Sonntag, 4. August 2024

Die Wochenschau (30.07.-04.08.2024): Eminem, Kasabian, Sturgill Simpson, Toe


 
 
 
 
 
 
KASABIAN
Happenings
Sony

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Keine Ahnung, warum es mich immer noch so überrascht, wenn Kasabian dieser Tage ein starkes Album machen, aber vielleicht ist es einfach eine Sache, die auf dem Papier unmöglich scheint. Die großen Rockstar-Jahre hat die Band inzwischen lange hinter sich und ist seit geraumer Zeit eigentlich wenig mehr als das Soloprojekt von Sergio Pizzorno, der nicht eben als der maßvollste und kreativ stilsicherste Musiker bekannt ist. Trotzdem haben die Briten auf Platten wie For Crying Out Loud oder dem soften Neustart the Alchemist's Euphoria von 2022 bewiesen, dass sie aus den seltsamsten Sachen gute Musik machen können und Happenings ist in dieser Hinsicht nun keine Ausnahme. Im Gegensatz zum smooth-elektronischen Vorgänger ist diese LP wieder eine, die sehr nach vorne geht und zwischen elektronischem Bumm-Bumm, großen Stadionrock-Gesten und einer gesunden Menge Psychedelik den "klassischen Sound" von Kasabian in einer Art Quintessenz einkocht. Nur 28 Minuten ist die Platte lang, viele Songs gehen keine drei Minuten und alles ist sehr kompakt gehalten, trotzdem spart Pizzorno nicht an hymnischen Momenten und klanglichem Zinnober. So viel Pathos in so kleine Portionen zu verpacken, ist wieder so eine Sache, die eigentlich nicht funktionieren sollte, es aber irgendwie tut und für ein weiteres Kasabian-Album sorgt, dass überraschend klasse ist. Nur in G.O.A.T. lässt Pizzorno für meine Begriffe ein bisschen zu sehr den Jared Leto raushängen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



 
 
TOE
Now I See the Light
Macchu Picchu | Topshelf

Lange ist es jetzt ruhig gewesen um die Tokyoter Mathrock-Größen Toe: Das letzte Album Hear You ist fast zehn Jahre her und obwohl es 2018 die fantastische EP Our Latest Number und 2021 eine Liveplatte gab, waren das eher kleine Signale in einem großen Ozean aus Stille. Now I See the Light durchbricht diese jetzt und ist dabei zwar auch keine Rückkehr mit fliehenden Fahnen, sondern eher so verhalten und filigran wie schon immer bei den Japanern, aber in meinen Augen ganz klar eine ihrer besten Platten bis jetzt. Herrlich unbeeindruckt und mit jeder Menge Geduld plätschern die zehn Tracks vor sich hin, wobei die Band viel Raum für wunderhübsche Details und ein paar echt weirde Ideen zwischendurch schafft. Vor allem in Hinblick auf das Aufkommen einiger neuer Hypes mit ähnlicher stilistischer Ausrichtung wie Parannoul oder Asian Glow ist es deshalb nochmal spannend festzustellen, wo vieles davon eigentlich herkommt und wie viel frischer es an vielen Punkten immer noch von dieser Band klingt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





EMINEM
the Death of Slim Shady (Coup de Grâce)
Shady

Oh Mann, das ist jetzt echt frustrierend. Da macht Eminem zum ersten Mal seit Jahren ein Album, das strukturell und musikalisch einigermaßen klar geht, und dann ist es inhaltlich so ein Riesenmist. Dabei mag ich an sich sogar die Idee, sein altes edgy "Alter Ego" Slim Shady für ein Konzeptalbum "zurückkehren" zu lassen, auf dem sich Eminem mit einigen ziemlich veralteten und problematischen Teilen seiner früheren Diskografie auseinanderzusetzen. Sogar dass er seine "Persona" nutzt, um politische Unkorrektheit zu inszenieren, hat in der Theorie etwas spannendes. Anhand der vielen Gänsefüßchen im letzten Satz lässt sich aber vielleicht erahnen, dass es diesbezüglich ein paar Unstimmigkeiten gibt. Denn leider findet das ganze eben nicht auf eine selbstreflektierende, ausgeglichene Art statt wie etwa bei Kendrick Lamar auf seinem letzten Album, sondern eher durch ein rammsteineskes Provozieren um des Provozierens Willen. Und sind wir ehrlich, wie sehr war Slim Shady je die Art Kunstfigur, als die dieses Album sie die ganze Zeit verkaufen will? Letztendlich ist es nämlich einfach der Künstler selbst, der diese hier als Deckmantel nutzt, um einige ziemlich fragwürdige Standpunkte seinerseits in den Äther zu werfen. Besonders eklig wird es dabei, wenn Eminem unter dieser Prämisse ziemlich transfeindliche Lines raushaut, die durch den Kontext des Inhalts kaum entschärft werden und vor allem seine Obession mit Caitlyn Jenner ist einfach ziemlich morbide. Und wo das ganze narrativ zumindest noch Sinn ergibt, solange Eminem im Konzept bleibt und seinen Konflikt mit Slim Shady beschreibt, ist das letzte Drittel nach Shadys "Tod" in Guilty Conscience 2 nur noch unfokussiertes Geschwalle. Hier soll der emotionale Teil des Albums beginnen, in dem der Rapper die Fassade ablegt und persönlich wird, dabei driftet er aber nicht zum ersten Mal in gnadenlosen Kitsch ab und hat einfach nicht mehr viel relevantes zu sagen. Ganz zu schweigen davon, dass er sich auch hier manchmal noch ordentlich im Ton vergreift. Dass mit Sachen wie Fuel, Renaissance und der Leadsingle Houdini am Ende trotzdem noch ein paar der besten Eminem-Songs seit Jahren rumkommen, liegt eigentlich nur daran, dass musikalisch wieder mehr los ist und seine Art zu rappen hier endlich mal wieder inhaltlich ausgerichtet ist. Deshalb wird man sich aber nicht an the Death of Slim Shady erinnern, sondern wahrscheinlich eher aufgrund des inhaltlichen Klogriffs, der dieses Album leider ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠 06/11






JOHNNY BLUE SKIES
Passage du Desir
High Top Mountain

Keine Ahnung wieso Sturgill Simpson unbedingt das Alter Ego Johnny Blues Skies braucht, um dieses Album zu machen, aber wieso auch nicht. Es ist bloß ein bisschen komisch, weil Passage du Desir die erste Platte des Songwriters seit einer Weile ist, auf der mir mal wieder ernsthaft die Qualitäten von Simpson auffallen, die man jetzt seit einer Weile nicht mehr so deutlich gehört hat. Vordergründig die, dass er jemand ist, der Countrymusik über die Grenzen betrachtet, die viele andere ihr gerne setzen. Das merkt man hier daran, dass er zum Beispiel dem Akkordeon, einem sonst eher Country-Fremden Instrument, an manchen Stellen sehr prominente Plätze einräumt, einen neunminütigen Closer mit Pink Floyd-Outro schreibt oder über Sachen wie E-Scooter und Naturheilkunde schreibt. Noch cooler ist dann aber, dass all diese Spielereien auch durchweg aufgehen und es tatsächlich keine peinlichen Zwischenstellen gibt wie auf einigen seiner älteren Platten. Für mich daher definitiv die beste Simpson-LP, die ich bisher gehört habe.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




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