Donnerstag, 9. September 2021

Mieses Mastering Killed the Samurai

Iron Maiden - Senjutsu IRON MAIDEN
Senjutsu
Parlophone
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ gniedelig | pathetisch | historistisch ]

Jetzt, wo wir es tatsächlich besser wissen, kann ich es ja auch mal sagen: The Book of Souls wäre vor sechs Jahren definitiv der bestmögliche Schwanengesang für Iron Maiden gewesen. Das erste Doppelalbum ihrer Karriere, noch dazu pünktlich zum vierzigjährigen Bandjubiläum, das es in Sachen Epochalfaktor, Kreativität und Wagemut tatsächlich nochmal schaffte, mich positiv von den Briten zu überraschen. Sicher, ein großartiges Album war das ganze bei alledem nicht und seit seinem Release im Herbst 2015 hat es mich sogar nochmal ein ganzes Stück verloren, doch auf eine Weise war es einfach ein Triumph, den man Iron Maiden nicht nehmen konnte und der nochmal ein Ausrufezeichen am Ende gewesen wäre. Und in diesem Sinne eben ganz anders als dieser ziemlich unnötige Nachfolger, der eine halbe Dekade später nochmal ein völlig neues Kapitel aufschlagen will und dabei als erste Amtshandlung das meiste von dem ruiniert, was the Book of Souls so würdevoll und cool machte. Auch Senjutsu, der inzwischen siebzehnte Longplayer der Metal-Schabracken aus London, ist ein Doppelalbum mit immerhin 81 Minuten auf dem Tacho und gerade Mal zwei Songs, die auf eine Spielzeit von unter fünf Minuten kommen. Was prinzipiell kein Problem ist, denn solche Bretter können Iron Maiden schon seit ihren Anfangstagen stemmen. Passend dazu wurde sich diesmal wieder dafür entschieden, diese hochgesteckten Ambitionen mit generell ziemlich campigem und theatralischem Prog-Gewurste zu kombinieren, was ja Auch das Elemente sind, die schon aus der Vergangenheit der Gruppe hinreichend bekannt sein sollten. Wobei das ganze hier an den meisten Punkten eben nicht mehr diesen coolen Schmand-Faktor hergibt, den kitschiger Achtziger-Heavy Metal (besonders der von Iron Maiden) im Optimalfall hat(te), sondern eigentlich nur die Parts beinhaltet, die daran anstrengend sind. Ellenlange Songs ohne kompositorische Zentren oder starke Hooks, uninspiriertes Riffing, dämliche Prog-Keyboards und ein Bruce Dickinson, der in operatischen Refrains historische Schlachtengemälde von Texten in den Äther klatscht, dabei aber ein eher mittelmäßiger Lyriker bleibt. Das alles wäre aber vielleicht noch gar nicht so schlimm, wenn die Platte nicht obendrein komplett grottig produziert wäre und so gut wie jedes Instrument furchtbar falsch gemischt klänge. Da sind die Drums viel zu pappig und zu weit hinten im Mix, die Gitarren durchweg zu trocken, der Bass zu weit vorne für seine eher wenig dominante Rolle im Songwriting und das Gesamtbild viel zu dünn und spröde für diese Art von Komposition. Kann ja sein, dass Iron Maiden hier traditionalistisch rangehen wollten und keinen drückenden Kurt Ballou-Sound brauchen, um sich klanglich zu verwirklichen, doch waren selbst manche ihrer Alben aus den Achtzigern fetter als das hier. Und so addieren sich hier in vielen Songs die schlechten Angewohnheiten so sehr auf, bis nicht mehr viel echte Qualität übrig bleibt. Im ersten Teil der Tragödie geht die Sache meistens noch glimpflich aus, weil es hier peppige Songs mit erträglicher Länge wie the Writing On the Wall oder Days of Future Past gibt, die mit einem gut geölten Bruce Dickinson und einem halbwegs geraden Riff noch die Kurve kriegen. Spätestens in Part Zwei wird Senjutsu aber immer öfter zur Geduldsprobe. Nur noch ein Song kommt hier auf eine Spielzeit von unter zehn Minuten und so gut wie keiner dieser Tracks hätte die Überlänge am Ende nötig gehabt. Wo Iron Maiden solche Nummern früher wenigstens mit ordentlich Pauken und Trompeten zubutterten (auf Book of Souls gab es sogar ein ganzes Orchester, das war geil!), ist hier alles viel zu Schwach auf der Brust, um dieses Gewicht zu tragen. Was generell vielleicht das größte Problem dieser LP ist. Zur Verteidigung der Sache muss ich zwar auch sagen, dass Senjutsu beim wiederholten Hören nicht mehr ganz so schlimm ist wie beim ersten Mal und mir sogar manche Stellen gefallen haben, über eine grundlegende Mittelmäßigkeit kommt die Platte aber über kurz oder lang nicht hinaus. Was eben vor allem deshalb schmerzhaft ist, weil man bei einer Band wie dieser immer ein bisschen mitdenkt, ob und wann da jetzt überhaupt nochmal was kommt. Und wäre das hier nun tatsächlich das letzte Signal von Iron Maiden, wäre das schon immens schade.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11

Persönliche Höhepunkte
Stratego | the Writing On the Wall | Days of Future Past

Nicht mein Fall
Senjutsu | Darkest Hour | the Parchment | Hell On Earth


Hat was von
Fatal Arrival
A Loner's Tale

Neal Morse
Sola Gratia


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