Samstag, 17. Dezember 2016

Graduation Day

INJURY RESERVE
Floss

selbstveröffentlicht / 2016















Wenn das HipHop-Jahr 2016 eines war, dann das Jahr, als Traprap aus den USA langweilig wurde. Während vor allem in Europa der Hype erst in den letzten zwölf Monaten so richtig krass losging und überall Szene-Ableger aus dem Boden schossen, war das Mutterland der Bewegung mal wieder ein Stück weiter. Ich persönlich hatte zumindest mehr besonders viel übrig für die neuesten Emissionen von Lil Yachty, Future, Young Thug und Migos, was ich auch nicht gerade selten betonte. Stattdessen gab es zuletzt auffällig viele talentierte MCs, die sich wieder mit klassischem Jazz-Rap und Boombap beschäftigten und dabei sehr beeindruckten. Gerade Newcomer wie Joey Purp oder die Beta Boys setzten sich wieder immens mit klassischem Sampling und alten Soul-Konserven auseinander und der aufmerksame Beobachter weiß, dass diese Tendenzen nicht von ungefähr kamen. Denn bereits im letzten Jahr hatte ein Junge Crew aus Arizona diesen Stein mit einigem Lärm ins Rollen gebracht. Das selbstveröffentlichte Mixtape Live at the Dentist Office von Injury Reserve war einer der heißesten Geheimtipps 2015 und die Kunde von den drei Rabauken Steppa J. Groggs, Ritchie With A T und Parker Corey machte spätestens in dieser Saison in der Szene die Runde. Das tolle an ihnen war neben ihrer Underdog-Attitüde und ihrem Hit-Potenzial die Tatsache, dass Boombap-Sound für sie nicht zwingend hieß, dass das ganze nach den Neunzigern klingen musste, sondern ebenso modern war wie die Sachen von Drake oder DJ Khaled. Und jetzt, wo das alte Jahr fast schon zu Ende ist, legen Injury Reserve auch selbst endlich mit neuem Material nach. Bereits im Sommer war die Singe Oh Shit erschienen, die in gewohnter Weise überzeugte und dabei natürlich ein Riesenhit war und ein weing später das nicht weniger eingängige All This Money, die beide große Hoffnungen auf den kommenden Longplayer machten. Und dieser hält nun tatsächlich die allermeisten seiner Versprechen und ist eine starke Fortsetzung der auf Live at the Dentist Office etablierten Ästhetik. Dass der Sound von Injury Reserve inzwischen angekommen ist, beweisen die beiden Features hier, die von niemand geringerem als Cakes Da Killa und Vic Mensa stammen und nebenbei bemerkt beide fantastisch sind. Der stärkste Part hier sind jedoch nach wie vor die beiden Stamm-MCs der Band, die auch diesmal mit großartigen Bars nur so um sich werfen ("We look like rap Weezer") und natürlich Produzent Corey, der ein weiteres Mal dadurch verblüfft, aus was für abgefucktem Scheiß er hier die besten Hooks der Welt bastelt. Dabei schaffen es die Songs wiederum, mich zu überraschen. Momente wie das mit fünf Tonnen Autotune angereicherte Outro von Oh Shit, das finstere und holprige Instrumental von What's Goodie, die teilweise komplett kauderwelschen Lyrics von Eeny Meeny Miney Moe oder die epische Ballade Keep On Slippin sind die Gründe, warum diese Band gerade solche Wellen schlägt und auch dafür, dass sie in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch größer wird. Denn obwohl Floss nicht ganz an die Qualität und vor allem den Überaschungseffekt seines Vorgängers herankommt, ist es charismatisch genug, um die Zahl der Fans noch einmal zu verdoppeln. Und wenn jetzt schon Vergleiche mit dem frühen Kanye West oder Chance the Rapper gemacht werden, dann stehen wir hier erst am Anfang dieser Geschichte. Verdient hätten es Injury Reserve auf jeden Fall.
9/11

Beste Songs: Oh Shit / Bad Boys 3 / All This Money / S On Ya Chest / What's Goodie / Eeny Meeny Miney Moe / Keep On Slippin / Look Mama I Did It

Nicht mein Fall: Back Then

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