Mittwoch, 28. September 2022

Volles Risiko

Megadeth - The Sick, the Dying… and the Dead!
MEGADETH
the Sick, the Dying...and the Dead!
UMe | AG Records
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ retro | rockig | politisch ]

Ich bin zu jung um eine Zeit zu kennen, in der Megadeth noch keine Band waren, die in der Welt des Metal von den meisten nur argwöhnisch belächelt wurde und deren Erbe für die Szene noch nicht von etlichen Jahren des mediokren und effektiv furchtbaren Outputs so verwässert wurde, dass darüber heute kaum noch jemand spricht. Und auch wenn ich prinzipiell weiß, dass viele Nerds da draußen noch immer auf ihre frühen Alben aus den Achtzigern schwören und sie als Teil der "Big Four" zu den wandelnden Legenden des Thrash Metal gehören sollten, fällt es mir als später geborener doch immer wieder schwer, das alles so richtig ernstzunehmen. Weshalb ich mich um eine Besprechung ihrer Musik bis dato auch immer gedrückt habe und nie so richtig wusste, was ich über sie eigentlich zu sagen hatte. Wobei es wenig half, dass die meisten ihrer jüngeren Platten (womit ich alles ab etwa Th1rt3en meine, von dem ich selbst auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mitbekam) einfach nur ziemlich öde waren. Dass ihr neuestes Album the Sick, the Dying...and the Dead! das erste von ihnen ist, bei dem darüber anders denke, ist also kein Zufall. Zumal es im vergleich zu seinen unmittelbaren Vorgängern auch eine kleine stilistische Wende vornimmt, die sich schon an seiner Aufmachung erkennen lässt. Sowohl das campige Artwork mit Bandmaskottchen Vic Rattlehead als auch der unnötig interpunktionsreiche Albumtitel erinnern wieder stark an die grundlegende Ästhetik der Frühphase von Megadeth und auch die Musik geht wenig überraschend ein bisschen dorthin zurück. Ein bisschen melodielastiger und stärker vom klassischen Heavy Metal und Punk beeinflusst und mit politischen Botschaften, die vielleicht ein bisschen simpel sind, dafür aber mit Nachdruck formuliert. Und obwohl die Band viele dieser Stilelemente auch auf ihren letzten Alben irgendwie einbrachte, finden sie hier doch erstmals (wieder) in einer Form statt, die effektiv als retro und back to the roots bezeichnet werden kenn. Wobei vor allem der Sound der Platte in meinen Augen wesentlich dafür verantwortlich ist, dass die Platte sehr achtzigerig klingt. Auf überraschend ansprechende Weise schaffen es Megadeth und ihr Team an Produzenten hier, einen Mix zu kreieren, der nicht komplett verdichtet und knüppelig klingt, sondern eher nach den etwas kärglicher gemischten frühen Gehversuchen des Thrash, dabei aber trotzdem an den entscheidenden Momenten ordentlich zieht. Vor allem die langen Stücke am Anfang wie Dogs of Chernobyl, Night Stalkers (mit Ice-T!) und der Titelsong machen dabei einen echt guten Eindruck, der mich bei dieser Band am Anfang definitiv positiv überrascht hat. Und obwohl the Sick mit insgesamt 62 Minuten Spielzeit auf dem Tacho am Ende auf jeden Fall seine Längen hat und Tracks wie Junkie, Psychopathy oder Mission to Mars auch zeigen, was einem Sound wie diesem bei schwächerem Songwriting (und vor allem schwächeren Texten) passieren kann, hat die Platte doch immer wieder Highlights, die mich ernsthaft beeindrucken. Viele Tricks und Kniffe, die in der Theorie nach kolossalem Quatsch klingen, funktionieren dabei wider Erwarten fantastisch und am Ende sind es gerade die riskanten Moves wie ein Feature von Sammy Hagar in This Planet's On Fire oder die kleine AC/DC-Hommage in Police Truck, die sich hier wirklich gelohnt haben. Sowas bei einer Band wie Megadeth festzustellen, die solche Eskapaden eigentlich nicht mehr nötig hätte und auch einfach nur ein stilistisch sicheres (aber wahrscheinlich auch ödes) Retro-Fernservice-Album hätte machen können, ist das schon etwas sehr erfüllendes und beweist mir mal wieder, dass man eben auch mal zehn Jahre Mist machen kann, wenn man das grundsätzliche Handwerk trotzdem noch beherrscht. Auch wenn ich ehrlich gesagt nicht glaube, dass die schlimmen Zeiten jetzt vorbei sind bei Megadeth. Denn wenn sie eines noch besser können als die Achtziger zurückholen, dann ist es, entsprechenden Cringe zu produzieren. Und wo der die letzte Dekade über herkam, muss definitiv noch eine ganze Menge mehr sein...

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
the Sick, the Dying...and the Dead! | Night Stalkers | Dogs of Chernobyl | Soldier On! | Célebutante | We'll Be Back | Police Truck | This Planet's On Fire (Burn in Hell)

Nicht mein Fall
Junkie | Psychopathy

Hat was von
Anthrax
Among the Living

Judas Priest
British Steel


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