Freitag, 27. November 2015

Cause There's Nothing Else to Do...

PLACEBO
MTV Unplugged

Vertigo
2015
















MTV Unplugged ist für Placebo ein verspätetes Geburtstagsgeschenk. 2013 hatten die Briten ihr zwanzigjähriges Bestehen gefeiert, begleitet vom letzten Album Loud Like Love, mit dem Auftritt beim renommierten Akustik-Format kommen sie jetzt der Vorweihnachts-Kundschaft von 2015 entgegen. Doch wer denkt, das Trio hätte sich hier ein kugelsicheres Sellout-Jubiläums-Projekt erschaffen, der weiß nicht, mit wem er es hier zu tun hat. Placebo sind über die gesamte Dauer ihrer Karriere vielleicht keine besonders abwechslungsreiche oder kreative, jedoch immer interessante Band gewesen, die sich nie einen wirklich großen Fehlgriff erlaubte und sich zumindest immer Herausforderungen stellte. Und so ist auch MTV Unplugged kein Best-Of bei Stromausfall, sondern durchaus ein gut ausbalanciertes Erlebnis mit Überraschungen. Für die Laufkundschaft gibt es zwar auch hier die ewigen Hits wie Every You Every Me, Song to Say Goodbye, Meds oder Slave to the Wage, doch man kann Placebo nicht vorwerfen, darüber hinaus nichts zu bieten. Gleich als Opener erklingt das Sinéad O'Connor-Cover Jackie, dass in dieser Position vielleicht nicht ganz seiner eigentlichen Qualität gerecht wird, doch die kreative Messlatte für den Anfang schon mal ziemlich hoch stellt. Mit Joan As A Police Woman und Majke Voss Romme kommen darüber hinaus zwei eher unkonventionelle Gäste mit auf die Bühne und die Ballade Bosco vom letzten Studioalbum erlebt hier seine Live-Premiere. Dass Placebo sich Gedanken um ihr Set gemacht haben, steht also außer Frage. Doch sind sie tatsächlich die richtige Wahl für dieses Format? Eigentlich eine Frage, die man sich nicht stellen sollte, doch sie taucht beim Hören hier immer wieder auf. Die Briten sind normalerweise eine Gruppe, die sich sehr gerne auf dick aufgetragene Gitarrenwände verlässt, die im Unplugged-Rahmen logischerweise nicht zur Verfügung stehen. Einen Teil der so entstehenden Leere kann Brian Molko mit einer großartigen gesanglichen Performance wieder reinholen, doch einige Lücken, wie in For What It's Worth, bleiben. Teilweise wird versucht, mit Piano und Streichern Abhilfe zu schaffen, was jedoch zumeist etwas käsig ausfällt. Die aufgekratzte und lebensmüde Ader, die Placebo eigentlich immer so faszinierend machte, ist damit futsch. Die meisten Songs halten die Musiker mit ihrem spielerischen Können und Molko mit seiner Gänsehaut-Stimme zwar noch aufrecht, doch man weiß, dass so etwas besser geht. Im Gesamteindruck hat die Session ohne den dazugehörigen optischen Eindruck und das Live-Erlebnis etwas eher steriles, das man von ihnen so gar nicht kennt. Doch am Ende ist das vielleicht ein gutes Zeichen. Zum größten Teil entstehen solcherlei Fehlerchen nämlich, weil Placebo eben nicht einfach ihren Stiefel spielen, sondern sich trauen, altbewährte Tracks auch mal anders zu präsentieren. Am besten hört man das an der hier gespielten Version von Every You Every Me. Das fast komplett umgeschriebene und als Duett performte Stück ist nicht zu einhundert Prozent gelungen, doch es ist mutig. Und auch wenn das für dieses Album bedeutet, dass nicht alles gelungen ist: Für die Band dahinter ist es ein gutes Zeichen. Placebo stellen sich noch immer den ihnen gegebenen Herausforderungen und können nach wie vor überraschen. Die besten Voraussetzungen dafür, mindestens noch zwanzig Jahre richtig gute Platten zu machen.
7/11

Beste Songs: 36 Degrees / Meds / Too Many Friends / Bosco

Nicht mein Fall: For What It's Worth / Where is My Mind

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Die Mutter aller MTV Unplugged-Platten:
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Die letzte "richtige" Placebo-LP:
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