Sonntag, 11. Dezember 2016

Nachgefärbt

THE COLORIST & EMÍLIANA TORRINI
the Colorist & Emíliana Torrini

Rough Trade / 2016













Dass ich erst jetzt von der großartigen Arbeit des belgischen Kollaborations-Duos the Colorist erfahre, ist eigentlich eine Schmach, denn schon eine ganze Weile sind die beiden Musiker Aarich Jespers und Kobe Proesman unter diesem Namen und mit einem äußerst spannenden Konzept aktiv, das mich in den letzten Tagen unglaublich begeistert hat. Statt eigenes Material zu schreiben, haben sich die beiden Produzenten, wahlweise auch mit diversen Gastmusikern, komplett darauf spezialisiert, die Songs Anderer auf ihre Art und Weise aufzuarbeiten, daraus neue Eindrücke zu generieren und diese dann konzertant aufzuführen. In der Vergangenheit sind so bereits zwei erfolgreiche Tourneen mit Sumie Nagano und Cibelle entstanden, die ich euch hier ebenfalls wärmstens ans Herz legen will, doch dieses Jahr haben die beiden ihr bisher größtes Ding gedreht. Mit der isländischen Sängerin und Songwriterin Emílana Torrini ist ihnen nicht nur eine Künstlerin ins Netz gegangen, die wahnsinnig gut zur Ästhetik von the Colorist passt, sondern auch eine, die den meisten Leuten ziemlich bekannt ist. Platten wie the Fisherman's Wife oder Me & Armini sind seit langem schon keine Geheimtipps mehr und ich persönlich zähle sie zu einer meiner Lieblingsmusikerinnen. Und so habe ich es letztendlich ihr zu verdanken, auf diese LP gestoßen zu sein. Das selbstbetitelte Album der beiden ist im eigentlichen nichts weiter als Konzertmitschnitte von neun Songs, die während der gemeinsamen Tour gespielt wurden, doch als als solche sind diese überaus erlesen. Nicht nur ist die Qualität des Spiels und des Klangs dieser Live-Aufnahmen absolut brilliant (würde man nicht gelegentlich den Applaus des Publikums hören, würde man denken, es wäre Studiomaterial), sondern auch die Art des Songwritings spricht für sich. Viele bereits bekannte Stücke der letzten Alben von Torrini, vor allem der letzten beiden Me & Armini und Tookah, werden von Jespers und Proesman komplett auf den Kopf gestellt und in einen völlig neuen Kontext gestellt. Das im Original dicke, elektronische Speed of Dark wird hier zur orchestralen Ballade, das rockige Gun zum finsteren, fast neo-klassischen Klangexperiment und der hedonistische Chartbreaker Jungle Drum zum unterkühlten Jazz-Monster. Mit When We Dance ist zudem ein ziemlich guter neuer Track dabei. Für Kenner und Liebhaber der Musik von Torrini ist das eine unglaublich spannende Erfahrung, für die man the Colorist dankbar sein muss. Allerdings muss man auch sagen, dass viele der Songs auch vor allem dadurch interessant werden und jemand, der sich mit dem Material der Isländerin weniger auskennt, sicher nicht so viel Spaß daran hat. Denn losgelöst von allen möglichen Vergleichen ist das ganze zugegeben doch ein bisschen zahm und leicht verdaulich aufgebaut, sodass eher weichgespülte Feuilleton-Radiohörer daran gefallen finden könnten. Da diese Platte in meinen Augen jedoch auch nichts weiter sein soll als ein Exkurs für sowieso-schon-Fans von Emíliana Torrini, trifft sie mit ihrer Ausrichtung direkt ins Schwarze und tröstet auch ein wenig darüber hinweg, dass es von ihr schon wieder kein neues Material gibt.
8/11

Beste Songs: Caterpillar / When We Dance / Nightfall / Jungle Drum / Gun / Bleeder

Nicht mein Fall: Serenade / Today Has Been OK

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