Samstag, 18. September 2021

Family Ties

Baby Keem - The Melodic BlueBABY KEEM
the Melodic Blue
pgLang
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ trocken | rotzig | ambitioniert ]

Dass the Melodic Blue die Hiphop-Landschaft während der gesamten letzten Woche so umfassend in Atem gehalten hat, zeigt in meinen Augen vor allem zwei Sachen sehr deutlich. Zum einen, wie gut in der Szene von heute ein Karriereeinstieg mit dem richtigen Vitamin B funktioniert, zum anderen, wie sehr die Leute da draußen Kendrick Lamar vermissen. Denn dass dieser für das hier vorliegende Debütalbum seines Cousins Baby Keem ordentlich seinen Einfluss hat spielen lassen, hatte jüngst nicht nur den erwünschten Effekt, dass selbiges Album bei vielen seiner Fans zu Gesprächsthema wurde, sondern teilweise sogar behandelt wurde wie der inoffizielle Nachfolger zu Damn. Was eine Verwechslung ist, die man in Bezug auf diese LP auf keinen Fall machen sollte. Denn obwohl Lamar hier diverse Features hat, nicht wenige Songs entscheidend mitprägt und die Platte über sein persönliches Imprint pgLang veröffentlicht, wäre ein Ergebnis wie dieses - wäre es tatsächlich sein Projekt - für viele Fans seiner Musik doch eher enttäuschend. Weil ein Baby Keem einfach kein Kendrick Lamar ist und auch überhaupt nicht sein will. Gegenüber dem lyrischen Brain und inhaltlichen Provokateur, der auch musikalisch gerne mal um die Ecke denkt, wirkt der kleine Cousin in erster Instanz ziemlich dillettantisch, uninspiriert und clownesk. Wobei in diesem Fall eigentlich nur der falsche Maßstab daran schuld ist, den man hieran ansetzt. Nimmt man the Melodic Blue für sich und sieht Baby Keem als den eigenständigen Künstler, der er definitiv sein kann, findet man durchaus jede Menge wertvolles Material auf dieser LP. Das ist klangästhetisch und performativ dann eher im Einflussbereich von Sachen wie Brockhampton, Injury Reserve, Denzel Curry oder Young Thug zu finden, was es aber keinen Deut schlechter macht. Im Gegenteil: Tracks wie das bretternde Trademark USA oder Pink Panties, das r'n'b-ige Issues, das trocken-trappige South Africa, das extrem fette Family Ties oder das klamaukige Range Brothers (mit Kendricks herrlichem 'top of the morining'-Part im zweiten Teil) sind Stücke, die diesem Rapper auf seinem ersten richtigen Outing jede Menge Charakter verpassen und mehr zeigen als bloß theoretisches Potenzial. Keem macht hier auf Anhieb ein sehr rundes und vielschichtiges Traprap- und Hiphop-Album, das auf jeden Fall das Zeug hat, auch nach dem momentanen Hype interessant zu bleiben. Ja, vielleicht ist es am Ende ein bisschen zu lang geworden und ja, der größte Lyriker der Welt ist dieser Typ echt nicht. Doch hatte ich nach einem Rollout wie diesem ehrlich gesagt erwartet, hier eine totale Nullnummer zu erleben, die nur aufgrund ihrer prominenten Verwandtschaft irgendwie Relevanz vermuten lässt. Wobei ich an dieser Stelle ganz eindeutig sagen muss: Melodic Blue wäre ein ebenso gutes Album, wenn die Person namens Kendrick Lamar niemals existiert hätte. Es hätte vielleicht nur niemand davon mitbekommen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Trademark USA | Pink Panties | Scapegoats | Range Brothers | Gorgeous | South Africa | Family Ties | Scars | Durag Activity | Booman | First Order of Business | Vent

Nicht mein Fall
-


Hat was von
IDK
USee4YourSelf

Brockhampton
Saturation II
 
 

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