Montag, 26. Dezember 2016

Die besten Sachen 2016: Die 25 besten Songs


Mit der ersten wirklich großen Liste in diesem Jahr bin ich überraschend früh dran und das obwohl sie mich bis zum Schluss reichlich Zeit und Hirnschmalz gekostet hat. Aus meinem ursprünglichen Plan, euch meine zwanzig Lieblingstracks von 2016 vorzustellen, ist mal wieder nichts geworden (es sind jetzt 25), dafür bin ich mit dem Ergebnis auch echt zufrieden. Wie bisher ist es auch diesmal so, dass ich für die Songs kein explizites Ranking aufstellen wollte und deshalb alle gleichwertig hier aufliste. Denn wenn diese Picks eine tatsächliche Gemeinsamkeit haben, dann dass ich sie alle für sehr empfehlenswert erachte.

BEGINNER FEAT. GZUZ & GENTLEMAN
Ahnma

aus dem Album Advanced Chemistry









Einige werden mich wohl gleich für diesen ersten Pick hassen und auch ich war im Frühjahr, als Ahnma als erste Single des Beginner-Comebacks erschien, eher weniger euphorisch. Allerdings hat sich der Song über den Lauf des Jahres zu einem Dauerplayer bei mir gemausert und Hauptgrund dafür war am Ende gerade die von mir zunächst geschmähte ungewöhnliche Konstellation der drei Feature-Parteien. Genauso stark ist allerdings auch Mads unglaublich starker Beat, die wahnsinnig souveränen Bars von Eisfeldt und Denyo sowie die mittlerweile bereits ikonische Fast-Hook von Gzuz. Es ist ein bisschen schade, dass das neue Album dann nicht ganz so derbe war, aber mir reicht dieser Track als Comeback eigentlich vollkommen aus.

ANGEL OLSEN
Shut Up Kiss Me

aus dem Album My Woman









Als Angel Olsen im Sommer diesen Jahres Shut Up Kiss Me veröffentlichte, war ich fast sicher, dass ihre neue Platte richtig gut werden würde. Ihr bisher schon lobenswertes Gespür für gute Rocksongs fand hier ihren bisherigen Höhepunkt, ihre Lyrics waren knalliger als je zuvor, die Produktion hörte sich gleichermaßen nach Phil Spectors High-Class-Studio und Kim Deals Garage an und nebenbei gab es sogar noch ein richtig schickes Video mit Rollschuhen und Pailetten-Perücke. Kurzum: Vielleicht der beste Song, den Angel Olsen bisher überhaupt jemals gemacht hatte. Das Album war dann leider ein richtiger Reinfall und für mich eine der größten Enttäuschungen des Jahres. Ja nun. Aber Shut Up Kiss Me blieb als Ohrwurm trotzdem noch über Monate haften und es wäre einfach falsch, es hier nicht zu nennen. Denn es ist unter Umständen der coolste Rocksong des Jahres.

LUKE TEMPLE
Maryanne Was Quiet
aus dem Album A Hand Through the Cellar Door









Ich glaube, niemand hat 2016 erwartet, dass ausgerechnet Luke Temple so ein fantastisches Album wie A Hand Through the Cellar Door veröffentlichen würde und vielen wäre das auch gar nicht weiter aufgefallen, hätte es die Single Maryanne Was Quiet nicht gegeben. Mit einer Länge von knapp über sechs Minuten ist es das unangefochtene Kernstück des Albums und auch inhaltlich ein echter Brocken: Temple erzählt hier wahnsinnig detailliert die mysteriöse Geschichte der Adoptivtochter seiner Großeltern, die mit ihren Mitmenschen aneckt und durch einen missglückten Selbstmordversuch zu sich findet. Es ist Song wie ein Theaterstück, den Temple mit einer Professionalität inszeniert, die man von ihm vorher nie erwartet hätte. Ein Track, wie man ihn eigentlich von einem Mark Kozelek erwartet hätte, wobei der schon seit Jahren nicht mehr so ein gelungenes Stück fabriziert hat.

KENDRICK LAMAR
Untitled 02 06.23.2014

aus dem Album Untitled Unmastered.









Ich habe dieses Jahr gerne dafür genutzt, die Welten des Boombap und des Trap künstlich gegeneinander aufzustacheln, doch wieder einmal hat es nur einen Song von Kendrick Lamar gebraucht, um mich eines besseren zu belehren. Der zweite unbetitelte Track seines großartigen Outtake-Albums Untitled Unmastered. ist die bisher vielleicht beste Symbiose der beiden Stile, die ich überhaupt je gehört habe und zeigt, dass es nicht zwangsläufig ein Kampf sein muss. Und wo die Musik die Vereinigung zelebriert, bringt Lamar textlich das Gegenteil zum Ausdruck: Nicht nur gelingt es ihm hier in einer bereits 2014 verfassten Strophe den Erfolg seines Referenzwerks To Pimp A Butterfly zu prophezeihen, er beschreibt auch unglaublich eindrücklich seinen Zwiespalt zwischen seiner Homezone im Compton und seinem Image als vielleicht größter Rapper dieses Jahrzehnts. Dabei ist es fast schon schockierend, wie genau sich in den letzten beiden Jahren genau das abgezeichnet hat, was er hier beschreibt. Damals war er die Zukunft des HipHop, mittlerweile ist er die Gegenwart. Kaum einer seiner Tracks verdeutlicht das mehr als dieser.

MITSKI
Happy

aus dem Album Puberty 2









Mitski Miyawaki ist eine dieser Künstler_innen, bei denen man erstaunt ist, wie abgefahren die Bestandteile ihrer Songs sind und wie simpel letztendlich doch das Resultat aussieht. Ein wunderbares Beispiel ist in dieser Hinsicht Happy, der Opener ihres neuen Albums Puberty 2. Die billige Drum-Machine zu Anfang lässt einen schon das schlimmste befürchten und die surreale Geschichte über den Jungen namens Happy ist zwar poetisch, aber denkbar schräg. Trotzdem schafft es Mitski irgendwie, die schrullige Nummer zu einem kleinen Hit zu machen, der überhaupt nichts von selbstüberschätztem Kunstkram hat, sondern eher eine überaus sympathische Garagen-Songwriter-Ästhetik. Und das, obwohl hier auch das mit Sicherheit schrägste Saxofonsolo des Jahres zu hören ist und ein seltsamer Handclap-Beat einen immer wieder abzulenken versucht. Man könnte das Inkonsequenz nennen, doch ich sehe es als Indiz dafür, dass die junge New Yorkerin eine der interessantesten experimentellen Künstler der nächsten Jahre ist. Dieser Song ist das Pfand dafür.

CLIPPING.
Wriggle

von der EP Wriggle









Es sagt viel über meinen Geschmack aus, dass ich die brutale und versaute Wriggle-EP dieses Jahr dem gesellschaftskritschen und klanglich revolutionären Clipping-Longplayer Splendor & Misery vorzog, doch wer den Titeltrack von ersterer einmal gehört hat, braucht eigentlich keine Argumente mehr, warum dies so ist. Der Song gehört definitiv zu den fettesten Bangern, die die Kalifornier jemals geschrieben haben und überzeugt zusätzlich mit einer hammermäßigen Hook und einer selten gehörten Parade des Highspeed-Flows von Frontmann Daveed Diggs. Gleichzeitig ist es aber auch ein dermaßen abgefuckter und geisteskranker Track, der so tief in den dunklen Seiten der menschlichen Psyche schürft, dass er dieses Jahr sogar Death Grips wie eine seichte Emorock-Band aussehen ließ. Am Ende des Tages mag ich Wriggle also vor allem, weil er einfach mal wirklich extrem ist und sich anfühlt wie eine Schlagbohrmaschine an der Schläfe. Manchmal muss es eben die volle Dröhnung sein.

YNDI HALDA
Together Those Leaves

vom Album Under Summer









Ich war in höchstem Maße skeptisch, was das Comeback von Yndi Halda in diesem Jahr anbelangte, doch als dieses dann erschien und uns die Briten gleich als Opener diesen fantastischen Longtrack präsentierten, war die Sachlage für mich eigentlich klar. Ich bezweifle, dass ich 2016 einen anderen einzelnen Song gehört habe, der kompositorisch so ausformuliert und rund daherkommt wie Together Those Leaves und der jede Sekunde seiner fast elfminütigen Spieldauer so sinnvoll nutzt. Die Band zieht hier von seichten Akustikgitarren über Streicher und Shoegaze-Parts bishin zu chorischem Satzgesang all ihre Register und gibt mir mehr denn je das Gefühl, dass ihre Art von Postrock eine ganz besondere ist. Vor allem aber hat dieser Track mich darin bestätigt, dass auch 2016 in der Szene noch nicht alles gesagt ist und dass Wunder noch möglich sind. Allein die Rückkehr von Yndi Halda dürfte dafür Beweis genug sein.

RÖYKSOPP FEAT. SUSANNE SUNDFØR
Never Ever
veröffentlicht als Single









Die Vergangenheit hat mich gelehrt, dass man mit den zwei Norwegern von Röyksopp eigentlich immer dann rechnen muss, wenn man gerade nicht mehr mit ihnen rechnet. In diesem Jahr war es bei mir mal wieder soweit. Seit Junior hatte ich bei ihren seltenen Veröffentlichungen mehr oder weniger den Faden verloren und fand ehrlich gesagt auch nicht mehr viel, was mir irgendwie besonders zusagte, sodass ich sie irgendwann fast gänzlich ignorierte. Bis sie dann im September 2016 plötzlich den größten Popsong des Jahres auf die Welt losließen. Never Ever ist ein euphorischer Instant-Knaller, wie ihn kein Avicii oder Calvin Harris dieser Welt hingekriegt hätte, der schon beim ersten Hören fest hängenbliebt und für den die beiden Produzenten mit Susanne Sundfør die perfekte Stimme gefunden haben. Ich hätte mir sehr gewünscht, ihn dann auch öfter im Radio zu hören, aber dort scheint man seit Junior leider kein Röyksopp mehr zu hören. Jammerschade.

KEVIN MORBY
I Have Been to the Mountain

vom Album Singing Saw









Kevin Morby hat dieses Jahr haufenweise Song veröffentlicht, die theoretisch in dieser Liste stehen sollten, doch ich möchte diesen hier im Besonderen würdigen, da er kein so klassisches Songwriter-Stück ist wie viele andere auf Singing Saw. Mit seinem flotten Tempo, den dick aufgetragenen Backing-Vocals, Mariachi-Trompeten und dem Streicher-Outro fällt er aus dem Rest des Albums mehr oder weniger heraus und hat eine Größe, die viele der akustischen Solostücke oder Garagen-Jams nicht haben. Folglich gibt es in I Have Been to the Mountain unglaublich viel zu entdecken und der Track ist einer der Gründe, warum dieser junge Texaner nicht nur ein weiterer Typ mit Gitarre ist. Ganz nebenbei hat er mich 2016 auch über die Enttäuschung der neuen Damien Jurado-Platte hinweg getröstet, aber das zuzugeben wäre ziemlich unprofessionell.

GOAT
Djôrôlen / Union of Sun and Moon

aus dem Album Requiem









Bereits letztes Jahr war mit Rosen zum Plafond von Bilderbuch ein Song mit Blockflöte in meinen Lieblingssongs und die Tatsache, dass es dieses Jahr wieder einer geschafft hat, legt die Überlegung nahe, ich hätte eine Schwäche für das höchstwahrscheinlich nervigste Instrument der Welt. Allerdings genießen die Schweden von Goat auch mein vollstes Vertrauen, wenn es um den Einsatz exotischer Klangfarben geht und dieser Track bestätigt dieses noch einmal vollkommen. Der Opener ihres neuesten Albums setzt nämlich nicht nur den Gebrauch der Blockflöte wunderbar um, auch meditativer archaischer Gesang, breit gefecherte Orff-Percussion und ein fett aufgetragenes Saxofonsolo funktionieren hier einwandfrei. Ein bisschen wie ein bekiffter Waldorf-Kindergarten klingen Goat dabei zwar schon, aber wenigstens wie einer, der sehr viel Can und Pink Floyd gehört hat.

KARIES
Keine Zeit für Zärtlichkeit

aus dem Album Es geht sich aus









Auf die Songs der Stuttgarter Postpunk-Szene, insbesondere von Karies, konnte man bisher schon immer viele Attribute beziehen, im seltensten Falle jedoch das der Tanzbarkeit. Keine Zeit für Zärtlichkeit schafft aber mit seinem federnden Schlagzeug, den akzentuierten, fast funkigen Gitarren und dem ohne Diskussion besten Basslauf des Jahres genau das. Der packende, treibende Beat des Tracks und sein auffälliges Tempo (am besten zu genießen im dazugehörigen Musikvideo) sorgen dafür, dass er unter den vielen bemerkenswerten Stücken des neuen Karies-Albums herausfällt und so etwas wie der heimliche Hit aus Es geht sich aus ist. Das tolle dabei ist, dass es trotzdem nur wenige Zeilen Text braucht, um das ganze auch inhaltlich gebührend aufzuladen und letztendlich vielleicht doch dafür zu sorgen, dass man das mit dem Tanzen lieber bleiben lässt.

PORCHES
Mood

aus dem Album Pool









Wenn ich an einem Song demonstrieren müsste, warum der Einfluss der Post-Internet-Ästhetik auf den Mainstream-Pop eine coole Sache ist, dann wäre Mood das beste Beispiel dafür. Der Track steht exemplarisch für das komplette neue Porches-Album Pool und schafft es meisterhaft, den retrofuturistischen Sound des Vaporwave mit knackigem Radiopop zu kombinieren. Allein der lauwarme Synthbass reicht, um die richtigen Bilder in den Kopf zu bekommen und direkt den nächsten Einkaufstempel aufsuchen zu wollen, gleichzeitig liefert Aaron Maine die perfekte Indiepop-Hook dazu frei Haus und bleibt entrückt genug, damit sechzehnjährige Feenstaubköniginnen auf Tumblr feuchte Höschen kriegen. Dass Porches 2016 die neuen Arctic Monkeys hätten sein können, liegt vor allem an dieser geschickten Kombination. Dass sie es nicht geworden sind, ist demzufolge denkbar tragisch.

SAVAGES
the Answer
aus dem Album Adore Life









Ich bin immer noch jedes Mal aufs neue beeindruckt davon, wie brachial die Musik der Savages tatsächlich sein kann, wenn sie es denn will. Das neue Album Adore Life war ja im allgemeinen eher verhalten, doch der vollkommen durchgeknallte Opener the Answer zeigte, dass auch das Gegenteil der Fall sein konnte und blieb vor allem dadurch über zwölf Monate bei mir hängen. Das Mantra-artige Dampfwalzen-Riff, das ein Michael Gira nicht besser hinbekommen hätte sowie die fantastische Eröffnungs-Line "if you don't love me, don't love anybody!" sind geradezu prädestiniert dafür, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und zeigen die Britinnen in absoluter Hochform. Einer der besten Songs, den diese Band jemals veröffentlicht hat und am Ende des Jahres das, was bei mir von Adore Life übrig bleiben wird.

WINTERSLEEP
Amerika

aus dem Album the Great Detachment









Man unterschätzt häufig die Fähigkeit von Wintersleep, große Indierock-Hymnen zu schreiben, doch mit Amerika zeigen sie dieses Jahr einmal mehr, wie gut sie ihr Handwerk tatsächlich beherrschen. Ein Song wie dieser ist wie geschaffen für die Stadien, in denen die Kanadier sicherlich niemals spielen werden und hätte in den späten Neunzigern sogar im Radio laufen können. Doch bevor man jetzt meint, die Band wäre einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort, sollte man wissen, dass die Welt diese Jungs tatsächlich braucht. Amerika ist vielleicht der gelungenste Song, der sich bereits im Januar diesen Jahres mit den Folgen einer zu diesem Zeitpunkt noch recht unwahrscheinlichen Präsidentschaft eines gewissen Donald Trump auseinandersetzt und der hinter die Aussage "Make America Great Again" ein dickes Fragezeichen zu setzen vermag. Num müssen wir zusehen, wie sie damit vielleicht recht haben könnten.

RADIOHEAD
Burn the Witch

aus dem Album A Moon Shaped Pool









Noch ein politischer Song und noch einer, der die Welt des Jahres 2016 sehr treffend beschreibt. Und das, obwohl er schätzungsweise bereits an die zwölf Jahre auf dem Buckel hat. Dass das ewige Sorgenkind von Radiohead nun endlich veröffentlicht wurde, ist inzwischen wenig mehr als eine Fußnote, doch was bleibt ist ein neuer Standard in der Diskografie der Briten. Burn the Witch ist für mich noch immer das eindeutige Highlight der Tracklist auf A Moon Shaped Pool und das vielleicht auch gerade deswegen, weil er sich vom Rest der Platte irgendwie abhebt. Die von Jonny Greenwood arrangierten Streicher wirken hier nicht entspannt, sondern aufgeregt und statt von verflossener Liebe singt Thom Yorke von Hass, Verfolgungswahn und Ausgrenzung. Was für mich am Ende spannender ist, muss ich sicherlich kaum erklären, oder?

BENT KNEE
Hands Up

aus dem Album Say So









Auf ihrem Debüt mochte ich Bent Knee, weil sie extrovertierten, progressiven Artrock machten, der auf ihrem neuen Album leider etwas zu kurz kommt. Dafür überraschten sie mich hier ausgerechnet mit einem der besten Popsongs des Jahres, den ich von ihnen so gar nicht erwartet hatte. Hands Up ist ein selten euphorisches Stück Musik, das eher an Taylor Swift oder Arcade Fire erinnert als an Queen und Amanda Palmer, aber gerade deswegen wirklich beeindruckend ist. Mit einem wahnsinnig stimmigen, radiotauglichen Refrain, epischen Streicherpassagen und hochwertigen Lyrics war diese Nummer der eine große Lichtblick auf Say So und der eine Song, der die Band aus Boston auch dieses Jahr unabdingbar machte. Und auch wenn ich hoffe, dass die Band mich beim nächsten Mal auch wieder auf LP-Länge überzeugen kann, bin ich froh, dass es Hands Up 2016 gegeben hat. Als Hinweis dafür, dass Bent Knee auch anders können.

MAECKES
Der Misserfolg gibt mir Unrecht

aus dem Album Tilt









Ohne mindestens einen Song aus dem neuen Maeckes-Album wäre diese Liste ein Schwindel gewesen und obwohl es eine Menge Tracks von Tilt gibt, die mich 2016 nachhaltig beeindruckt haben, ist Der Misserfolg gibt mit Unrecht doch das beeindruckendste Gesamtwerk hier. Nicht nur wegen des kleinen Jumpscares, der die Hook einleitet und den wundervollen Postrock-Gitarren darin, sondern auch wegen des schicken Bass-Intros und natürlich wegen Maeckes' ausführlichen Abhandlungen über die eigene Ohnmacht, Veränderung und Unsicherheit, die zwar das ganze Album prägen, doch hier letztendlich doch in den besten Lines aufgehen. Es ist einer dieser Tracks, bei denen man sich nach dem Hören ein kleines bisschen schlauer fühlt als vorher und die man sich am liebsten komplett tätowieren lassen würde. Dass das ganze am Ende trotzdem ziemlich radiotauglich daher kommt, ist die ganz eigene Maeckes-Magie, die aber so gut wie jeder Song auf Tilt aufweist.

MASSIVE ATTACK FEAT. HOPE SANDOVAL
the Spoils

veröffentlicht als Single









2016 war für Massive Attack wieder ein richtig starkes Jahr. Im Frühjahr legten sie mit Ritual Spirit eine sehr gute neue EP vor und spielten darüber hinaus eine fantastische Tour, doch mein persönliches Highlight war diese Single, die nicht weniger ist als einer ihrer besten Songs überhaupt. Zusammen mit meiner neuen Lieblings-Sängerin Hope Sandoval (auch ihr neues Album ist nicht zu verachten) spielen sie hier eine großartige Trennungs-Ballade ein, die ihr Gespür für zeitlose elektronische Musik fett unterstreicht und zeigt, dass man Massive Attack keinesfalls als Neunziger-Oldies abtun sollte. Wäre diese Liste hier ein Ranking gewesen, hätte the Spoils wahrscheinlich sogar auf Platz Eins gestanden, so gut finde ich dieses Stück. Schade, dass es von vielen nur auf das ebenfalls unglaublich schicke Video mit Gaststar Kate Blanchett reduziert wurde.

WEEZER
California Kids

aus dem Album Weezer (the White Album)









Ich und wahrscheinlich der ganze Rest der Musikwelt hatte mit Weezer bereits abgeschlossen, als im März diesen Jahres plötzlich diese Leadsingle zu ihrem neuen Album erschien und alle, vor allem die Band selbst, wieder aufweckte. Die Kalifornier schmissen hier einen großartigen College-Rock-Hit aufs Parkett als wäre es 1994 und man wollte erstmal selber gar nicht zugeben, wie geil man das fand. Über die letzten zehn Monate ist California Kids für mich allerdings ein absoluter Standard geworden und aus dem Jahr 2016 so gut wie gar nicht mehr wegzudenken. Und auch auf dem an sich grandiosen neuen Album sticht er als Opener noch einmal besonders heraus und sorgte für ein wenig Vergnüglichkeit in diesem so grauenvollen vergangenen Jahr. Nicht zuletzt sorgte dieser Song auch maßgeblich dafür, dass ich mich inzwischen wieder so sehr auf neues Material von Weezer freue wie eigentlich noch nie vorher.

CHANCE THE RAPPER
Same Drugs
aus dem Album Coloring Book









Noch in den letzten Tagen vor der Veröffentlichung dieser Liste hat sich dieser Song hier eingeschlichen und das mehr als verdient. Denn obwohl ich von Chance the Rappers drittem Album Coloring Book nicht ganz so begeistert war wie der Rest der Menschheit, hat mich Same Drugs doch ganz schön gepackt. Die komplett gesungene, melancholische Nummer über Entfremdung und verlorene Freundschaft ist nicht nur emotional anspruchsvoll, sondern vor allem auch ein unglaublich gut gemachter Track. Mit fast folkigen Streichern und den typisch gospelhaften Backing-Vocals über der reduzierten Klavierbegleitung baut der Rapper aus Chicago hier eine Ballade wie aus dem Bilderbuch, die ihn als mehr zeigt als nur einen gewitzten HipHop-Newcomer. Wer so ein Stück schreibt, ist nicht nur voll im Game angekommen, sondern vor allem auch künstlerisch sehr gereift. In diesem speziellen Fall lässt Chance sogar Drake und Kanye ganz schön alt aussehen. Dieser Junge könnte hier auf dem Höhepunkt seiner Karriere sein, aber noch schöner wäre es, wenn er damit erst anfängt.

OATHBREAKER
Immortals

aus dem Album Rheia









Es brauchte im Vorfeld von Rheia nur diesen einen Song, um die essenzielle Frage in den Raum zu stellen: Sind Oathbreaker 2016 noch Metal- oder schon Shoegaze-Band? Das neue Album vermochte diese Frage nicht endgültig zu lösen, doch das ist auch egal, ist es doch eines der besten dieses Jahres. Und Immortals strahlt darin noch immer als fettes, fast neunminütiges Kernstück, das zwischen Stilen und Intensitäten switcht wie wenige andere Bands. So einen Song wollte man von den Belgiern eigentlich schon immer hören, doch ihn jetzt vor sich zu haben, ist doch noch mal ein ganz anderes Gefühl und manifestiert Oathbreaker als einen der besten Metal-Acts in Europa. Falls sie sich selbst überhaupt noch als solchen sehen...

LGOONY & CRACK IGNAZ
Tokyo Boys

aus dem Album Aurora









Aurora war Anfang diesen Jahres nicht in jeder Hinsicht das Gipfeltreffen der deutschsprachigen Cloudrap-Botschafter, das man erwartet hatte, im Falle dieses Songs könnte es aber nicht zutreffender sein. Der Beat von Produzent Gee Futuristic ist ab der ersten Sekunde ein absoluter Banger und die beiden MCs liefern darüber einige der besten Bars des Jahres ("Bitch, ich überhole dich von rechts") ab. Dabei kommt in jeder Strophe auf großartige Weise die Persönlichkeit der Rapper rüber und dass LGoony die besten Hooks im Game singt, muss man Ende 2016 eigentlich keinem mehr erzählen. Damit ist Tokyo Boys das Stück von Aurora, das den größten Sog erzeugt und das Potenzial der Zusammenarbeit der beiden Trap-Spitzen fantastisch demonstriert. Im Endeffekt trifft hier tatsächlich mal der beliebteste Szene-Anglizismus zu, den man dort so gerne beuntzt: Dieser Song ist lit.

BADBADNOTGOOD
IV

aus dem Album IV









Bisher waren Badbadnotgood eigentlich immer die wüsten Rabauken des Jazz, die sich Sachen trauten, die kein anderer sonst machen wollte und den überbordenden Traditionalismus der Szene gar kritisierten. Dementsprechend ist es sonderbar, auf ihrem neuen Album einen solch perfektionierten Standard-Track zu hören, der doch sehr an die großen Meistern aus dem Fünfzigern und Sechzigern erinnert. Dass dieser allerdings fantastisch klingt, ist unbestreitbar. Der neue Saxofonist Leland Whitty zaubert in den fast sieben Minuten einige fantastische Improvisationen zurecht, Alexander Sowinskis Schlagzeug ist ein Träumchen und die Schiere Menge an cleveren Details und Twists hier ist atemberaubend. Es ist beeindruckend, wie die vier Kanadier auch in Gefilden, die sie eigentlich sonst eher schmähen, vom Fleck weg überzeugen und zumindest mich als Laien mehr mitnehmen als die meisten anderen Jazz-Platten der letzten Jahre. An diesem Track werden die Hater sicherlich einiges zu kauen haben. Und Baddabnotgood sind mal wieder fein raus.

JUSTICE
Safe & Sound

aus dem Album Woman









Ja okay, das neue Album der Franzosen war nicht wirklich so der Bringer, aber wir reden hier immerhin von Justice. Und ohne wenigstens eine coole Single geht bei denen eben gar nichts. Die heißt im aktuellen Fall Safe & Sound und klingt für die Verhältnisse des Duos wieder ziemlich nach good old times. Hier gibt es einen dominanten Disco-Beat, zahlreiche ziemlich offensichtliche Daft Punk-Einflüsse, viel Retro-Gehabe und vor allem die Signature-Streicher im zweiten Teil, die mal wieder absolut Zucker sind. Zusammen ergibt das einen vielleicht nicht mehr ganz so tanzbaren, aber doch unglaublich liebevoll produzierten French House-Song, der das Ende des Jahres noch einmal richtig veredelt hat. Ihn hier aufzulisten ist reine Ehrlichkeit, da Safe & Sound wahrscheinlich mein Herbst-Ohrwurm schlechthin war, der bei mir zu Hause rauf und runter lief. Und einmal mehr geht in diesem Fall immer noch.

BUILDING INSTRUMENT
Fall

aus dem Album Kem Som Kan å Leve









Zum Abschluss noch einen der seltsamsten und schönsten Songs des Jahres, den man vor allem jetzt in der kalten Jahreszeit noch einmal auspacken sollte. Der märchenhafte Folksong Fall ist ein Produkt des norwegischen Trios Building Instrument, einer der mysteriösesten Bands, denen ich 2016 begegnet bin. Über sie zu schreiben fällt mir noch immer schwer, diesen Track zu hören ist jedoch dafür ein umso größerer Genuss, dem ich in den vergangenen Monaten sehr häufig gefrönt habe. Die warmen und doch reduzierten Melodien hier, die auf mir völlig unbekannten Instrumenten gespielt werden und die mir völlig unverständlichen Vocals (es ist meines Wissens nach nicht mal einfach nur norwegisch), die trotzdem unglaublich nahbar wirken, machen dieses Stück zu einem ganz besonderen Erlebnis in diesem Jahr und nebenbei einem weiteren Grund, das ominöse Hubro-Label ganz genau im Auge zu behalten.

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