Sonntag, 11. September 2022

Bloß nicht zu ernst nehmen

Muse - Will of the People
MUSE
Will of the People
Warner
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ campy | politisch | eingängig ]

Als in den letzten Wochen die einschlägigen Kritiken zu Will of the People das Licht der Öffentlichkeit erblickten und sich die meisten davon mit ziemlicher Überzahl als üble Verrisse herausstellten, war ich in erster Linie nicht wirklich verwundert darüber. Denn abgesehen davon, dass Muse bei der Presse eh noch nie wirklich beliebt waren und diese selbst ihre besten Momente bis heute argwöhnisch betrachtet, wäre es auch nicht das erste Mal, dass die Briten sich inhaltlich und musikalisch im Ton vergriffen hätten. Spätestens seit Platten wie the 2nd Law und Drones, die die einst gefeierte Rockband aus Teignmouth während der letzten zehn Jahre zu Recht in Verruf brachten, ist die Gefahr einer erneuten kreativen Vollkatastrophe im Hause Muse eine Befürchtung geworden, die viele Fans mit jedem neuen Album wittern. Und obwohl das letzte davon, Simulation Theory von 2018, für mich in dieser Hinsicht eigentlich ein deutliche Verbesserungen zeigte, macht eine Schwalbe eben auch noch keinen Sommer. Und nachdem die unmittelbare Reaktion auf Will of the People nun so eindeutig negativ war, glaubte ich schon wieder an das schlimmste. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich das Ding dann tatsächlich auch mal selber hörte und im Zuge dessen doch ein bisschen perplex - um nicht zu sagen enttäuscht - ob des Verhaltens meiner eigenen Zunft war. Denn obwohl es am Ende ja eh nur persönliche Meinungen sind, die durch sowas wiedergegeben werden und ich diese in keinster Weise anfechten will, möchte ich an dieser Stelle sehr zu bedenken geben, dass wir es bei einer Band wie dieser inzwischen dazugelernt haben sollten. Und vor allem eine Sache sollte man dabei unbedingt beherzigen: Auf keinen Fall darf man die Musik dieser Band zu ernst nehmen. Denn wenn man das tut, wird es definitiv schwierig, ihr irgendetwas positives abzugewinnen. Es brauchte vor vier Jahren auch für mich erst ein weiteres extrem käsiges und pseudo-sozialkritisches Album wie Simulation Theory, um festzustellen, dass es nicht die Botschaften und operatisch-technischen Hakenschläge sind, die mich an den Briten nach wie vor fasziniert, sondern der Schmalz und Camp, mit dem sie das alles aufbereiten. Und nimmt man diese Perspektive gegenüber Will of the People ein, dann ist eigentlich gar keine so schlechte Platte. Zumindest im Kontext des Katalogs der Band selbst. Soll heißen: wenn man sich mit den üblichen Parametern der klassischen Muse-Komposition (überkandidelte Prog-Gitarren, Queen-Kopismus, stampfende Mitklatsch-Interludes, Matthew Bellamys Operettenhaftigkeit) grundsätzlich anfreunden kann, dann findet man hier durchaus wieder einige echte Perlen. Der eröffnende Titeltrack ist ein fantastischer Paukenschlag für den optimalen Einstieg, Compliance beweist ein weiteres Mal ein Händchen für starke Synthpop-Motive, Liberation ist queenesker Broadway-Kitsch vom feinsten und Euphoria beweist, dass Muse immer noch dynamische Nackenbrecher-Hymnen wie in den Zwotausendern schreiben können. Und obwohl der Mittelteil der Platte mit Tracks wie Ghosts, Won't Stand Down und Verona auch viele nicht so packende Nummern enthält (ganz zu schweigen vom ziemlich verpeilten Closer We Are Fucking Fucked), ist das doch in keinem Moment effektiv schlimm. Denn wo die Briten auf der einen Seite vielleicht das schwächere Gesamtergebnis abliefern als vor vier Jahren, sind doch die besten Momente der LP so gut wie zuletzt auf Alben wie the Resistance oder sogar Black Holes & Revelations. Und was die ganze politische Schiene angeht, über die sich alle aufregen: Muse sind in ihren Botschaften hier so plump und generalisierend, dass das meiste davon gar nicht weiter auffällt und Vorwürfe über potenzielle Querdenker-Tendenzen ebenso an den Haaren herbeigezogen erscheinen wie Positionen zum Krieg in der Ukraine. Die meisten Songs hier könnte man ohne weiteres mit Stücken von the Resistance oder Drones austauschen und es würde inhaltlich nicht den geringsten Unterschied machen. Weshalb mein bester Rat an dieser Stelle ist, es einfach zu ignorieren. Denn wie gesagt: We Muse zu ernst nimmt, verliert. Und das gilt auf dieser LP wahrscheinlich sogar mehr denn je.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11


Persönliche Höhepunkte
Will of the People | Compliance | Liberation | Euphoria

Nicht mein Fall
We Are Fucking Fucked


Hat was von
Depeche Mode
Sounds of the Universe

U2
Pop


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