Mittwoch, 5. Dezember 2018

Diplomatische Lösungen





















Man hört ja nicht auf zu hoffen, dass es irgendwann doch nochmal klappt. Dass Billy Corgan wenigstens noch einmal über seinen Schatten springt, seine ganze Krampfigkeit und alberne Midlife-Crisis-Frustration kurz beiseite legt, endlich mal zeigt, was für ein verdammt guter Songwriter er immer noch ist und wenigstens eine halbwegs vernünftige neue Pumpkins-LP fabriziert. Dass er tatsächlich keine Spur von seinem immensen Talent verloren hat, ist auch über die letzten Jahre immer wieder nachweisbar gewesen, sei es auf der 2008 veröffentlichten Band-Doku If All Goes Wrong, in der leider völlig unterschätzten Handyvideo-Serie 30 Days von 2016 oder auf Corgans letzter Solo-Platte Ogilala. Dass der Typ seine Vision verloren hätte, war absolut nicht der Fall. Nur war er, wenn es um sein Leidenschaftsprojekt Smashing Pumpkins geht, einfach immer zu überambitioniert. Wenn er ein neues Album machte, wollte er damit nicht weniger, als die moderne Popmusik revolutionieren, der kommerziellen Mainstream-Industrie den Spiegel vorhalten und generell zeigen, dass er noch immer den Dicksten hatte. Nicht selten endete das in äußerst peinlichen Versuchen, sich an irgendwelche Trends ranzuschmeißen, furchtbare klangliche und kompositorische Entscheidungen und ohne Ausnahme in Platten, die völlig zerdacht und verbogen waren. Damit will ich nicht sagen, dass Siamese Dream oder Mellon Collie damals spontane Schnellschüsse gewesen wären, Corgan war schon immer ein enervierender Pedant. Doch wo er das früher kanalisieren konnte, wirkte es ab der Jahrtausendwende nur noch bemüht. Und ehrlich gesagt war ich ob seiner Arbeitsweise und seines Rufes zunächst auch nicht der Meinung, dass die Rückkehr von Jimmy Chamberlin und James Iha daran irgendwas hätten ändern können. Sicher, dass nach so langer Zeit der Funkstille Anfang des Jahres die verlorenen Söhne doch noch zurückkehrten, war eines der größeren Wunderwerke des Rock'n'Roll. Aber gemessen daran, dass die beiden auch in den Neunzigern schon als bessere Notenständer für Corgan fungierten, weckte diese Fast-Reunion (Ur-Bassistin D'Arcy Wretzky verweigert bis heute vehement die Vervollständigung der Originalbesetzung) in mir keine allzu großen Hoffnungen. Zumindest mussten diese noch bis zum Sommer warten, als die alte neue Besetzung dann tatsächlich auch ihren ersten Song veröffentlichten und der Moment kam, an dem ich persönlich anfing, wirklich wieder an die Smashing Pumpkins zu glauben. Denn Solara, so ehrlich muss ich sein, war nicht weniger als der beste Track, den ich von irgendeinem Corgan-Projekt seit den späten Neunzigern gehört hatte. Anscheinend war der alte Ziesel im Zuge der Versöhnung mit Chamberlin und Iha selbst etwas nostalgisch geworden, denn dieses Zeug klang, als wäre es direkt aus den Sessions von Adore zwei Dekaden durch die Zeit katapultiert worden. Es war konsequent, es war rockig, es war emotional. Etwas pathetisch vielleicht, aber das haftete dieser Band eh schon immer an. Was in mir die Frage aufbrachte: War es nach dieser langen Zeit am Ende doch soweit? Würde es tatsächlich ein Comeback der Smashing Pumpkins geben, und zwar so richtig? Eine Platte, die wenigstens so gut war wie Adore? Erstmals seit Adore schien diese Hoffnung begründet. Gemessen am endgültigen Ergebnis war sie aber vielleicht doch etwas zu optimistisch. Dabei ist Shiny and Oh So Bright nicht unbedingt ein schlechtes Album. In meinen Augen ist es das beste, das diese Gruppe in den letzten zehn Jahren gemacht hat, wenn nicht sogar in den letzten zwanzig. Trotzdem fällt vor allem auf, wie extrem durchwachsen es qualitativ geworden ist. Von einem der besten Tracks der Saison (Solara) reicht die Spanne hier zu extrem peinlichen Momenten, und spielt auch zwischendrin alle Abstufungen durch. Mal ist der Eindruck sehr nostalgisch, mal schimmert eher Corgans neuer Style durch, mal gibt man sich wieder so laut und polternd wie zuletzt auf Mellon Collie, mal will man als deutlich reiferes Projekt auftreten. Dass Shiny and Oh So Bright eine klare Richtung hätte ist ebensowenig der Fall, wie dass man sagen könnte, sie wäre prinzipiell gut oder schlecht. Eines ist aber sehr deutlich spürbar: Der Knoten ist bei Billy Corgan zum ersten Mal seit langem wirklich gelöst. Egal wie er einen Song schreibt, welche Elemente er einbaut und ob das letztendlich von Erfolg gekrönt ist, er ist dabei wieder etwas lockerer. Die großen Gesten und theatralen Texte braucht er zwar immer noch, aber sind sie nicht mehr so elend krampfig wie zuletzt auf Monuments to An Elegy oder Oceania. Und das ist am Ende tatsächlich eine konsequente Stärke dieses Albums. Einen so fluffigen Track wie Silvery Sometimes gab es von ohm zuletzt in den Neunzigern und Marchin' On schafft es tatsächlich, die grungige Teenage Angst ihrer Frühphase in die Sprache eines ansprechenden Dadrock-Sound zu transferieren. Das einzige, was in dieser Hinsicht extrem schade ist, ist die Tatsache, dass wir von dieser neubelebten Band hier lediglich 31 Minuten neues Material hören. Es ist offensichtlich, dass Shiny and Oh So Bright dafür gemacht wurde, möglichst schnell vom Studio in die Läden zu kommen und zu präsentieren, was die neue alte Gruppe noch so drauf hat, was aber vielleicht nicht die beste Idee war. Ich will nicht sagen, dass es gleich wieder ein zweistündiges Konzept-Epos hätte sein müssen, doch hätte man die Sache noch ein bisschen arbeiten lassen, wäre vielleicht zumindest eine Stunde rausgekommen, an der die vier Musiker (oder eben auch nur Corgan) dann noch ein bisschen hätten feilen können. So wirkt das Ganze nun ein bisschen wie ein Prolog zu dem, was ein eventuelles Volume 2 alsbald noch anrichten könnte. Zumindest, wenn die Pumpkins sich bis dahin nicht schon wieder an die Kehle gesprungen sind.






Persönliche Highlights: Silvery Sometimes (Ghosts) / Solara / Marchin' On / Seek and You Shall Destroy

Nicht mein Fall: Alienation

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