Freitag, 20. November 2015

Der Sänger von Björk

ARCA

Mutant

Mute

2015
















Dieser Arca ist ein Pfundskerl. Seit nunmehr drei Jahren fasziniert der venezuelanische Produzent die Kritiker und Experten dieser Welt mit seinen einzigartigen Kompositionen. Als er 2013, noch völlig grün hinter den Ohren, als Sound-Tüftler für Kanye Wests Über-Album Yeezus auftauchte, wurden bereits die ersten Luftsprünge gemacht. Der Domino-Effekt war danach kaum noch aufzuhalten. Er produzierte für FKA Twigs und Björk, veröffentlichte mit Xen letztes Jahr sein eigenes, fantastisches Debüt und ist mittlerweile in der Position eines Avantgarde-Popstars, der sich für sein Artwork Skulpturen von Jesse Kanda anfertigen lässt und der sein Live-Debüt mal eben im ausverkauften Berghain gibt. Entsprechend heiß erwartet wurde auch sein zweiter Longplayer Mutant, von dem sich viele (mal wieder) neue Perspektiven auf alternative elektronische Musik wünschen. Je nachdem, was man darunter versteht, werden diese Hoffnungen hier auch bestätigt. Zwanzig Tracks in etwas mehr als einer Stunde hat der Südamerikaner hier versammelt und verschwendet davon nicht einen Ton. Die Post-Internet-Ästhetik trieft aus jedem Beat und zwischen bratzigem Industrial-Gehampel und transzendenter Polyrhythmik schlägt er jedem Nörgler die Tür vor der Nase zu. Mutant ist Electronica mit allerhöchster Finesse, kompositorisch wie klanglich. Auf einer der am besten gemixten Platten des Jahres wird der Hörer in einen monströsen Sound-Strudel eingesogen, der ihn Direkt in eine digitale Zwischenwelt teleportiert, in der der König am Soundsystem steht und die Puppen tanzen lässt. Dabei ist die Marschrichtung zwar deutlich experimentell, doch niemals verkopft. So gut wie alle Songs hier gehen ineinander auf und werden zu einem durchgängigen Klangerlebnis, das einen stets auch auf emotionaler Ebene mitnimmt. Zu diesem Album zu tanzen wäre zwar ein wenig viel verlangt, doch rein von der Atmosphäre her könnte diese Musik auch im Club stattfinden. Arcas Tüfteleien transzendieren die kulturelle Distanz zwischen Berghain und Documenta zusehends. Und das ist es am Ende auch, was seine Arbeit wieder mal so einzigartig und toll macht. Den Bogen spannen zwischen dem, was wir hören wollen und dem, was wir uns nicht trauen, was aber eigentlich viel spannender ist. Nach diesem Ergebnis werden die Kritiker dieser Welt ein weiteres Mal über den grünen Klee loben, was der Venezuelaner hier fabriziert. Völlig zu recht. Dieser Typ ist ein Visionär des modernen Elektro und bleibt es hoffentlich noch lange. Aphex Twin kann den Job ja nicht ewig machen.
9/11

Beste Songs: Alive / Mutant / Umbilical / Front Load / Enveloped

Nicht mein Fall: Sever

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