Montag, 23. November 2015

V wie Vintage

BARON

Torpor

Svart Records

2015
















Ja, ich weiß, eigentlich habe ich etwas gegen retro-fixierten Progressive Rock und kann mich darüber ja gar nicht genug aufregen. Allerdings gehörten Bands wie Polis, Okta Logue und Goat zu denen, die ich bereits zuvor in den höchsten Tönen lobte und mit den Briten von Baron könnte tatsächlich noch eine weitere dazukommen. Bevor ich dazu komme, möchte ich also darauf hinweisen, dass Doppelmoral scheinbar unabdingbar ist, wenn es bei mir um Progrock geht. Torpor ist das Debütalbum der vierköpfigen Formation aus Brighton beziehungsweise Nottingham und klingt dafür schon ziemlich ausgeglichen. Ein ziemlich schwerer, deftiger Sound setzt sich schon im Opener Dragonfly ab und über ein gemäßigt swingendes Tempo kommt die Platte nie hinaus. Ausgeglichen wird das durch ein unglaublich feinfühliges Gespür für Melodik, qualitativ hochwertige Pophistorien-Grabräuberei und einem fantastischen mehrstimmigen Gesang. Im allgemeinen gehen Baron damit den Weg einer Progrock-Band, doch in den Tiefen von Torpor entfaltet sich nach einigem Hören durchaus ein nie geahnter Facettenreichtum. Songs wie Stry und Mark Maker erinnern entfernt an die Skandinavische Proto-Metal-Bewegung, Folk-Elemente sind immer wieder ein Thema, der Closer Albedo Dei fängt die Stimmung eines mittelalterlichen gregorianischen Chorals auf und Sleepless greift stellenweise sogar Einflüsse auf, die sehr nach Alt-J oder Bon Iver klingen. So retro wie zunächst gedacht sind Baron also gar nicht. Und es hat den positiven Nebeneffekt, dass jeder der acht Tracks hier zu einer neuen Entdeckungsreise wird. Sicher könnte die Band an der ein oder anderen Stelle noch ein wenig mehr Schliff und Abrundung vertragen, doch das, was hier schon auf dem Debüt geboten wird, ist eigentlich außerordentlich. Kompositorisch wie Klanglich ist Torpor ein Vorzeige-Prog-Album, dass auch endlich mal nicht den Fehler begeht, sich den Idolen der Vergangenheit nur Oberflächlich und Kopistisch zu nähern. Was man hier hört, ist zwar Sound-technisch stark von anderen beeinflusst, im Songwriting jedoch ganz und gar ein Eigengewächs. Um es einfach zu erklären: Mit diesen Songs hätten Baron gut in die frühen Siebziger gepasst, wären da jedoch eine äußerst souveräne und originelle Band gewesen. Heute sind sie damit zwar etwas für Nostalgiker, doch auch nur für welche, die wollen, dass es spannend bleibt. Für meine eigenartigen Befindlichkeiten also genau richtig. Und ich meinerseits bin sehr gespannt, wie es mit den Briten von hier ab weiter geht. Torpor ist gut, aber die Hoffnung auf noch besseres ist definitiv da. Für so oldschoolige Musik hat diese Band auf jeden Fall eine große Zukunft.
8/11

Beste Songs: Mark Maker / Dark Down / Sleepless

Nicht mein Fall: Albedo Dei

Weiterlesen:
Das Pferd, von der anderen Seite aufgezäumt:
zum Review

Das Original aus Schweden:
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