Sonntag, 25. August 2024

Die Wochenschau (12.08.-25.08.2024): Jpegmafia, Ice Spice, Jack White, the Smashing Pumpkins, Moses Sumney, Rakim, Killer Mike


 
 
 
 
 
ICE SPICE
Y2K!
TenThousand Projects
 
Gemessen daran, wie genervt ich schon seit ihren ersten Singles von so ziemlich allem war, was Ice Spice während der letzten Monate veröffentlichte, ist dieses Debüt nicht weniger als eine kleine Sensation für mich. Weil es sich ob dieser ersten Eindrücke nicht nur einigermaßen gut schlägt, sondern effektiv richtig gut geworden ist. Sicher, Ice Spice ist lyrisch absolut keine Größe und das Ding klingt eher wie ein Mixtape, in meinen Augen allerdings wie eines von denen, die in der Szene wirklich etwas aufrütteln können und so kompromisslos ihr Ding machen, dass man einfach beeindruckend sein muss. Y2K! hat nicht nur haufenweise starke Songs, sondern ist dabei auch noch erstaunlich kohärent und verkauft die bratzige Stimmung, die Ice Spice seit letztem Jahr vermarktet, einfach richtig gut als Gesamtpaket. Hätte ich das hier vor ihren ersten Singles als ganzes gehört, wäre ich definitiv eher an Bord gewesen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




RAKIM
G.O.D.s Network - Reb7rth
Holy Toledo | Compound Interest

 
 
 
 
 
 
 
Ähnliche Nummer wie bei der neuen Common-LP letztens: Mit seinem ersten Album seit 2009 kommt hier ein echter Rap-Veteran zurück, dessen Style 2024 vielleicht nicht mehr der modernste ist, der aber fantastisch funktioniert. Cool ist bei Rakim auch, dass er eben nicht einen auf altersweise Hiphop-Eminenz macht und total in sich gekehrt ist, sondern teilweise ernsthaft spaßig oder zumindest unterhaltsam werden kann. Gemindert wird das ganze auch nicht durch haufenweise Rap-Prominenz, die sich in allen Tracks die Klinke in die Hand geben und Parts abliefern, die quasi jeden Song zu einem schmissigen Posse Cut machen. In 32 Minuten ist der Drops dann auch schon gelutscht, was schon ein bisschen kurz ist, mich aber auch überhaupt nicht stört. Viel eher bin ich ernstlich beeindruckt von der Rückkehr eines fitten Golden-Age-Rappers, dessen klassisches Material aus den Achtzigern ich ehrlicherweise gar nicht mal so krass finde.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





JPEGMAFIA
I Lay Down My Life for You
AWAL

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nachdem ich 2021 seine letzte Soloplatte ziemlich gut fand und vergangene Saison auch von Scaring the Hoes ziemlich angetan war, hatte ich eigentlich geglaubt, jetzt auch endlich auf den Jpegmafia-Hypetrain aufspringen zu können und war I Lay Down My Life for You mit großer Vorfreude entgegengetreten. Nicht gemindert dadurch, dass er hier anscheinend die Platte mit der bisher größten Publikumsresonanz in seiner Karriere gemacht hat, die schon jetzt wie ein kleiner, lange verdienter Durchbruch in den Hiphop-Mainstream erscheint. Leider zeigt mir das Ergebnis dann aber eher mal wieder die Gründe auf, warum ich ganz persönlich mit seinem Output so lange nichts anfangen konnte und dass sich das durch ein paar Lichtblicke zwischendurch auch nicht geändert hat. Vor allem auf instrumentaler Ebene ist das hier ein ziemlich chaotisches und verwirrendes Stück Musik (und das nicht auf die gute Art wie beim Vorgänger) und auch viele der Hooks führen mal wieder ins Nichts. Textlich (das Wort "inhaltlich" will ich an dieser Stelle schon gar nicht bemühen) hat die Platte ihre Momente, auch hier ist mir Peggy aber nach wie vor zu unzusammenhängend und random, um wirklich auf ganzen Songs zu überzeugen. Und dass es mit JPEGULTRA! und either on or off drugs zwei echte Highlights gibt, schiebe ich respektive auf glücklichen Zufall und die Anwesenheit von Denzel Curry.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11
 
 
 


JACK WHITE
No Name
Third Man

Die letzten Jahre schienen für Jack White im Zeichen der kreativen Entgrenzung zu stehen, durch die der große Revivalist es nach Jahren des Traditionalismus doch noch schaffte, sich die ewige Garagen- und Blues-Jacke abzustreifen und Platten wie Boarding House Reach oder Fear of the Dawn zu machen, die zwar nicht zwingend seine besten waren, aber trotzdem herrlich experimentell und abenteuerlich. Seltsam ist es deshalb schon ein bisschen, dass er mit No Name nun anscheinend auf die ewig nörgelden gehört hat und halt doch nochmal versucht, den Geist der White Stripes auf eines seiner Soloalben zu bannen. Dass das unter keinem guten Stern steht, wissen wir eigentlich schon von seinen ersten beiden Platten ohne Band und es bestätigt sich auch hier leider wieder. Schlecht sind die Songs auf No Name keineswegs, aber irgendwie schon ziemlich uninspiriert und vor allem nichts, was ansatzweise mit den White Stripes zu tun hat. Dafür ist das hier alles zu professionell, zu ordentlich und klanglich zu glattpoliert. Ein Plus ist immerhin, dass White als Texter wesentlich besser geworden ist und zum ersten Mal Songs wie Archbishop Harold Holmes oder What's the Rumpus schreibt, bei denen man wirklich mal auf die Lyrics hört. In allen anderen Belangen macht No Name wenig effektiv falsch, fühlt sich in kreativer Hinsicht aber ganz klar wie ein Rückschritt an. Woran übrigens auch der ganze Release-Zirkus mit den verschenkten Third Man-Erstausgaben nichts ändert.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





MOSES SUMNEY
Sophcore
Tuntum

Nachdem Moses Sumney 2020 mit dem formlos schönen Græ eine der besten Platten der damaligen Saison gemacht hatte und danach vier Jahre mehr oder weniger Ruhe war, nimmt man inzwischen was man kriegt. Auch eine vom Umfang her eher ernüchternde 20-Minuten-EP mit gerade Mal sechs Songs und relativ wenigen neuen Ideen. Musikalisch ist Sophcore zwar an sich nicht schlecht, kehrt nach dem herrlich entgrenzten und experimentellen letzten Album aber auch wieder in die Gefilde des klassisch(er)en R'n'B zurück, den es so oder so ähnlich auch von anderen Künstler*innen gibt. Vielleicht möchte Sumney jetzt, wo er sich kreativ alle Türen geöffnet hat, doch lieber ein Popstar sein, wozu zumindest das Modemagazin-Cover und seine in den letzten Jahren erfolgreich angefangene Schauspielkarriere passen. Die Hoffnung darauf, nochmal ein so herausforderndes Album wie das letzte zu bekommen, habe ich aber ganz sicher noch nicht aufgegeben.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




THE SMASHING PUMPKINS
Aghori Mhori Mei
Martha's Music

Lange war die Tatsache, dass Billy Corgan es über zwanzig Jahre nach der Hochzeit seiner Band eben nicht aufgegeben hat, den Smashing Pumpkins auf Biegen und Brechen doch nochmal eine Platte von der Tragweite eines Mellon Collie oder Adore abzutrotzen, eine Überzeugung, die man als Fan etwas peinlich berührt zur Kenntnis nahm. Denn wie man an komplett vergurkten Alben wie Oceania oder Monuments to An Elegy aus dieser Zeit ablesen konnte, waren die Überreste der Band, die eher als Corgans illustres Soloprojekt existierten, allein durch Willenskraft zu solchen Meisterwerken nicht mehr fähig. Die Wiedervereinigung mit James Iha und Jimmy Chamberlin aus dem klassischen Lineup der Band war da vor einigen Jahren ein echter Lichtblick und schon da war ich überrascht, wie viel besser die Platten der Pumpkins plötzlich wieder wurden. Sowohl die Quasi-Reunion-LP Shiny and Oh So Bright Vol. 1 von 2018 als auch Cyr von 2020 waren wichtige Schritte in die richtige Richtung und zeigten eine Band, die Songs mit Charakter schreiben konnte. Klar übernahm sich Corgan anschließend direkt wieder mit dem operatischen Dreiteiler ATUM, der konnte aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mit den Smashing Pumpkins wieder aufwärts ging. Und Aghori Mhori Mei fühlt sich ein Jahr später nun wie der erste Lohn dieses Wiederaufbaus an: In knackigen 44 Minuten holt die Platte erneut den klassischen Sound der Band zurück, schafft es im Gegensatz zu den Vorgängern aber auch, diesen Weg ohne peinliche Zwischenstellen und komische Exkurse zu beschreiten und ein zwar konservatives, aber auch endlich mal wieder kompositorisch und klanglich gelungenes Album zu machen. Gerade in den rockigeren Momenten von Songs wie Edin oder War Dreams of Itself ist das fast wieder auf dem Niveau der Neunziger und auch wenn es wie im Closer Murnau ein bisschen Synth-Lastiger oder balladiger wird, versinkt die Band nicht gleich in triefendem Kitsch. Wirklich ungelungen finde ich an der Platte lediglich die Produktion, durch die viele Instrumente und vor allem Corgans Stimme teilweise fies verzerrt und künstlich klingen. Anhand des sonstigen Fortschritts, den ich so trotz starker Vorboten nicht von dieser Band erwartet hätte, ist das aber absolut verzeihlich.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




MICHAEL & THE MIGHTY MIDINGHT REVIVAL
Songs for Sinners & Saints
VLNS | Loma Vista

Killer Mikes erstes Post-RTJ-Soloalbum ließ mich letztes Jahr ja eher enttäuscht zurück, was es nicht daran hinderte, objektiv ein ziemlicher Erfolg für den Rapper zu werden. Songs for Sinners & Saints ist in dem Sinne sicherlich keine notwendige Kurskorrektur, in meinen Augen aber eine äußerst willkommene. Denn obwohl es hier immer noch viele biografische und verhältnismäßig nachdenkliche Songs gibt, hat Mike auch sein Gespür für derbe Banger zurückgewonnen, die meiner Meinung nach seine beste Eigenschaft sind. Gerade im ersten Teil der Platte sorgt das für viel Genugtuung, mit der ich später dann auch Sachen wie das 10-Minuten-Storytelling-Epos Slummer 4 Junkies gut finden kann. So richtig zurück auf RTJ-Niveau ist die Nummer zwar noch nicht ganz, es zeigt aber eine Inkarnation des Solo-Killer Mike-Konzepts, mit der ich mich zumindest anfreunden kann.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




Sonntag, 11. August 2024

Die Wochenschau (05.08.-11.08.2024): Childish Gambino, Porter Robinson, Denzel Curry, Clairo und und und...

 





LIANA FLORES
Flower of the Soul
Verve

 
 
 
 
 
 
 
MPB-Vereinnahmung Teil 1: Mit Liana Flores lässt mich gerade ausgerechnet ein englischsprachiges Album einer Künstlerin aus Großbritannien daran glauben, dass der Spirit des MPB und Samba-Pop, wie er in den Sechzigern in Brasilien grassierte, doch noch irgendwo zu finden ist. Denn obwohl Flores' Debüt ein durchaus modern aufgenommenes und zumindest in technischer Weise kaum retro-behaftetes Album ist, zieht es die Ideen für seine Kompositionen doch direkt aus dem goldenen Zeitalter der brasilianischen Popmusik, vor allem von Astrud Gilberto und Luis Bonfá. Man kann dabei nie genau sagen, ob Flores ihre Inspiration jetzt eher aus dem Folk oder aus dem Jazz kommt und genau darin steckt so häufig die Faszination. Und wo die Platte mitunter auch recht gefällig werden kann und definitiv null edgy ist, kommt die ganze Sache doch - ebenso wie die Originale aus den Sechzigern - nie zu nah an belangloses Easy Listening-Geplätscher, sondern hat immer genug Spannung und Substanz. Wahrscheinlich mein erstes richtiges MPB-Lieblingsalbum seit Mitte der Siebziger.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





BRIJEAN
Macro
Ghostly International

MPB-Vereinnahmung Teil 2, nur mit mehr Disco-Bumms: Wer letztes Jahr das aktuelle Album von Jungle mochte, bekommt hier vielleicht dessen ideellen Nachfolger mit noch etwas spannenderer Vielgestalt. Das kalifornische Duo Brijean kommt eigentlich aus dem Deep House, lief aber schon auf seinem Debüt Feelings vor drei Jahren völlig über die Ufer, auf Album Nummer Zwei emanzipieren sie sich nun mehr oder weniger komplett von ihren Wurzeln. Wie in der Eröffnung besprochen, gibt es auch hier viele südamerikanische Einflüsse, die die beiden MusikerInnen aber immer wieder in kunterbunte Flickenteppiche aus Psychpop, Disco und Chillwave einweben. Tanzbar ist Macro dabei nur stellenweise, viel eher funktioniert es vom Vibe her auf ähnlich flamboyante Art wie ein Avalanches-Album: Stilistisch darf alles sein, solange die Grenzen fließend sind und alles am Ende in einer riesigen Collage aus guter Laune zusammenkommt. Definitiv ein Geheimtipp-Kandidat für die Sommer-LP des Jahres.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11






CLAIRO
Charm
Die-Ai-Wei

Die Richtung, die ein neues Album von Clairo nimmt, konnte man bisher immer ein bisschen daran ablesen, wer es produziert und auch diesmal ist es so: Wo 2021 auf Sling Jack Antonoff ihren soften Indiefolk veredelte, engagiert sie diesmal den Funk/Jazz/Soul-Tüftler Leon Michels von El Michels Affair und verschiebt ihren Sound ein Stückchen weiter in Richtung Retropop. Dabei verliert Clairo zwar nicht ihre Fähigkeit, sehr zurückgenommene und intime Flauschenummern zu schreiben, wie schon beim letzten Album gibt es aber auch Momente, in denen sie daraus ausbrechen will und kann. Nur dass diese hier eben nicht klingen wie bei Sufjan Stevens, sondern eher ein bisschen nach fluffigem Neo-Soul. Gerade ein Song wie Sexy to Someone mit seinen schnittigen Synth-Hüpfern fällt da auf, in anderen Tracks wie Thank You ist Clairo so poppig wie nie. Charm funktioniert dabei in viele Richtungen, holt aber immer das meiste aus seinen Ideen und ist damit schon ein bisschen eine positive Überraschung für mich. Vor allem in der Hinsicht, dass es mir zeigt, wie man mit der Ästhetik von St. Vincents Daddy's Home auch ein richtig gutes Album machen kann.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11






COMMON
PETE ROCK
the Auditorium Vol. 1
Loma Vista

 
 
 
 
 
 
Bisher war Common eigentlich jemand, dem ich im Gesamtkontext des zeitgenössischen Hiphop als wertkonservativen Boomer sah, der musikalisch und ideologisch ein bisschen zu sehr in den Zwotausendern hängen geblieben ist und im Großen und Ganzen ist das auch nach dieser Platte noch so. Mit dem ersten Teil seines Auditorium-Projekts hat er gemeinsam mit Pete Rock aber zumindest ein Album aufgenommen, bei dem mich das nicht so sehr stört. Rocks traditionell verwachsene Boombap-Beats hier klingen etwas altbacken und poliert, aber nie nach belanglosem Quatsch und die Ergüsse des Hauptakteurs über Religion, Gesellschaft und Philosophie sind mir vielleicht etwas zu rosarot harmonisch gemalt, aber trotzdem alles andere als beschränkt. Ein bisschen erinnert mich das ganze an eine alternative Version der Nas-und-Hit-Boy-Platten aus den letzten Jahren, nur haben Common und Pete im Moment noch weniger Füllmaterial und peinliche Ausreißer als die. Wie sich das mittelfristig entwickelt, wird man aber wahrscheinlich erst an den nächsten Projekten in der Reihe sehen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




LOS CAMPESINOS!
All Hell
Heart Swells

Es ist noch nicht lange so, dass die Campesinos nebenbei dieses Emorock-Ding laufen haben, oder? So oder so kann ich aber definitiv sagen, dass es in meinen Augen ihren Sound ungemein bereichert und ihm ein Stückweit die Erdung gibt, die ihnen über weite Strecken der Zwotausendzehner gefehlt hat. So wie sie jetzt klingen erinnern sie mich auf bestmögliche Weise an die glorreiche Anfangsphasen von Bands wie The World is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die oder the Hotelier, wobei Vergleiche wie diese vor allem deshalb aufkommen, weil die neue Platte eine herrlich breite Instrumentierung hat. Diese wird an vielen Stellen auch noch durch großartige Backing Vocals unterstützt und sorgt hier nicht nur für ein Album mit toller inhaltlicher Tiefe, sondern auch für ein wunderbar hymnisches mit vielen großen Hooks.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




DENZEL CURRY
King of the Mischievous South, Vol. 2
Loma Vista

Echte Kontinuität gibt es in der Diskografie von Denzel Curry eh nicht, weshalb es mich an diesem Punkt auch wenig überrascht, dass auf eines seiner nachdenklichsten, erwachsensten und meditativsten Projekte mit Melt My Eyez, See the Future im Jahr 2022 jetzt eine Platte wie diese folgt: Ein bratziges Schnellschuss-Album als Nachfolger eines Mixtapes von 2012, auf dem Curry mit mächtig Bumms in seine Trap-Vergangenheit zurückschnappt. Abgesehen vom ersten Teil der Saga erinnert das ganze am ehesten noch an eine LP wie Imperial, sitzt aber auch nochmal tiefer in den regionalen Traditionen des Trap-Untergrunds der Zwotausender, insbesondere in der von Florida und Memphis. Was unterm Strich bedeutet, dass Denzel hier eine weniger inhaltlich potente, sondern in erster Linie unterhaltsame Platte mit vielen Bangern gemacht hat, die als solche auch funktioniert. Wie bei vielen ähnlichen Projekten davor finde ich aber auch hier, dass dieser Modus ihn nicht auf der Höhe seiner Kreativität zeigt und er besser ist, wenn er auch als Erzähler sein volles Potenzial nutzt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





CHILDISH GAMBINO
Bardo Stone & the New World
RCA

Ich habe im Jahr 2024 ehrlich gesagt ein ziemlich komisches Verhältnis zum musikalischen Output von Donald Glover, von dem ich sagen muss, dass ich es inzwischen selbst nicht mehr ganz verstehe. Auf der einen Seite habe ich mit seinem früheren Material in letzter Zeit einigermaßen intensiv beschäftigt und dabei viele meiner ursprüchlichen Ansichten revidieren müssen, auf der anderen habe ich eigentlich nicht den Eindruck, dass man über ihn aktuell noch besonders viel nachdenken muss. Drei Jahre lang gab es von ihm mittlerweile nichts neues mehr zu hören und auch sein davor letztes Album von 2020, das kürzlich nochmal unter dem Namen Atavista als aufgemotzte Reissue veröffentlicht wurde, hat rückblickend etwas sehr antiklimaktisches. Und aus Bardo Stone, dass jetzt auf der einen Seite wie ein Comeback wirkt, auf der anderen aber der Schwanengesang des Projekts Childish Gambino als solches sein soll, werde ich ebenfalls nicht wirklich schlau. Wobei es definitiv nicht hilft, dass das Ding als Soundtrack eines anscheinend noch zu drehenden Films aus Glovers Feder gedacht ist, zu dem aber noch nichts konkreteres bekannt ist. Was man hier musikalisch bekommt, bedarf also eines umfassenderen Kontextes, den es zum jetzigen Zeitpunkt aber schlichtweg nicht gibt. Und sich das vorhandene Material an sich anzugucken, bringt mich persönlich auch nicht wirklich weiter. Die zwischendurch eingefädelten Dialog-Happen, die wahrscheinlich aus dem Drehbuch des Films stammen, geben sich als greifbare Quotables, sind aber komplett willkürlich und stören den Flow des Albums eher, als ihm zu helfen und die Musik ist ebenso verwirrend. Dass Glover an allem zwischen Pop-Punk, Jazz, Soul und Electronica herumtüftelt passt noch irgendwie, es macht aber insgesamt einen eher chaotischen Eindruck und sorgt auch nicht wirklich für Momente, die so richtig hängenbleiben. Was aber nicht heißt, dass es keine Highlights gibt. Talk My Shit wird insbesondere durch die Features von Amaarae und Flo Milli ein starker Schlagabtausch, Lithonia hat eine der wenigen richtig guten Hooks der LP und auch Cruisin' im hinteren Drittel funktioniert zwischendurch gut. Das meiste dazwischen ist nicht effektiv schlecht, aber in meinen Augen auch nichts, das das Album als solches voranbringt. Weshalb sich Bardo Stone als ganzes letztlich einfach sehr random und unschlüssig anfühlt. Ich habe an dieser Stelle noch einige Hoffnung darin, dass der Kontext des (hoffentlich) kommenden Films alles nochmal in Perspektive setzt und ich schließe bei einem Donald Glover nicht komplett aus, dass am Ende alles in einem Purple Rain-mäßigen heimlichen Meisterwerk ausgeht. Für den Moment bin ich aber vor allem verwirrt von der ganzen Aktion.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





PORTER ROBINSON
SMILE! :D
Mom+Pop

Ich komme an dieser Stelle nicht umhin, zuerst nochmal festzustellen, was für ein entscheidendes Album vor drei Jahren Porter Robinsons letzte Platte Nurture war. Schon damals schrieb ich über die Songs des Produzenten aus North Carolina, dass sie wie wenige andere Sachen den gegenwärtigen musikalischen Zeitgeist einfingen und etwa 40 Monate später kann ich dem hinzufügen, dass Nurture damit eine der bisher prägendsten und markantesten Platten der jungen Dekade wurde. Und mit SMILE! :D macht Robinson jetzt viele Sachen, die man häufig mit Nachfolgern so großer Statements assoziiert: Den Stil des Vorgängers in wesentlichen Punkten erweitern, ohne dessen Identität zu sehr zu überwinden. Dabei ist es ein weiteres Mal beeindruckend, wie nahtlos er die Tätigkeitsbereiche eines Songwriters und eines Produzenten verschmilzt und wie viele künstlerische Ideen hier zu einer werden. Damit schafft die neue Platte in schöpferischer Hinsicht das gleiche wie Nurture und bessert einiges vielleicht sogar noch aus. Dass es diesmal nicht ganz so beeindruckend ist wie dort, liegt lediglich daran, dass der Vorgänger vieles schon so gut machte und Robinson sich hier einfach ein stückweit wiederholt. Wer das beim letzten Mal verpasst haben sollte, findet hier aber mindestens einen genauso starken Einstieg in diesen Sound wie vor drei Jahren.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11