Freitag, 9. Dezember 2016

Vorwärtsscheitern

J. COLE
4 Your Eyez Only


Interscope / 2016















Immer, wenn man denkt, dem bisherigen musikalischen Jahr gäbe es nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen, kommt J. Cole mit einem neuen Album und ändert unsere Meinung nochmal gehörig. So war es vor gut zwei Jahren mit seinem dritten Longplayer 2014 Forest Hills Drive, das den in Deutschland geborenen Produzenten und Rapper für mich erst so richtig interessant machte und zum Bersten voll war mit biografischen und emotionalen Soul-Lyrics und fetten Rap-Bars. Und als letzte Woche aus dem nichts seine neue Single False Prophets erschien, sah es erstmal so aus, als würde es diesmal ganz ähnlich werden. Der eigentlich als Diss (vermutlich gegen seinen ewigen Erzrivalen Kanye West) konzipierte Song fiel vor allem durch seine selbstreflexiven Parts auf und war erfrischend ehrlich für einen so etablierten Künstler wie Cole. Auf jeden Fall machte er Freude auf das da kommende neue Album des Rappers. Doch nun, da es erschienen ist, muss man erstmal ein paar ziemliche stilistische Breitseiten hinnehmen. Zunächst einmal findet man False Prophets in der Tracklist plötzlich nicht mehr und stattdessen gibt es ein paar ziemlich eigenartige Cuts hier. Gleich der Opener For Whom the Bell Tolls hat ein eigenartig postrockiges Instrumental, das mal so gar nicht zum ganzen Rest der Nummer passt und auch einen ziemlich schwachen Einstieg hinlegt. Es ist an sich löblich, dass sich J. Cole hier in Sachen Beats nicht auf althergebrachte Rezepte verlässt und es sorgt definitiv dafür, dass er nicht mehr wie der nächste Frank Ocean oder Chance the Rapper klingt, doch spannend klingt das ganze auch nicht. Um einen Song zu hören, der nicht total midtempo und deshalb langweilig ist, muss man bis zum sechsten Track Change warten. Danach wird es etwas beschwingter, aber wirklich aufregend eigentlich nie. Und da habe ich von den furchtbaren Lyrics noch gar nichts erzählt. Ich mochte J. Cole eigentlich immer dafür, dass er in seinen Texten sehr schön casual sein konnte und nicht immer auf die Kacke hauen musste, um clevere Zeilen zu haben. Leider mündet dies auf 4 Your Eyez Only teilweise in Song-Themen, über die niemand jemals Songs hören wollte. Besonders Change oder Foldin Clothes sind in dieser Hinsicht einfach nur peinlich und haben nichts mehr von der nonchalanten Angriffslustigkeit auf False Prophets. Zwar gibt es auch positive Momente wie den tatsächlich ziemlich fantastischen Titeltrack als Closer oder das zweiteilige She's Mine, doch diese Eindrücke sind hier definitiv in der Unterzahl. Alles in allem ist das hier ein überraschend ziel- und zusammenhangloses Projekt, das nichts von der Schärfe und Eingänigkeit der letzten Platten von Cole hat. Das ist irgendwo schon schade, andererseits muss ich dieses Jahr nicht wieder seinetwegen meine komplette Jahresbestenliste auf den Kopf stellen. Höchstens die mit den größten Enttäuschungen.
6/11

Beste Songs: Immortal / She's Mine Pt. 1 / Changes / Neighbors / She's Mine Pt. 2 / 4 Your Eyez Only

Nicht mein Fall: For Whom the Bell Tolls / Déjà Vu

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