Donnerstag, 8. Dezember 2016

Das ist tragisch, aber so ist das Leben

PETER DOHERTY
Hamburg Demonstrations


BMG / 2016















Ich muss zugeben, ich war in den letzten Jahren ziemlich unfair zu Pete Doherty. Das letzte Libertines-Album bekam von mir einen üblen Verriss verpasst und über die Babyshambles wollte ich einige Monate vorher gar nicht erst schreiben. Es stimmt auch, dass die Musik des kaputten Briten alles andere als Zeitgemäß ist und man das als Mensch meines Alters mittlerweile laut sagen kann, doch dass Doherty im Allgemeinen und überhaupt kein schlechter Songwriter ist, ist noch immer eine unbestechliche Wahrheit. Und zum Glück ist Hamburg Demonstrations endlich mal wieder eine Platte, auf der man das auch hört. Das ist hier aus dem einfachen Grund so, weil es in den elf neuen Songs um nichts anderes geht als um den Künstler selbst. Damit ist aber auch nicht der kaputte Londoner Rowdy mit der weltberühmten Alkoholsucht gemeint, den man immer gerne in ihm sieht, sondern der große europäische Bohemien, der sich dahinter verbirgt. Diese Seite von Pete Doherty war sowieso schon immer die coolere und sie hat den Vorteil, dass man mit ihr schöne Geschichten erzählen kann, die dann zum Inhalt eines solchen Albums werden können. Da gibt es natürlich diverse Frauen- und Feiergeschichten, aber auch sehr existenzielle und melancholische Lebensbeobachtungen, von denen nur jemand, der so gelebt hat wie er, wirklich etwas versteht. Beeindruckendster Titel ist in dieser Hinsicht sicherlich Flags of the Old Regime, ein bitterer Nachruf auf Dohertys Freundin Amy Winehouse, der wenige Tage nach deren Tod verfasst wurde. Und ähnlich wie dieses eindrucksvolle Beispiel zeigen viele Songs hier eben nicht die Momente, in denen man an der Spitze steht, sondern die, die einen knallhart auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Trotzdem schafft es der Künstler, daraus zutiefst romantische Erzählungen zu spinnen, die mich stellenweise an die rustikale Bildhaftigkeit eines Leonard Cohen oder den kaputten Kitsch von Shane McGowan erinnern. Man könnte durchaus sagen, dass Hamburg Demonstrations Pete Dohertys bisher finsterste Platte ist, wenn sie denn wirklich finster wäre. Am Ende des Tages ist der größte Selling Point des ganzen noch immer der swingige Gossen-Chic der Tracks und die Fähigkeit des Künstlers, Rock'n'Roll in seinen ganzen Facetten zu verstehen wie wenige andere im Moment. Und natürlich ist das verdammt nochmal oldschool, aber man will das irgendwie auch. Weil es eben nicht gestellt ist.
9/11

Beste Songs: Kolly Kibber / Hell to Pay at the Gates of Heaven / Flags of the Old Regime / I Don't Love Anyone (But You're Not Anyone) / Oily Boker / the Whole World is Our Playground / She is Far

Nicht mein Fall: Down for the Outing

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