Montag, 20. September 2021

Alles Dembo

J Balvin - JoseJ BALVIN
Jose
Sueños Globales, LLC
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ chillig | vibe-intensiv | ausgiebig ]

Schon letztes Jahr war es im wesentlichen dem Input von J Balvin zu verdanken, dass aus meiner vorsichtigen Neugier gegenüber den neuesten Entwicklungen im Bereich des Reggeaton und lateinamerikanischen Hiphop, die man ja irgendwie haben musste, ein ernsthaftes Interesse wurde. Ganz einfach deshalb, weil sein im vergangenen Frühjahr veröffentlichtes (Mini-)Album Colores exakt der Einstieg war, den ich in diese Stilrichtung brauchte. Die zehn Tracks in 28 Minuten, die der Kolumbianer hier versammelte, waren eine angenehm knapp gehaltene Kostprobe seiner ästhetischen Palette, die in allen Elementen das Maximum an Eingängigkeit, Coolness und Vibe herausfilterte, zu dem dieser Typ fähig war. Und obwohl das allen an sich ziemlich nice war, war es eben auch nur ein Tastemaker, der vor allem eines machte: Ziemlich Bock auf mehr. Ein Mehr, das Jose nach knapp anderthalb Jahren definitiv geworden ist. Mit dem dreifachen der Länge von Colores auf dem Tacho, insgesamt 24 Tracks, Features von internationalen Schwergewichten wie Skrillex, Dua Lipa oder Khalid (aber auch vieler Größen aus dem Latinpop-Bereich) und der Quasi-Selbstbetitelung der LP ist das hier absolut keine Kleinigkeit und mit all seiner Art und Weise ein Projekt, das sich seiner Größe auch bewusst ist. Eine Sache, mich im Vorfeld durchaus nicht nur positiv stimmte, sondern tatsächlich auch ein bisschen besorgt. Denn es ist eine Sache, dass Balvins Rezept der letzten Jahre auf zahlreichen eher kurzen und lockeren Mixtape-Formaten so gut funktionierte, doch nochmal eine völlig andere, wenn er hier plötzlich Drake sein will. Platten von diesem Format kann weiß Gott nicht jede*r und wenn ich ehrlich bin, hatte ich diesen Typen nicht unbedingt als jemanden gesehen, dem solche großen Statements besonders gut stehen. Doch hatte ich damit mal wieder mächtig Unrecht: Jose ist ein durch und durch gelungenes, erstaunlich kohärentes und extrem stimmiges Stück Musik, das mich nochmal extrem vom Talent des Kolumbianers überzeugt hat. Wobei der Vergleich mit Drake tatsächlich kein unbewusster ist, sondern ein sehr naheliegender. Denn genauso wie er es in den letzten Jahren schaffte, auf seinen Platten eine sehr chillige Form von Poprap-Streamrolling mit viel Understatement und Vibe zu kultivieren, das auch gerne mal über 90 Minuten oder mehr tragen kann, findet auch Balvin hier einen sehr entschlackten und subtilen Sound, der herrlich plätschert und auch auf halber Flamme durchweg überzeugend ist. Pumpende Banger wie In Da Getto oder Perra gibt es hier eher wenige, dafür viele sommerlich-relaxte Pop-Nummern mit prominentem Dembo-Backbeat, die auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen monoton wirken, aber eben genau jenen fantastischen Flow ausmachen, der bei solchen Projekten elementar ist. Jose ist die Playlist für eine Poolparty am Nachmittag, bei der noch nicht alle im Vollrausch die Korken knallen lassen, sondern Cocktails noch mit Sekt gemixt werden und vielleicht ein mild gestopfter Blunt die Runde macht. Durchaus proaktiv und auch ein bisschen badass, dabei aber in jedem Moment tiefentspannt und sonnig. Von einem tatsächlichen Opus Magnum hat das ganze dann am Ende wenig, eher von einer sehr umfangreichen Werkschau, was aber auch völlig okay ist. Denn dem Naturell von J Balvin würde ein narrativ aufwändiges oder gar experimentelles Album ohnehin nicht stehen und das Potenzial sich daran zu verheben, wäre gefährlich groß. Da ist er mir so viel lieber: Nicht unbedingt weltbewegend, aber ein verlässlicher Lieferant guter und entspannter Vibes. Und als solchen will ich ihn so schnell auch nicht verlieren. Immerhin macht er damit hier eine der sicherlich besten Pop-Platten der laufenden Saison. Und das nicht zum ersten Mal.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Una Nota | Te Acuerdas De Mí | In Da Getto | Billetes de 100 | La Venganza | Vestido | Pa' Guayarte | Perra | 7 De Mayo | Querido Rio | Qué Más Pues? | Otro Fili | Otra Noche Sin Ti

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Drake
Views

Bad Bunny
Las Que No Iban A Salir
 
 

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