Donnerstag, 26. November 2015

Miss Maschinengewehr

LITTLE SIMZ

A Curius Tale of Trials + Persons

Age 101

2015
















Das beeindruckende an Little Simz ist nicht, dass sie als weiblicher MC gerade den Großteil ihrer männlichen Kollegen weit hinter sich lässt, nicht, in welchem Tempo sie ihre Gehirnwindungen auf ihrem Debüt vor dem Hörer ausbreitet und nicht, wie tiefgründig und weise dieses trotzdem klingt. Das wirklich tolle an A Curius Tale of Trials + Persons ist, dass diese Künstlerin endlich mal das hält, was sie zuvor versprochen hat. Schon mehrmals hatte die Musikszene in den vergangenen Jahren das vermeintliche Sprachrohr der Emanzipation im HipHop gefunden, von dem dann meistens nicht viel blieb. Angel Haze machte mit New York einen fantastischen ersten Hit und ein furchtbares erstes Album, Kate Tempest hatte nicht genügend Hype-Futter, Azealia Banks ließ zu lange auf sich warten und auf Dej Loaf warten wir noch immer. Von Iggy Azalea und Nicki Minaj fangen wir hier gar nicht erst an. Nun also Little Simz. Ausgerechnet eine britische Rapperin macht jetzt den Traum wahr, den so viele HipHop-Fans (mich eingeschlossen) schon so lange träumen. Und das ist zum Teil gerade durch ihre Abseitsposition gegenüber den Zentren der Szene zu erklären. Trials + Persons ist keine Platte, die denkfaul das nachäfft, was einem der internationale Trend vorschreibt. Keine Club-Banger, kein R'n'B, kein Cloud-, Acid-, oder Indigo-Rap-Konsens-Kram. Stattdessen: Dezente Instrumentalisierung und knallharte Ansagen. Little Simz ist gewöhnungsbedürftig, aber zieht den Hörer vom Fleck weg in ihren Bann. Sie erfindet für ihre Gedankenkonstukte keine schnippisch-poetische Hülle, sondern erzählt mehr oder weniger ungeschönt, was sie zu sagen hat. Auf Papier mag das trocken wirken, doch es hat definitiv seine Vorteile. Zum einen schafft diese freie Vortragsweise unglaublich viel Platz für Inhalte, die nicht in künstliche Korsagen gepresst werden und die man beim hören auch direkt aufgreifen kann. Bei Simz' überaus ungestümem Flow ist das auch notwendig. Zum anderen macht die Britin damit auch mal wirklich was anders als der ganze Rest der HipHop-Welt. In einer Zeit des immer weiter ästhetisierten Genres so einen Theorie-Bolzen aufgetischt zu bekommen, öffnet einem in gewisser Weise die Augen: Rap muss nicht immer schön sein, er muss vor allem zum nachdenken anregen. Und so sehr wie diese Künstlerin tun das im Moment die wenigsten. Was allerdings nicht heißt, dass sie auf die entsprechende musikalische Unterstützung verzichten kann. Die roughe, knochige Atmosphäre hat sich Little Simz von Kollegen wie Clipping, den Young Fathers und ja, Angel Haze, schon gut abgeguckt, doch für die perfekten Beats fehlt hier noch die entscheidende Konsequenz. Es gibt fantastische Instrumentals wie die von Dead Body oder dem komplett ohne Vocals auskommenden This is Not an Outro, doch sie sind noch zu selten. Das wäre an sich auch halb so wild, wenn Simz nicht doch an der ein oder anderen Stelle, zum Beispiel in Full or Empty, versuchen würde, große Gesten zu erzeugen. In meinen Augen ist das widersprüchlich und einer der wenigen Punkte, an dem die Britin noch arbeiten muss. Dafür jedoch, dass wir hier von einem Debüt reden, ist Trials + Persons ein unglaublich gelungenes Album einer Musikerin, die mit ihrem Potenzial großes bewirken kann. Little Simz führt jetzt schon die Hotlisten für 2016 an und wird auch auf meiner auftauchen, weil sie einfach eine Künstlerin ist, an die ich auch langfristig glaube. Und das beste daran ist, dass ihr Geschlecht, ihre Hautfarbe und ihre Nationalität absolut keine Rolle spielen. Dope ist dope. Und diese junge Dame könnte diesen Begriff für mich neu definieren.
9/11

Beste Songs: Person / Dead Body / This is Not an Outro / Fallen

Nicht mein Fall: Full Or Empty

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