Mittwoch, 21. Dezember 2016

Songs für die Ewigkeit: Macht kaputt, was euch kaputt macht! (Aber bitte leise)

REFUSED
the Apollo Programme Was A Hoax
vom Album the Shape of Punk to Come
Burning Heart / 1998















Wenn es nach mir geht, dann ist the Shape of Punk to Come der Schweden Refused vielleicht das intelligenteste Hardcore-Album in der Geschichte des Genres. Und das vor allem aus dem Grund, weil es gar nicht unbedingt ein Hardcore-Album sein will. Die Geschichten hinter den Songs und der Band sind heutzutage weitreichend bekannt und ich kann nur jedem, der sie nicht kennt und der Interesse an den Stories hinter großen Platten hat, empfehlen, sich dazu zu belesen. Denn the Shape of Punk to Come und die Ideen dahinter sind in meinen Augen eines der interessantesten popmusikalischen Studienobjekte der Neunziger. Man braucht dieses Wissen jedoch nicht, um die Faszination eines Tracks wie the Apollo Programme Was A Hoax zu erklären. Als Closer der LP ist er selbst nach den zahlreichen zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten klanglichen Überraschungen ein absoluter Stilbruch und dezenter Anti-Schock für jeden Konsumenten. Als ich ihn zum ersten Mal hörte, rechnete ich jeden Moment damit, dass irgendwann doch noch die dicke Breakdown kommen würde, David Sandströms Schlagzeig losbretterte und Dennis Lyxzén wie üblich wutentbrannt loskeifte, doch da war seltsamerweise überhaupt nichts dergleichen. Etwas mehr als vier Minuten spielen die Hardcore-Epigonen Refused hier eine akustische Ballade mit gesungenen Vocals, dezenter jazziger Kontrabass- und Harmonika-Begleitung und einem entrückt quietschenden Stuhl, den man im Hintergrund der Aufnahme hört. Die Qualität des Cuts ist dabei charmant beschissen (siehe Stuhl), Lyxzén ist ein mäßig guter Sänger und es entsteht ganz plötzlich eine sehr heimelige Atmosphäre auf dem bisher ja doch sehr ruppigen Album. Den meisten Künstlern hätte dieses kleine Bonbon nun an Cleverness und Experimentierfreude schon gereicht und an dem Konzept, als letzten Song der Platte etwas ruhiges zu schreiben, ist selbst in Punk- und Metal-Kreisen Ende der Neunziger nichts ungewöhnliches. Doch wie immer bei einem Refused-Song wird die wahre Eleganz dieses Moves erst durch einen Blick aufs Textblatt offenbart. Anhand der klanglichen Ästhetik und im Kontext der stark politisierten Thematik auf the Shape of Punk to Come hätte man hier vielleicht ein Stück erwartet, dass nach all den schwarzmalerischen und bitterbösen Inhalten bisher doch Hoffnung macht, dass alles irgendwann gut wird. Dass die Menschen der Erde sich schließlich vertragen, das Leid in der Welt abgeschafft wird und alle einsehen, dass die Antwort doch Liebe heißt. Eine Art Redemption Song für die Generation X sozusagen. Aber am Arsch. Nicht mit jemandem wie Dennis Lyxzén, der tatsächlich noch an die Revolution glaubt. "sabotage will set us free / throw a rock in the machine" wiederholt er hier immer wieder. Und auch so Sachen wie "there is no prestige in your title / we are after your head" oder "empires rise and empires fall". Das klingt sehr wenig versöhnlich und ist in meinen Augen auch wirklich einer der giftigsten Texte des ganzen Albums. Und dies wirkt dadurch noch doppelt, dass er diese Zeilen so bittersüß über eine schnulzig-balladeske Melodie säuselt. Wäre das hier musikalisch ein Punk-Song, wäre seine Wirkung nur halb so eindrücklich wie in diesem Kontext und durch seine ganze Art und Weise trifft er den Hörer noch zehnmal härter. Die Message: Wenn wir wollen, dass die Welt eine bessere wird, müssen wir die alte erstmal kaputt machen. So etwas fieses als Schlussatz eines hochgradig politischen Werks zu setzen, ist nicht gerade ohne. Und es macht the Apollo Programme Was A Hoax nicht zuletzt zu einem der besten Gegen-das-System-Songs, die ich kenne. Wenn nicht gar zum besten. Das Unterscheidet Refused letztendlich aber auch von den vielen anderen Bands so maßgeblich: Sie machen zwar politische Musik mit einer unglaublich starken Botschaft, diese Botschaft ist aber nicht der Zweck der ganzen Sache, sondern darauf muss dann auch ein ebenso reizvoller musikalischer Gedanke folgen. Und so stark ausgeprägt wie hier habe ich das noch bei keinem Bob Dylan, Johnny Rotten oder Zach de la Rocha erlebt. Das hier sind große Messages und große Kunst. Meiner Meinung nach einer der besten politischen Tracks, die je gemacht wurden.

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