September 2022

Die letzten ihrer Art

Hot Chip - Freakout / Release
HOT CHIP
Freakout / Release
Domino
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ funky | eingängig | cool ]

Um das wichtigste gleich mal am Anfang klarzustellen und eventuell missverständliche Erwartungshaltungen direkt im Vorfeld aufzuräumen: Schon seitdem ich die Musik von Hot Chip vor etwa zwölf Jahren das erste Mal gehört habe, finde ich, dass sie eine ziemlich überbewertete Band sind. Oder zumindest, dass sie das ziemlich lange waren. Und wenn sich irgendetwas an meinem Verhältnis zu ihnen inzwischen der öffentlichen Wahrnehmung angepasst hat, dann am ehesten in der Hinsicht, dass viele heute nicht mehr so über sie reden, wie das noch vor einer Dekade der Fall war. Anfang der Zwotausendzehner, aus heutiger Sicht am Ende ihrer "klassischen Phase" um Alben wie the Warning, Made in the Dark, One Life Stand und In Our Heads, konnten die coolen Kids von dieser Formation londoner Frickelnerds nicht genug kriegen und verehrten sie als sowas wie die goldene Essenz des Indietronic-Hypes, der damals gerade in seiner dekadentesten Phase war. Und obwohl auch ich damals extrem angefixt von vielen Acts der Szene war und viele der damals großen Platten für mich entdeckte, waren Hot Chip in meiner Auffassung nie darunter. Viel eher empfand ich sie und ihre Musik als ziemlich ahnbaren Konsenspop nach Schema F, der ein bisschen zu sehr die schrullige Hipsterpose aufsetzte und mit genau dem richtigen Level an Quirk die Indiekids köderte. Und obwohl ich bis jetzt eigentlich gesagt hätte, dass sich bei mir seitdem nicht viel geändert hat und mir Hot Chip immer noch herzlich egal sind, zeigt mir eine Platte wie Freakout / Release gerade, dass das vielleicht doch nicht ganz stimmt. Denn nicht nur veröffentlichen sie hier in der dritten Dekade ihres bestehens nochmal eine LP, die mir richtig gut gefällt, sie bringen sich damit auch als die großen Überlebenden des Indietronic-Booms ins Spiel. Denn wer außer ihnen ist denn aus der alten Zeit noch so stabil unterwegs? Bear in Heaven und LCD Soundsystem sind klinisch tot, MGMT machen inzwischen psychedelischen New Wave, Daniel Snaith ist nur noch ein Schatten seiner selbst und Sweet Trip hatten letztes Jahr zwar ein erfolgreichen Comeback, sind inzwischen aber eher im Dreampop angesiedelt. Wenn Hot Chip also 2022 ein Album wie dieses rausbringen, das an vielen Stellen nicht weniger überzeugt als ihr klassisches Material in den Nullern, dann ist das schon ein Erfolg. Ich persönlich finde es ja sogar eine ganze Ecke besser. Mit Songs wie Down, Eleanor, Broken und dem Titelsong ballern die Briten hier nochmal eine beachtliche Palette an Hits raus, die zu ihren besten Stücken überhaupt gehören dürften und obwohl man ihnen im gleichen Atemzug auch vorwerfen muss, ihr ganzes Pulver gleich am Anfang zu verschießen, ist es doch erstaunlich, dass solche Banger überhaupt noch rumkommen. Und wo mich ihre Sachen früher des öfteren nerven, kann man hier zumindest sagen, dass sie nur wenige effektiv schlechte Momente auf dieser neuen Platte versammeln. Obwohl Freakout / Release damit auch alles andere als ein spätes Meisterwerk ist und nicht alle Vorbehalte ausräumen kann, die ich über Hot Chip habe, ist es doch zumindest ein starkes Statement der Unverwüstlichkeit und Kondition. Eines, das ich von anderen Acts ihres Formats inzwischen sehnlich vermisse.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
Down | Eleanor | Freakout / Release | Broken | Guilty | Out of My Depth

Nicht mein Fall
the Evil That Men Do


Hat was von
Foals
Life is Yours

Two Door Cinema Club
Gameshow


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