Dienstag, 3. November 2015

Single-Review: Das muss jetzt aber ein Hit werden!

HANNAH DIAMOND
Hi

PC Music
2015
















Es werden sich sicherlich einige an den Kopf greifen, wenn ich sage, dass das Debüt von Hannah Diamond, das hoffentlich noch in diesem Jahr erscheint, eine meiner großen Highlights für 2015 ist. Das Postergirl des Londoner Hype-Labels PC Music hat sich in letzter Zeit nicht nur Freunde gemacht. Viele halten den gekünstelten Format-Pop für puren Post-Vaporwave-Klamauk und dass das komplette Konzept der britischen Plattenschmiede tatsächlich eher Jux ist, habe ich bereits in meinem Review ihres im Frühjahr erschienenen Samplers ausführlich erörtert. Dennoch kann ich mich der glamourösen Plastik-Magie ihrer Singles nicht entziehen und da Hannah Diamond nun einmal die Künstlerin ist, die bis dato den meisten medialen Aufwind erfahren hat, nimmt sie diesen Sonderstatus innerhalb der Scheinwelt von PC Music ein. Ihre Singles Pink & Blue und Every Night sind Hits, vom Gegenteil kann mich niemand überzeugen. Und auch ihre ganze gefakete Persönlichkeit ist für mich nichts anderes als hohe Kunst. Haters gonna hate. Schon seit Sommer diesen Jahres postet sie nun Andeutungen auf ein eigenes Album, was so gesehen ein echtes Novum darstellt. Alle Künstler ihres Labels hatten sich bisher auf die Veröffentlichungen von Singles und bestenfalls EPs beschränkt (bis auf Kane West, der deswegen aber auch zu Turbo gewechselt hat), einzig die besagte Compilation aller Interpreten fand bisher auf LP-Format statt. Dass es nun Diamond ist, die dieses Privileg ebenfalls genießen darf, ist nicht ganz unlogisch. Zwar gäbe es auch noch Kandidaten wie den Labelgründer A.G. Cook, QT oder Girlfriend of the Year, die ebenfalls nicht zu unterschätzen sind, doch zu ihnen passt der Gedanke einer "richtigen" Platte nicht so gut wie hier. Man darf nie vergessen, dass es bei PC Music immer um die äußere Wirkung geht. Und auch der vermutlich ersten Album-Single Hi hört man das in jedem Ton an. Schon allein die Tatsache, dass es in dem Song um eine Online-Beziehung geht, ist sehr exemplarisch. Liebestolle Plattitüden waren schon immer Hannah Diamonds Stärke und die Verbindung mit etwas so unromantischem wie einem Snapchat-Date zu ziehen, ist ein wundervoller Beweis für die Verschrobenheit dieser Musik. Passend dazu tanzt sich die Künstlerin auch im Video durch eine Fantasiewelt zwischen Leuchtreklame und Facecam. Die Inszenierung ist wie immer on point, doch wie sieht es musikalisch aus? Mit Hi muss diesmal ein echtes Album promotet werden, was eine vollkommen neue Herausforderung darstellt. Gemessen daran ist das hier die bisher zwiespältigste Performance von Diamond. Dass es in Sachen Songwriting nicht viel neues gibt, war ja zu erwarten, doch wie die Künstlerin hier ihren eigenen Stil verhackstückt, ist nicht ganz okay. Die erste Strophe des Tracks ist nur mit Mühe zu ertragen, so wie sie hier Sprachduktus und Stimme stelzt. Erst wenn der Refrain einsetzt, kommt die Erlösung. Denn hier überholt sich das Konzept ihrer Musik tatsächlich selbst. Wo zuletzt noch mit Billig-Synths die Sparvariante echter Popsongs gezaubert wurde, ist Hi mit ordentlich Produktionsaufwand unterbuttert. Und so ehrlich muss man sein: Lauren Mayberry hätte es nicht besser hinbekommen. Zum Ende hin schlengelt sich das Chorus-Motiv dann auch noch über mehrere Bridges hinweg und wird so richtig hymnisch. Oder zumindest so sehr, wie eine Plastik-EDM-Nummer mit Trap-Beat eben werden kann. Die schlussendliche Auflösung und das Zuckerbonbon des Songs gibt einem nochmal den Rest und schließt wieder den Kreis zum Kunstobjekt Hannah Diamond. Ob man deshalb neugieriger auf ein Album von ihr ist, darüber lässt sich streiten. Hi ist in keinem Fall schlechter als die bisherigen Singles, doch ich hatte gehofft, dass die Aussicht auf einen Longplayer noch ein paar mehr Bonus-Features bietet, die man bisher nicht hören konnte. Der Brilliant-Sound ist ein Anfang, doch auf LP-Format möchte ich von dieser Künstlerin eindeutig neue Elemente hören. Und da ich weiß, dass die Leute von PC Music ausgefuchste Promo-Genies sind, lasse ich mir hier noch keine endgültigen Erwartungen aufhalsen. Nur weil wir hier keinen Skandal erlebt haben, heißt das nicht, dass er nicht kommen wird. Vertraut mir: Auch für ihr Label ist ein Album von Hannah Diamond zu wichtig, um es mit so einer Single versanden zu lassen.

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