Donnerstag, 16. September 2021

Mama und Papa Gec

Sleigh Bells - TexisSLEIGH BELLS
Texis
Mom + Pop
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ krachig | niedlich | rockig ]

Wenn man wie ich die Musik der Gruppe Sleigh Bells aus New York über die letzte Dekade hinweg mehr oder weniger völlig ignoriert hat und wie bei mir daran vor allem der Umstand schuld war, dass man Anfang der Zwotausendzehner einfach keinen richtigen Zugang zu ihrem Output fand und später einfach das Gefühl hatte, das wichtigste eh schon verpasst zu haben, dann ist 2021 vielleicht das perfekte Jahr, um das nachzuholen. Nicht nur deshalb, weil das Duo mit Texis gerade sein erstes Album seit inzwischen einem halben Jahrzehnt veröffentlicht hat, sondern viel eher deshalb, weil man mittlerweile sehr gut sehen kann, wie immens der Einfluss ihrer ersten Platten auf die heutige Musiklandschaft ist. Insbesondere wenn man sich aktuell Künstler*innen wie Poppy, Grimes, 100 Gecs, Black Dresses oder den kompletten Unterbauch der amerikanischen Hyperpop-Szenerie ansieht, kommt man nicht an der Feststellung vorbei, dass diese ohne das Zutun der Sleigh Bells wohl einigermaßen anders aussehen würde, beziehungsweise die Band ihrer Zeit einfach sehr weit voraus war. Was ihnen mit diesem Quasi-Comeback den ziemlich coolen Vorteil verschafft, 2021 ein für ihre Verhältnisse recht konservatives Album zu veröffentlichen und trotzdem als klangliche Visionäre gefeiert zu werden. Denn zumindest im Vergleich zu den sehr gewagten Platten und Songs, die die New Yorker vor ihrer ausgedehnten Pause machten, ist Texis definitiv eine etwas zahmere, zurückhaltendere und kompositorisch gehemmtere Version des Sounds der beiden. Die eingängigen Quietschpop-Elemente, die darauf zuletzt die größte Innovation waren, gibt es hier an vielen Stellen wieder, allerdings in weniger grätschig und leider auch weniger eingängig. Die rotzigen Noisepop-Versatzstücke indes sind relativ würdevoll gealtert und zwar immer noch gut gemacht, allerings auch etwas ahnbar. Vieles auf dieser LP klingt dadurch ein wenig wie Sleigh Bells nach Reißbrett, beziehungsweise wie Sleigh Bells ohne songwriterischen Fahrplan, der sie nach der langen Pause nochmal wirklich interessant macht. Und obwohl das in den wenigsten Momenten effektiv schlecht ist und ich die meisten Tracks hier sogar echt mag, wirkt es mitunter seltsam unspezifisch und wenig rund. Mir ist schon klar, dass die Idee von Catchiness durch Platten wie diese subversiert werden soll, doch muss ich auch sagen, dass die geistigen Kinder der New YorkerInnen das inzwischen um einiges interessanter hinkriegen. Wobei das letztendlich das faszinierendste an Texis ist: Hier eine Band zu erleben, die so viel Musik von heute inspiriert hat und jetzt plötzlich wieder parallel dazu stattfindet. Nicht gänzlich unbeeindruckt davon, aber auch nicht als Teil irgendeiner Bewegung. Und in diesem Sinne ist das hier dann trotzdem ein echt cooles Album, das nichts mehr beweisen muss und trotz mangelnder Innovationskraft die kreative Stärke hat, um die Fackel der Leidenschaft weiterzugeben. Weshalb ich am Ende irgendwie doch allen hier empfehlen kann, diese Band zu hören. Vor allem, wenn man jetzt noch damit anfangen will.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡08/11

Persönliche Höhepunkte
Locust Laced | Knowing | Tennessee Tips | Rosary | Red Flag Flies | True Seekers | Hummingbird Bomb

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Poppy
I Disagree

Anarchy99
Rockstar Super Heat


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