Montag, 6. September 2021

You Should Be Mad

Halsey - If I Can't Have Love, I Want PowerHALSEY
If I Can't Have Love, I Want Power
Capitol
2021

 
 
 
 
 
 
 
 
[ zornig | verletzt | dramatisch ]

Schlechte Laune hat Halsey im Herbst 2021 immer noch und das ist rein künstlerisch erstmal eine gute Nachricht. Denn rein künstlerisch ist es die gleiche schlechte Laune, die Halsey bereits im Herbst 2019 hatte, als sie an ihrer letzten LP Manic arbeitete. Dem Album, das - zumindest für mich - während der letzten Saison den entscheidenden Wendepunkt ihrer Karriere bedeutete. Es war das Passionsprojekt einer wütenden, kaputten und angepissten Künstlerin, die nach zwei reichlich irrelevanten Konsenspop-Platten während der späten Zwotausendzehner plötzlich die Schnauze voll hatte von allem um sie herum und hier mit ordentlich Galle gegen diesen Zustand aufbegehrte. Und wo Manic dabei theoretisch auch nur eines von vielen Konzeptprojekten war, die irgendwie mentale Gesundheit und den Ausbruch aus toxischen Verhältnissen beschrieben, war es praktisch eines der besten, die ich darunter bisher gehört habe. Und verkaufte mir die Künstlerin Halsey plötzlich als eine sehr kredibile und ernsthafte Songwriterin, an die ich echte Erwartungen hatte. Wobei auch ich ziemlich überrascht war, dass mit If I Can't Have Love, I Want Power jetzt so bald dessen offizieller Nachfolger erschienen ist. Klar ist im nicht-künstlerischen Leben der New Yorkerin seit Manic noch mal jede Menge passiert (hauptsächlich die Tatsache, dass sie Mutter geworden ist), auf die kreative Persönlichkeit Halsey hat sich das aber eher wenig ausgewirkt. Schon am Titel dieser LP kann man erahnen, dass sie noch immer nicht fertig damit ist, musikalische Krisenbewältigung zu vollziehen und im Zuge dessen ordentlich Seitenhiebe zu verteilen. Und auch klanglich fühlt sich das hier sehr wie die konsequente Fortsetzung zu Manic an. Vielleicht nicht in ganz so energisch, vielleicht nicht ganz so kreativ und definitiv ohne den Überraschungseffekt vom letzten Winter, aber trotzdem mit sehr unverbrauchter Attitüde und immerhin mit niemand geringerem als Trent Reznor als Produzent. Und Song-technisch kann sich das ganze auf jeden Fall mit der Qualität seines Vorgängers messen. Wo sich der theatrale Opener the Tradition vielleicht noch etwas pretenziös anfühlt und gewisse Fehler macht, deren konsequente Vermeidung Halsey vorher von vielen Kolleg*innen abhob, kriegt sich die Platte danach doch sehr schnell wieder ein und wird an nicht wenigen Stellen genauso echt stark. Girl is A Gun ist ein Robyn-mäßiger Breakbeat-Jam mit extrem starker Hook, 1121 und Darling sind großartige Balladen, in denen nochmal richtig in der Wunde von Manic gepult wird, Whispers hat etwas von einer feisteren (Debüt-)Billie Eilish und Tracks wie Honey oder You Asked for This zeigen, dass Halseys Rock-Ambitionen auf der letzten LP keinesfalls nur ein kurzer Flirt waren. Was hier am Ende fehlt sind vielleicht so große Wellenbrecher wie zuletzt ein 3AM oder You Should Be Sad, allerdings verstärkt sich bei mir auch das Gefühl, dass die New Yorkerin diese Art von Songs nicht mehr braucht, um ihre Platten als Gesamtwerke trotzdem stark genug zu machen. Und auch wenn If I Can't Have Love sicherlich kein Album ist, dass ich im Dezember in meinen Top 30 sehe, ist es doch das Album, das aus einem einmaligen Überraschungserfolg etwas nachhaltiges macht Und das ist in meinen Augen das eigentlich wertvolle daran.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡08/11

Persönliche Höhepunkte
Easier Than Lying | Girl is A Gun | You Asked for This | Darling | 1121 | Honey | Whispers | I Am Not A Woman, I'm A God

Nicht mein Fall
the Tradition


Hat was von
Demi Lovato
Dancing With the Devil...the Art of Starting Over
 
Thirty Seconds to Mars
Love Lust Faith + Dreams


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