Freitag, 13. November 2015

Oh Well, Whatever. Never Mind

KURT COBAIN
Montage of Heck: the Home Recordings

Universal
2015

















Das tolle am quasi ersten Soloalbum von Kurt Cobain 21 Jahre nach dessen Tod ist, dass man es nicht überbewerten muss. Montage of Heck, die Songs zum gleichnamigen Dokumentarfilm sind keine unentdeckten Geistesblitze eines Genies, sondern trotz des großen Namens vorne drauf eine Sammlung von Songs, die aus gutem Grund nie auf einer Nirvana-Platte waren. Cobain, das sollte der durchschnittliche Fan inzwischen wissen, war niemand, der sich zu Hause einmummelte und tonnenweise Demotapes für die Schublade produzierte, die heute irgendwo in Archiven gammeln. Viel eher arbeitete er sehr akribisch an einzelnen Zeilen, schrieb von fast jedem Track mehrere Versionen und was Wert hatte, landete früher oder später immer bei seiner Band. So gesehen sind diese Songs schon etwas besonderes, doch man merkt genau so, dass Brett Morgen für diese Compilation wirklich jeden Stein umgedreht hat, um doch noch irgendwo etwas zu finden, was sich veröffentlichen ließe. Die meisten Nummern hier sind eigentlich überhaupt keine richtigen Songs, sondern lediglich Soundschnipsel, die Namen wie Reverb Experiment oder the Happy Guitar tragen. Daneben gibt es zahlreiche "Early Demos" von Nirvana-Stücken und ein Beatles-Cover. Nach 33 Minuten ist die Platte zu Ende. Ein sensationeller Fund aus den Tiefen der Pop-Historie sieht anders aus. Dass es interessante Momente gibt, will ich jedoch nicht abstreiten. Als großer Fan von Cobains Musik weckt jeder Song, der tatsächlich neu ist, sofort meine Neugier. Und Tracks wie She Only Lies, Letters to Frances oder Desire wohnt tatsächlich der unverwechselbare Geist einer Kurt Cobain-Komposition inne. Das klingt logisch, ist aber ein echtes Highlight für Montage of Heck. Auch die frühen Aufnahmen von Frances Farmer Will Have Her Revenge on Seattle oder Been A Son sind spannend, da hier teilweise noch andere Lyrics gesungen werden. Brett Morgen gibt uns mit dieser Platte also beides: Die erneute kommerzielle Ausschlachtung eines Rock-Mythos und wertvolle musikalische Dokumente. Die Spreu vom Weizen trennen muss der Hörer dabei jedoch selbst. Wer besonders viel Freude daran findet, kann das auch auf der doppelt so langen Deluxe-Ausführung tun, die noch mehr Zwanzig-Sekunden-Skits und Zweitverwertung enthält. Ich persönlich brauche keines von beidem wirklich. Nirvana haben auf drei Alben mehr gesagt als andere Bands in 30 Jahren und um das aufzuarbeiten, sind Demo-Kollektionen wie diese nach meinem Ermessen eher hinderlich als fördernd. Dass die "Solo-Arbeiten" von Cobain früher oder später trotzdem so enden würden, war aber sowieso klar. Es gibt ja noch nicht genug, was die Plattenpresse diesem armen Typen schuldet. Nächstes Jahr wird Nevermind 25 Jahre alt. Auf die nächste Gelegenheit müssen die also nicht lange warten. Wer weiß, was dann wieder alles entdeckt wird.
7/11

Beste Songs: Clean Up Before She Comes / And I Love Her / Frances Farmer Will Have Her Revenge On Seattle / She Only Lies

Nicht mein Fall: Reverb Experiment

Weiterlesen:
Zur Entschlackung: Nirvana.
zum Review

Und noch mehr alte Demos:
zum Review

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