Freitag, 2. September 2022

Die Untoten, oder: Wie man so lange beschissene Musik macht, bis man richtig gut darin wird

Hollywood Undead - Hotel Kalifornia
HOLLYWOOD UNDEAD
Hotel Kalifornia
BMG
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ adoleszent | edgy | geschmacksverirrt ]
 
Es ist einem Teil von mir zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht ganz klar, was zum Teufel ich mich im Jahre unseres Herren 2022 dazu bewegt, eine Besprechung zum neuen Album von Hollywood Undead zu schreiben. Einer der vielleicht uncoolsten Bands auf der Oberfläche dieses Planeten, die wie kaum eine andere für die grausamen Spätfolgen des New Metal-Hypes Ende der Neunziger steht und in meiner Wahrnehmung nie als etwas anderes existiert hat denn als absolute Lachnummer. Schon 2008, als ihr offizielles Debütalbum erschien, waren sie eigentlich etliche Jahre zu spät für die Art von Musik, die sie spielten und auch wenn sie ihren furchtbaren Gen-X-Edgelord-Raprock ziemlich schnell mit modernen Nuancen aus Emo und Metalcore garnierten, machte sie das noch lange nicht zu einer Band, die zeitgemäß, geschweige denn cool, war. Von den dämlichen Masken, die selbst eine Karnevalstruppe wie Slipknot (zumindest zur damaligen Zeit) wie mysteriöse Kunstfiguren aussahen ließen, mal ganz zu schweigen. Und nachdem ich damals ein paar Singles von ihnen gehört hatte, war ich selbst im zarten Alter von 12 Jahren mehr oder weniger überzeugt davon, dass diese Gurkentruppe es wohl nicht lange machen würde. Genau an diesem Punkt hätte aber ich falscher nicht liegen können. Denn über eine Dekade später gibt es Hollywood Undead immer noch, die noch immer die gleiche grimmige Mall-Metal-Nummer abziehen und dabei zwar wenigstens die Maskerade losgeworden sind, sich ansonsten aber totzdem behemen wie 16-jährige Anwaltssöhne, die vor ihren Kumpels einen auf asoziale Methheads machen, weil sie denken, dass das cool wäre. Was sie 2022, nach einem vollumfänglichen Revival von New Metal und Zwotausender-Emorock, in die seltsame Situation bringt, dass sie mittlerweile vom Zeitgeist eingeholt wurden und dadurch von gängigen Trends profitieren können, die ihr Sound plötzlich abbildet. Wobei das aber auch nicht bedeutet, dass ihr neuestes Album Hotel Kalifornia irgendein Recht hätte, so dermaßen unterhaltsam und eingängig zu sein. Allerdings auch nicht auf eine ernstzunehmende, inhaltlich und musikalisch gereifte Art, sondern definitiv im Sinne von absolutem Trash, der auf keinem Fall zu ernst genommen gehört. Was Hollywood Undead hier machen, würde ich eventuell als "So schlecht, dass es wieder gut ist" bezeichnen, wäre ich nicht an vielen Stellen tatsächlich angefixt von den songwriterischen Entscheidungen, die die Band hier trifft und die ich, wenn ich ganz ehrlich bin, auch als ziemlich genial bezeichnen muss. Denn nicht nur sind ausnahmslos alle Songs auf dieser LP verboten eingängig, nicht selten werden hier sogar echt kreative und vielseitige Wege gefunden, die Songs zu strukturieren. Ganz zu schweigen davon, dass sich hier immer noch Stilelemente wie Imagine-Dragons-Hooks, 2013er-EDM-Schikanen und sogar Dubstep-Drops getraut werden, die einfach verdammt mutig sind und am Ende nicht mal beschissen klingen. Dass all das am Ende auch noch ein kohärentes Gesamtwerk ergibt und Hollywood Undead bei aller Peinlichkeit nicht die grimmige Miene verlieren, ist dann schon ziemlich beeindruckend. Und das Ergebnis zum Schluss eine Platte, die den markerschütternden Refrain-Bombast eines Chester Bennington mit dem Emo-Pathos von 30 Seconds to Mars, der krampfigen Düsternis von KoRn und der rotzigen Edgyness von Eminem vereint. Was sicherlich keine Kombination ist, die für guten Geschmack und/oder einen verheißungsvollen moralischen Kompass für ein paar Typen Anfang Vierzig spricht. Spaß macht es aber trotzdem. Und zwar so sehr, dass ich mich schon gar nicht mehr wirklich dafür schämen will.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
CHAOS | World War Me | Ruin My Life | Hourglass | Go to War | Alone at the Top | Dangerous | Lion Eyes | Trap God | Reclaim | City of the Dead

Nicht mein Fall
Happy When I Die


Hat was von
Linkin Park
Meteora

Bring Me the Horizon
Amo


1000kilosonar bei last.fm  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen