Sonntag, 29. November 2015

Playlist: Winter is Coming

Falls es jemand nicht mitgekriegt haben sollte: Das hier ist mein dreihundertster Post für Careful With That Edge. Und weil um diese Zeit des Jahres die Neuveröffentlichungen und Reviews in den Hintergrund treten, dachte ich mir, zur Feier des Tages mal wieder eine stimmungsvolle Playlist zu erdenken. Ganz grob habe ich mir dabei das Thema "Winter" vorgegeben, doch ich selbst wollte das nicht so genau nehmen und habe eher Songs ausgewählt, die man sich beim aktuellen Wetter am besten schön hören kann. Wenn euch einige davon gefallen, denkt daran: Nicht illegal saugen, sondern Platte kaufen. Einen schönen ersten Advent euch allen!

1. THE MAMAS & THE PAPAS

California Dreamin' (1965)

Geht es um Songs, die man auflegt, wenn kein Hund vor die Tür geschickt werden sollte, dann ist California Dreamin' seit nunmehr 50 Jahren vielleicht der Klassiker schlechthin. Dabei wird er des irreführenden Titels wegen noch immer gerne mit einem Sommerhit verwechselt, wo es doch gerade darum geht, dass man leider gerade nicht am Venice Beach, sondern irgendwo anders ist, wo die Blätter braun und der Himmel grau ist.

2. LA DISPUTE

Hudsonville, MI 1956 (2014)

Wer sich bei schlechtem Wetter gerne in die weichste Decke einmummelt und Früchtetee schlürft, kann bei diesem Song trotzdem kalte Füße bekommen. Jordan Dreyer breitet hier, emotional überbordend wie immer, die Geschichte einer Frau aus, deren Mann in einem verheerenden Schneesturm gefangen ist und das warten auf ein Lebenszeichen von ihm. Mit einem Blick aus dem Fenster und der Vergewisserung, dass bei euch alle noch munter und lebendig sind, funktioniert dieser Song besser als jedes Stephen-King-Hörspiel.

3. SOFT HEARTED SCIENTISTS

The Trees Don't Seem to Know That it's September (2011)

Eher noch ein herbstlicher Song, aber dennoch einer, der einer gewissen Draußen-kalt-drinne-warm-Gemütlichkeit sehr zuträglich sein kann. Mit einer beschwingten Americana-Stimmung und dem schelmischen Synthesizer sind die Soft Hearted Scientists auch die Band, die das ganze gerne ein bisschen weniger melancholisch gestaltet und stattdessen ein Lächeln in das triste Grau der Welt außerhalb der beheizten vier Wände bringt.

4. NICO

Winter Song (1967)

Niemand gehört so sehr in diese Liste wie Nico, die Eiskönigin der Sixties-Popmusik. Mit Winter Song, dem aufwühlenden, stürmischen Opener ihres ersten Albums, wissen wir auch wieso. Die Streicher wirbeln wie das Schneetreiben vor der Haustür und die kühle, kantige Stimme der Sängerin setzt jedem noch so gut aufgewärmten Hörer den berühmten Eissplitter ins Herz. Widerstand ist zwecklos.

5. SIGUR RÓS
Untitled 7 (Dauðalagið) (2002)

Mit dem Thema Winter dürften sich Sigur Rós auskennen, ist der doch in ihrer Heimat Island fast das ganze Jahr über da. Und natürlich hört man das auch ihrer Musik an, die besonders hier für die langen, kalten Stunden gemacht ist und eine Melancholie atmet, von der wir westeuropäischen Weicheier nur träumen können.

6. ALT-J

Something Good (2012)

Man kann mir das jetzt gerne ankreiden, aber für mich sind auch Alt-J irgendwie eine Band, die man am besten im Winter hört. Und damit eine willkommene Abwechslung zu all den kurzärmligen Palmen-und-Freunde-Indiegruppen, die den hippen Shit schon seit immer für sich gepachtet haben und von März bis Oktober die Charts regieren. Den Rest des Jahres haben diese Briten dann ganz für sich alleine. Zumindest fast.

7. MUDDY WATERS

Cold Weather Blues (1964)

Muddy Waters, der im sonnigen Mississippi geboren ist, hatte nicht viel Ahnung vom echten Winter, als er damals zu Chess Records nach Chicago zog. Aus diesen Erfahrungen heraus ist vermutlich dieser Song geboren, der trotz Waters' nicht abschaltbarer, bluesiger Südstaaten-Aura einen frostigen, kühlen Vibe vermittelt, der ihn zu einem Kleinod in der Diskografie des Musikers macht.

8. APHEX TWIN

#17 / Z Twig (1994)

Für Freunde elektronischer Musik ist der beste Begleiter in den Wintermonaten sicherlich Aphex Twin mit seinen Selected Ambient Works-Platten. Bei seinen Cuts denkt man an vorzugsweise Schneeflocken und Eisblumen, wenn überhaupt an irgendetwas. Musik zum Abschalten und genießen, bis der dämliche Schnee auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist. Zu schön um wahr zu sein.

9. WILLIAM RYAN FRITCH

Coda (2013)

Songs von Stubenhockern für Stubenhocker: William Ryan Fritch tüftelt in seiner Blockhütte irgendwo im mittleren Westen der USA ein sphärisches Folk-Epos nach dem anderen zusammen, von dem ich einfach nicht genug kriegen kann. Und gerade kalte Wintertage sind die perfekte Zeit, sich diesen Luxus zu genehmigen und in seiner Diskografie zu versinken.

10. WHITE HINTERLAND

Ring the Bell (2014)

Sonnige Songwriter-Momente gehören bei White Hinterland der Vergangenheit an, ihr aktuelles Album Baby präsentiert sich maximal meschanisch und unterkühlt. Im Video zu Ring the Bell tänzelt die Sängerin passend dazu im Fellmantel durch Paläste aus Eis und Schnee. Wo Lorde über Strände und Tennisplätze singt, wird mit diesem Track der Megahit für die Wintermonate geboten.

11. SIMON  & GARFUNKEL
the Sound of Silence (1964)

Eigentlich ein Song über den Tod von John F. Kennedy, ist the Sound of Silence nach über 50 Jahren ein Klassiker geworden, der einigen von uns in so mancher Situation die Last von der Seele genommen hat. In den melancholischen und teilweise vor allem auch ziemlich ruhigen Wintermonaten sollte sich sicherlich die ein oder andere Möglichkeit ergeben, ihn aufzulegen. Und wenn es für einen vorrübergehenden Absacker am Neujahrsmorgen ist.

12. KROBAK
It's Snowing Like It's the End of the World (2013)

Einer der stimmungsvollsten Postrock-Songs der letzten Jahre und ein Titel, der selbsterklärend ist. In etwas mehr als elf Minuten frönen die Ukrainer von Krobak hier einem Geduldsspiel an genialem Minimalismus, mit dem sich so ziemlich jeder üble Schneesturm aussitzen lässt. Spätestens beim Finale mit Streichern und Bläsern kommt dann auch die wohlige Wärme zurück, mit der diese Band locker Fabrikhallen beheizen könnte.

13. DER WEG EINER FREIHEIT
Eiswanderer (2015)

Man sollte nicht vergessen, dass es auch für Black Metal keine bessere Zeit gibt als den kalten Winter, wenn sich die Söhne Norwegens im verschneiten Wald finsteren Mächten hingeben oder was auch immer tun. Der Weg einer Freiheit kommen zwar nicht von dort, sondern aus Würzburg, trotzdem ist ihr Sound gleichermaßen finster und hasserfüllt. Die Minusgrade kommen da von ganz alleine.

14. SUFJAN STEVENS
O Come, O Come Immanuel (2001)

Die Weihnachtsplatten des Sufjan Stevens sind in der Indie-Gemeinde nicht ohne Grund ein echter Dauerbrenner: Die Annäherung von festlicher Stimmung und Popmusik findet hier ausnahmsweise mal ohne cheesigen Last Christmas-Schmalz statt und warten dafür mit songwriterischer Ehrlichkeit und ungeschminkter Schönheit auf. So gut hat das nicht mal Johnny Cash hinbekommen, und dessen Silent Night ist schon ziemlich gangsta.

15. TOM WAITS
Closing Time (1974)

Dass der Winter die Zeit für Melancholiker ist, habe ich hier denke ich schon häufig genug betont. Und der Weltmeister selbiger ist neben Nick Cave und Leonard Cohen dieser netter Herr hier. Sein Debüt Closing Time könnte hier eigentlich an vielen Stellen stehen, doch der instrumentale Titeltrack und Schlussakt passte mir hier gerade am besten. Falls mal wieder jemand länger aufbleibt.


16. BOHREN & DER CLUB OF GORE
Ganz leise kommt die Nacht (2014)

Wo wir schon bei langen Nächten sind: Auch der ambiente Jazz vom letzten Bohren-Album gibt einen hervorragenden Soundtrack für triste, kalte Tage und Abende ab. Dort, wo nicht jeder Zwischenraum mit Melodie gefüllt wird, bleibt viel Platz für kleine Gedankenblasen und noch einen Eichenfass-Whiskey mehr. Musik also, von der man sich nicht zu sehr treiben lassen sollte...


17. WOLVES IN THE THRONE ROOM
A Shimmering Radiance (Diadem of 12 Stars) (2006)

Schon auf dem Cover des WITTR-Debüts Diadem of 12 Stars erkennt man, wie wichtig die imposante Natur der Band-Heimat Washington für ihre Musik ist. Nach weitläufigen Gletschern und verschneiten Bergspitzen klingt also auch dieser epochale Longtrack hier, der nicht nur transzendente Metal-Herzen höher schlagen lässt. Der passende Soundtrack zur Tolkien-DVD-Box.


18. ELEMENT OF CRIME
Wenn der Winter kommt (2005)

Das Wort Gemütlichkeit haben sich Element of Crime auf die Nadelstreifenanzüge geschrieben und Sven Regener erzählt Geschichten vom Leben. Gepaart mit lauschiger Wärme und dem richtigen Mistwetter draußen ist Wenn der Winter kommt dann schon mal das optimale Match. Und das beste daran: Mitte Juli funktioniert der Song genauso gut.


19. RUN THE JEWELS
A Christmas Fucking Miracle (2013)

Zugegeben, der Zusammenhang ist ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Aber Run the Jewels beweisen: Weihnachten ist auch in Brooklyn ein Thema. Und mit eingespielten Jingle Bells im Hintergrund kann sogar HipHop richtig besinnlich sein. Das RTJ-Motiv wäre ja auch nicht das schlechteste für Norweger-Strickpullis.


20. MODEST MOUSE
Coyotes (2015)

Zum Abschluss noch ein Song von diesem Jahr und meiner Meinung nach einer der besten, die Modest Mouse je geschrieben haben. Für kalte Winter war die Band aus Seattle zwar schon immer die richtige, doch hier haben sie noch ein echtes Sahnestück oben drauf gesetzt. Mit dem wäre dann auch dieses Jahresende vernünftig beschallt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen